Mitgefühl kann tödlich sein. Henning Marx

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mitgefühl kann tödlich sein - Henning Marx страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Mitgefühl kann tödlich sein - Henning Marx

Скачать книгу

Ziel erreicht hatte und gerade dabei war, einen leblosen Körper auf das auf dem Wasser liegende Surfsegel zu ziehen. Weitere Boote näherten sich inzwischen ebenfalls dem Unglücksort.

      Leider hatte er nichts außer seiner Badehose an und sah sich dem Rauch aus dem Cockpit ungeschützt ausgesetzt. Wegen der nur leichten Windbewegung stellten die auswehenden Segel und deren Schoten keine Bedrohung für ihn dar. Zügig konnte er sich zu der Bewusstlosen nach achtern begeben. Ein letztes Mal atmete er tief ein, bevor er die verbleibenden Meter zurücklegte. Die Flammen beschränkten sich hier zum Glück immer noch auf das Cockpit, nur das gesamte noch vorhandene Heck brannte lichterloh. Ohne auf Weiteres zu achten, griff er der Frau unter die Achseln und zog sie, so schnell das bei dem Gewicht einer Bewusstlosen möglich war, zum Bug. Als sich der Rauch mittschiffs lichtete, sah er erst, dass die Hose tatsächlich Feuer gefangen hatte. Schwer schnaufend und kräftig einatmend ließ er ihren Körper auf das Deck gleiten. Nur wie sollte er die Flammen löschen? Er selbst trug lediglich seine Badehose. Suchend blickte er sich um, musste aber verzweifelt feststellen, sich auf einem tadellos klarierten Boot zu befinden. Dort fand sich nichts, womit er die Sauerstoffzufuhr der brennenden Hosenbeine hätte unterbrechen können. Sollte er sie einfach über Bord werfen? Das Risiko wollte er nicht eingehen. Die Sekunden rannen immer schneller dahin, während die Flammen sich an den Beinen der Frau stetig weiter hinauffraßen. Aber da war es doch vor seinen Augen. Innerlich entschuldigte er sich bei der Frau, bevor er ihr das Polo-Shirt aufriss. Mit einer schnellen Bewegung zog er es eilig unter ihrem Rücken und über die Arme weg, um damit schließlich die Flammen erfolgreich zu ersticken. Auch wenn er schon so manche Leiche gesehen hatte, ließ ihn der Anblick der verkohlten Hose und stellenweise zu sehender schwarzer Haut nicht kalt. In der jetzigen Situation war es vielleicht sogar besser, dass die Frau nicht bei Bewusstsein war. Während er kurz überlegte, wie er sie am besten in das Schlauchboot bekam, drängte sich trotz der Umstände ein Gefühl peinlichen Bedauerns in sein Bewusstsein. Dieses musste wohl unbewusst durch den Anblick des nun nackten Oberkörpers entstanden sein: Die junge Frau trug keinen BH. Nur für einen Augenblick konsterniert, besann er sich jedoch gleich wieder, richtete sie auf und griff mit einem Arm hinter ihren Rücken, während er den andern unter ihre Knie schob. Mit einem tiefen Schnaufen richtete er sich mit der Bewusstlosen auf, wobei ihr Kopf sofort wieder nach hinten fiel. An seinen Füßen verspürte er dabei eine unangenehme Hitze, die er zunächst auf das höhere Gewicht schob, bevor er registrierte, wie die Flammen inzwischen auch unter Deck hinter einer Fensterluke um sich griffen. Die Hitze stammte folglich vom Feuer. Sie mussten schnellstens von dieser Yacht. Gab es da nicht auch Gaskocher? Saßen sie am Ende auf einem Pulverfass?, heizten seine sich schnell jagenden Gedanken nun seine Nervosität an und führten für einen Augenblick zu einem schmerzhaften Zusammenziehen seines Magens. Schnell, aber durchaus vorsichtig hob er die Beine der Frau über die Reling. Eigentlich hatte er sie kopfüber in das Schlauchboot herunterlassen wollen, dann war ihm aber eingefallen, dass das für die Verbrennungen an den Beinen beim Herablassen sicherlich nicht so vorteilhaft wäre. Also musste es auch andersherum gehen. Eine kleine Explosion unter Deck erschreckte ihn so sehr, dass er um ein Haar den Griff um die Taille der jungen Frau gelöst hätte. Sein Herz klopfte wie wild und er schwitzte nicht nur wegen des Feuers. Während der kleine Junge das Schlauchboot mit unbändigem Willen in Position hielt, ließ Thomas Sprengel den Körper der bewusstlosen Frau langsam nach unten gleiten, bis er deren Rippenbogen spürte. Er versuchte den Griff zu ändern, um zu verhindern, mit Händen und Armen über ihre Brüste gleiten zu müssen, spürte jedoch, nicht über ausreichend Kraft zu verfügen. Als irgendetwas im Boot gewaltig ächzte, gab er das Denken endgültig auf und ließ die Frau sofort weiter ab. So weit wie es ihm möglich war, hielt er ihren Körper noch an den Armen und Händen aufrecht. Aber das letzte Stück musste der Oberkörper ins Boot fallen. Das ließ sich leider nicht ändern, weil der Kleine das Boot in seiner Lage stabilisieren musste. Anderenfalls wäre er wohl auch zu schwach gewesen, das enorme Gewicht einer bewusstlosen, sich im Fallen befindenden Frau überhaupt zu halten.

      Mit einer Geste signalisierte Thomas Sprengel dem Jungen, sich von der Yacht abzustoßen. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass andere Boote inzwischen in der Nähe waren und ihnen helfen konnten. Leider sah er keine Möglichkeit mehr, unter Deck nachzusehen, ob sich dort noch jemand befand. Hinter allen Luken wüteten Flammen oder waberte Rauch. Weiter im Süden sichtete er ein Schnellboot, das mit hoher Geschwindigkeit ebenfalls auf sie zuzuhalten schien. Ob das aufgrund von Lenes Benachrichtigung im Hotel aus Bridgetown herüberkam? Endlich sprang er selbst über die Reling und schwamm zum Schlauchboot des Jungen, der erst wenige Meter zurückgelegt hatte. Das Rudern war inzwischen erheblich schwieriger, weil die Frau viel Raum in dem kleinen Boot einnahm. In seiner Not benutzte der kleine Kerl nur eines der Ruder wie ein Paddel.

      Thomas Sprengel hielt der Bewusstlosen kurz seine nasse Hand dicht unter die Nase, auf der er zu seiner großen Erleichterung einen ganz leichten Lufthauch spürte. Immerhin.

      Eine Person auf einem Jet-Ski verlangsamte ihre Fahrt erst auf den letzten Metern und drehte neben dem Gummiboot bei. Große Freude breitete sich auf Thomas´ Gesicht aus, als er Lene erkannte.

      Die wiederum sah mehr als besorgt zu ihm herunter: »Alles in Ordnung, Schatz?«

      »Bei mir schon. Die Frau im Boot muss schnellstens in ein Krankenhaus.«

      Lene nickte. »Ich weiß auch wie! Nimm die Leine da vom Boot und knote sie hier an den Jet-Ski. Ich ziehe das Boot an den Strand. Das geht schneller.«

      »Meinst du, das klappt?«, war sich Thomas nicht sicher, ob der Einfall so einfach umzusetzen war.

      »Ich werde vorsichtig fahren«, versprach Lene ihm, sich der Problematik bewusst.

      Thomas befestigte die Leine so gut, wie er das eben als Nicht-Segler konnte. »Fertig.«

      »Willst du noch aufsteigen?«, wollte Lene eigentlich nur wissen, ob sie ihn alleine im Wasser zurücklassen konnte.

      »Fahr! Das hält nur unnötig auf. Die Frau atmet übrigens«, gab er ihr noch mit.

      »Okay. Bis gleich.« Vorsichtig beschleunigte sie bis zu einem Punkt, an dem das Schlauchboot leicht zu schlingern begann.

      Thomas Sprengel war gerührt, als er sah, wie der kleine Junge den Kopf der verunglückten Seglerin achtsam auf seine Beine bettete. Dem Surfer waren inzwischen zwei Boote zu Hilfe gekommen. Hoffentlich hatte auch diese Person Glück gehabt. Langsam schwamm er zurück zum Strand, wobei er seinen Gedanken nachhing. Eine Woge der Dankbarkeit erfasste ihn angesichts seiner eigenen Situation. Wie schön war sein Leben doch, seitdem er es mit Lene teilen durfte.

      Lene Huscher war inzwischen am Strand angekommen, wo Thomas Sprengel sie mitsamt dem Jungen und der Bewusstlosen in einer Menge Helfender verschwinden sah.

      Kapitel 4

      »Gefällt es dir so, mein Lieber?«, hauchte Ekaterina, während sie ihrem Besucher tief in die Augen schaute. Nur ganz sanft stützte sie sich mit beiden Händen auf dessen Brust ab. Der Angesprochene antwortete ihr wie meistens nicht. Selbst seinem Gesichtsausdruck konnte sie nicht entnehmen, wie es ihm gefiel. Lediglich seine Hände streichelten die Innenseiten ihrer Oberschenkel. Nachdem er allerdings über die letzten Jahre immer wieder für ganze Nächte große Summen gezahlt hatte, konnte sie wohl auch an diesem Abend davon ausgehen, dass er keinen Grund zur Klage haben dürfte. Insgesamt gefiel ihr dieser Mensch einigermaßen: Er war gebildet und hatte kultivierte Umgangsformen. In der Regel behandelte er sie, als sei sie eine Dame des gesellschaftlichen Lebens. Sie hätte sich allzu gerne eingebildet, aus seinem Verhalten auf eine gewisse Wertschätzung schließen zu können. Wenn sie ehrlich war, traf das jedoch nicht zu. Es waren immer wieder Situationen aufgetreten, in denen er ihr gegenüber unmissverständlich ausgedrückt hatte, was er tatsächlich über sie dachte. Manchmal waren es nur kleine Nebensätze, in denen er betonte, dass sie zu gehorchen habe. Ganz selten

Скачать книгу