Mitgefühl kann tödlich sein. Henning Marx
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Читать онлайн книгу Mitgefühl kann tödlich sein - Henning Marx страница 7
Die Melodie eines Mobiltelefons holte sie aus ihren Gedanken zurück. Die gehörte allerdings nicht zu ihrem. Ihr Besucher machte Anstalten, sich zu erheben, doch sie schob ihn sanft, aber bestimmt wieder auf das Bettlaken zurück.
»Nicht aufstehen! Du hast gesagt, ich soll den Ton angeben«, klang ihre Stimme etwas barsch, um dann einschmeichelnd fortzufahren. »Du fühlst dich gerade so gut an, Liebster.«
In dem Moment, in dem sie den Satz ausgesprochen hatte, war ihr klar geworden, einen Fehler begangen zu haben. »... gotta be fresh from the fight. I need a hero. I´m holding out for a hero ´til the end of the ...«, spielte das Telefon, während sie das Funkeln in seinen Augen zu spät registriert hatte. Natürlich war immer er der Held.
Fast brutal zog er ihre Hände an den Handgelenken von seiner Brust und stieß sie grob zur Seite. Erschrocken leistete sie keine Gegenwehr gegen diese unsanfte Behandlung und schaute ihn mit Angst in den Augen an, während er sich vor dem Aufstehen kurz ganz nah über sie beugte. »Du hast hier nur so lange etwas zu sagen, wie ich dir das erlaube. Vergiss das besser nie«, zischte er sie mit einem kühlen Blick aus seinen stahlblauen Augen an.
Nachdem sie eingeschüchtert nur leicht genickt hatte, stand er auf, wickelte sich eine Decke um die untere Hälfte seines gut trainierten Körpers und fingerte das Telefon aus seiner Jackentasche, das immer noch musizierte: »... And he´s gotta be larger than life!«
Das denkst du wohl von dir, ging es Ekaterina auf dem Boden der Tatsachen angekommen unwillkürlich durch den Kopf, während sie leicht am ganzen Körper zitterte. Diesen schnellen Stimmungsumschwung hatte sie nicht erwartet. Manchmal hasste sie sich und ihren Beruf.
»Was gibt es Mausefänger?«, knurrte ihr Besucher noch ein wenig ungehalten ins Telefon. Offensichtlich war der Anrufer in seinem persönlichen Telefonbuch verzeichnet.
Eigentlich war das immer ihr Traum gewesen: ein gut aussehender Mann mit Manieren und Geld, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Davon war sie wohl Lichtjahre entfernt. Sie drehte sich auf die Seite, um ihr enttäuschtes Gesicht zu verbergen, obwohl der Besucher ihr ohnehin gerade den Rücken zuwandte.
»Ja, du hast mich bei einer sehr anregenden Tätigkeit gestört. Also komm zur Sache«, bat er inzwischen wieder freundlich. »Ich muss hier dringend weitermachen, bevor alles kalt wird.«
Sein Lachen ließ Ekaterina erschauern. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust mehr. Lust war ohnehin der falsche Ausdruck. Am liebsten hätte sie auf das Geld verzichtet. Aber das konnte sie nicht, wenn sie ihren sehr guten Kunden nicht verprellen wollte.
»Alles paletti, die Maus hat sich gestern die Pfoten verbrannt. Morgen oder übermorgen sollte das auch hier in der Zeitung ankommen«, gab er sich so zufrieden wie lässig.
Ekaterina runzelte die Stirn. Was für eine Maus hatte sich die Pfoten verbrannt?
»Gut. Wir hören uns. Ich muss jetzt, ciao.«
Kurz darauf spürte sie, wie er sich mit einem Knie auf das Bett stützte. »Dreh dich gefälligst zu mir«, herrschte er sie wenig zimperlich an, keinen Widerspruch duldend. Seine schneidende Stimme ließ sie einen Augenblick zögern. Ihr Herz klopfte. Sie hatte gehofft, dass er wieder besserer Laune wäre, nachdem er am Ende des Telefonats normal geklungen hatte. Mit einem flauen Gefühl im Magen drehte sie sich auf den Rücken und zauberte ein verführerisches Lächeln auf ihr Gesicht. Noch bevor sie etwas sagen konnte, kniete er sich zwischen ihre Beine, ergriff ihre Handgelenke, die er seitlich von ihrem Kopf grob auf das Laken drückte, und nahm sich ohne jede Rücksicht, was er bezahlt hatte. Ekaterina drehte den Kopf zur Seite, damit ihre langen, leicht gewellten Haare ihr Gesicht weitgehend verdeckten. Sie konnte nichts tun, um sich diesem Sturm zu entziehen, ohne dass er dies gemerkt hätte. Innerlich leer biss sie sich immer wieder auf die Lippe.
Kommentarlos war ihr Besucher schließlich gegangen, ohne noch ein Wort mit ihr zu wechseln. Er wusste also, was er getan hatte. In seinem Ärger hatte er sie auch demütigen wollen. Sie hatte sich zuerst wieder auf die Seite gerollt und lange geweint. Schließlich hatte sie das Bett abgezogen, bevor sie viel Zeit apathisch unter der Dusche verbracht hatte. Ein Handtuch um den Kopf, das andere um den Körper gewickelt, stand sie nun mit leerem Blick vor dem Spiegel. Sie war doch auch wer! Aber wer wollte sie eigentlich sein? Das Spiegelbild verweigerte ihr jedoch beharrlich jegliche Antwort.
Kapitel 5
Der Sonnenschirm spendete ihnen angenehmen Schatten. Sonniger konnte es kaum sein, abermals verzierten Schönwetterwolken den Blick zum Horizont mit ein paar strahlendweißen Farbtupfen. Thomas Sprengel und Lene Huscher saßen auf der Terrasse ihres Hotels »Blue Skyline Lodge« nur ein paar Meter von der Sandy Lane Bay entfernt beim Frühstück.
»Hättest du Lust, die junge Frau im Krankenhaus zu besuchen?«, erkundigte er sich bei Lene, bevor er sich genussvoll eine Gabel Rührei mit knusprigem Speck in den Mund schob. Göttlich. Nachdem sich seine sportlichen Bemühungen über den Sommer immerhin um die Hüfte bereits bemerkbar gemacht hatten, erlag er gerade zunehmend den Verführungen des Frühstücksbüfetts. Ganz im Gegensatz zu seiner Frau, die auch hier ihrer Vorliebe entsprechend morgens hauptsächlich Müsli aß und so gertenschlank blieb wie eh und je.
Sie schaute auf und runzelte kurz die Stirn. »Das ist eine gute Idee. Wir könnten das mit einem kleinen Ausflug verbinden, wenn du Lust hättest.«
Er nickte nur, weil er den Mund schon wieder voll hatte.
Lenes Gesicht bekam einen traurigen Zug, als sie an die junge Frau dachte. Sicher hatte diese Glück gehabt, weil Thomas sie noch rechtzeitig von dem Boot geholt hatte. Aber für ihren Begleiter, dem Alter nach hätte sie auf den Vater getippt, war jede Hilfe zu spät gekommen. »Ich möchte nicht wissen, wie es ihr geht, wenn sie von dem Tod ihres Vaters erfährt«, drückte Lene ihr Mitgefühl aus.
»Ich auch nicht. Meinst du, das war der Vater?«, fragte Thomas zu interessiert, um zuerst zu Ende zu kauen.
Lene schaute ihn ausdruckslos an, wobei sie keinerlei Ambitionen zeigte, ihm zu antworten.
Thomas verstand sie ohnehin. Eilig schlang er den guten Speck hinunter. »Mir ist durchaus bewusst, dass du damals ›in jeder Hinsicht kultiviert‹ gesagt hast.« Mit einem lausbübischen Grinsen fügte er jedoch an: »Es ist nur so: Du bringst mich ganz um den Verstand. Da bin ich gar nicht mehr Herr meiner Sinne.« Treuherziger konnte kein Mann schauen.
»Jaja«, antwortete sie trocken. Aber dieses Mal kostete es sie sogar ein wenig Anstrengung, sich ihre Belustigung nicht anmerken zu lassen.
»Und?«, wollte er immer noch wissen, nachdem er sicher war, sich hinreichend aus der Affäre gezogen zu haben. Das Ausbleiben eines bissigen Kommentars zeigte ihm an, dass Lene heute gewillt war, nachsichtig mit ihm zu sein. Mit der Zeit hatte er gelernt, an der Art ihrer Antworten hinter ihre meist undurchdringliche Miene zu schauen, die sie immer dann aufsetzte, wenn ihr etwas missfiel – oder wenn sie ganz Kommissarin war.
»Du