Mitgefühl kann tödlich sein. Henning Marx
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Читать онлайн книгу Mitgefühl kann tödlich sein - Henning Marx страница 11
»Sieh doch mal! Hier kann man eine Fahrt mit einem Tauchboot machen«, wies Thomas Lene auf die entsprechenden Schiffe an einer Mole hin. »Würde dich das interessieren?«
»Und dich? Spannend ist das bestimmt, falls genügend zu sehen sein sollte. Die Zeiten dafür können ja nicht immer gleich gut sein«, stellte Lene etwas zweifelnd fest.
»Da hast du wohl recht«, stimmte er zu. »Wir könnten uns mal erkundigen. Aber nur wenn du auch Lust hättest.«
»Mach das, Liebling. Aber jetzt schauen wir doch erst einmal, wo das havarierte Boot liegt. Sind wir überhaupt sicher, dass wir an diesem Kai richtig sind?«, wollte Lene sich vor dem Suchen versichern.
Thomas zuckte mit den Schultern und blickte etwas unschlüssig. »Der nette Mitarbeiter an der Rezeption hat extra telefoniert und mir anschließend erklärt, dass es nicht im Fischereihafen läge und demnach hier irgendwo auf dem Trockenen zu finden sein sollte. Lass uns einfach mal um das Becken herumgehen. Da hinten stehen ganz viele Boote, auch abgetakelte. Vielleicht ist es dort dabei.«
Gemütlich schlenderten die beiden an der Mole entlang. Lene hatte ihre dichten Haare mit einem dunkelgrünen Tuch aus dem Nacken gebunden, damit es ihr nicht zu warm wurde. Dazu trug sie eine ebenfalls dunkelgrüne Leinenhose sowie ein gelbes Leinenhemd, so dass es ihr selbst in der Sonne aufgrund der leichten Brise angenehm luftig war.
»Was schaust du so?«, erkundigte sich Thomas, als er bemerkte, wie Lene ihn musterte.
»In der Hose siehst du ganz hervorragend aus«, lächelte sie ihn verliebt an, wobei sie wie zur Bestätigung ihrer Worte die knackige Rückseite kurz testete.
Seine steinfarbene Stoffhose saß zugegebenermaßen wie maßgeschneidert. Er schaute sie trotz des Kompliments allerdings eher misstrauisch an. Nur falls er Glück hatte, kam jetzt nichts weiter.
»Was guckst du denn so skeptisch?«, wollte sie ganz harmlos wissen.
»Ich kenne dich doch«, grummelte Thomas bereits prophylaktisch.
An ihren Lippen konnte er sehen, wie sie sich ein freches Grinsen verkniff. Er wusste genau, was sie in diesem Moment dachte: ... und dein etwas weiteres Polo-Shirt verdeckt ganz prima das Resultat deiner Schwelgerei beim Frühstück.
Es gab noch einen Klaps auf den Hintern. »Wir suchen eine kaputte Yacht. Lass uns mal zu dem Häuschen gehen. Wir fragen dort.« Rasch war sie mehrere Schritte vor ihm. Er liebte diesen leichten Hüftschwung, den er selbst in ihrer legeren Leinenhose noch bewundern konnte.
Als Thomas sie wieder eingeholt hatte, befand sich Lene bereits in einem Gespräch mit einem Einheimischen, der seinem T-Shirt zufolge Angestellter der »Silvermoon Catamaran Cruises« war. Der führte die beiden schließlich an einer ganzen Reihe von aufgebockten Booten vorbei, bis sie im Schatten einer Halle zu der verunglückten Yacht gelangten. Zuerst einmal machten sie nur große Augen und betrachteten ungläubig das Heck.
»Das mit dem Segeln sollten wir uns vielleicht noch einmal genauer überlegen«, merkte Lene der Höflichkeit halber auf Englisch an.
Thomas schnaufte zuerst nur geistesabwesend, weil er sich wieder daran erinnerte, wie er die junge Frau aus den Flammen gezogen hatte. »Kommt so etwas häufiger vor?«, wandte er sich an den Angestellten, der beim Anblick der Schäden bisher nur ununterbrochen mit dem Kopf genickt hatte, während er die Lippen aufeinandergepresst hielt.
Von Thomas angesprochen schüttelte er energisch den Kopf. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Eigentlich kann das gar nicht sein«, wirkte der Mann ein wenig schockiert.
»Wieso nicht?«, verlangte Thomas eine ausführlichere Erklärung.
»Was soll da explodieren?«, war ihr Gesprächspartner ratlos. »Die Gasflasche ist auf der anderen Seite – unversehrt. Die Maschine war nicht in Betrieb, soweit mir erzählt wurde. Also was? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist unter Deck etwas Gas ausgetreten, aber in dem Fall wäre die Explosion nicht nur so weit hinten gewesen. Ich bin gespannt, was bei der Untersuchung herauskommt.«
Lene wollte sich überhaupt nicht vorstellen, was alles hätte passieren können, falls die Gasflasche explodiert wäre, als Thomas noch an Bord gewesen war ...
Sie gingen mit dem freundlichen Angestellten wieder zum Häuschen am Eingang des Geländes zurück.
»Wie lange wird das dauern? ... Mit der Untersuchung meine ich«, wollte Thomas noch wissen, bevor sie sich verabschiedeten.
»Keine Ahnung, eine, vielleicht zwei Wochen?«, spekulierte sein Gegenüber.
Nachdem sie sich von dem Schreckensbild der zerstörten Yacht erholt hatten, schlenderten Thomas und Lene gemächlich am »Kensington Oval« und später an den »Parliament Houses« vorbei, bevor sie sich zum »Queen Elizabeth Hospital« aufmachten. An der Rezeption hatten sie sich nach der Zimmernummer der jungen Frau erkundigt und standen wenig später vor dem Zimmer von Magdalena Himmelreich. Sie schauten sich noch einmal an, atmeten beide durch, dann klopfte Thomas nicht zu laut, aber bestimmt.
»Ja, bitte?«, schallte es durch die Tür. Lene runzelte etwas die Stirn, weil sie diese reife und volle Stimme nicht von der jungen, zart wirkenden Verletzten erwartet hätte. Ihre Verwunderung ließ sofort wieder nach, als sie das Zimmer betraten. Neben dem Bett stand eine Frau, die etwas älter sein durfte als sie selbst, vielleicht Ende vierzig. Die Ähnlichkeit zu der jungen Frau Himmelreich war unverkennbar. Sowohl die Haarfarbe als auch die Augen- und Mundpartie glichen sich. Nur war die Ältere nicht mehr ganz so schmal im Gesicht und trug eine Kurzhaarfrisur. Fragend schaute sie die beiden Hereinkommenden an.
»Guten Tag, ich bin Thomas Sprengel, dies ist meine Frau Lene Huscher. Wir waren an der Rettung Ihrer, ich nehme einmal an, Tochter beteiligt und wollten uns nach ihr erkundigen. Falls wir stören, gehen wir aber auch gleich wieder«, war er sehr zurückhaltend, weil er nicht einschätzen konnte, wie es den Frauen ging, die den Tod von Ehemann respektive Vater verarbeiten mussten. Er konnte auf dem Gesicht von Frau Himmelreich keinerlei emotionale Anzeichen erkennen. Die Tochter hingegen hatte vor nicht allzu langer Zeit noch geweint, wie an den geschwollenen Augenlidern ablesbar war.
»Wie kommen Sie darauf, Sie könnten stören. Ich hätte Sie noch ausfindig gemacht. Ich bin Ihnen zutiefst dankbar, dass Sie meiner Tochter das Leben gerettet haben«, antwortete die gefasste Mutter, während sie den beiden die Hand reichte. »Es ist alles schon schlimm genug, aber ich mag mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn ich gleichzeitig auch noch meine Lena verloren hätte.« Für einen Augenblick konnte Lene das Leiden in den Augen der Frau ausmachen, bevor diese sich wieder auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Bettes setzte. »Nehmen Sie doch bitte einen Augenblick Platz.«
Thomas und Lene gaben der im Bett Liegenden die Hand und zogen sich zwei weitere Stühle heran.
»Ich möchte Ihnen natürlich ebenfalls ganz herzlich danken. Auch wenn Sie mein Lieblingsshirt zerrissen haben«, versuchte sich Lena Himmelreich in einem Scherz, brach aber sofort in Tränen aus, die ihre Gefühlslage wohl treffender widerspiegelten.
Ihre Mutter ergriff ihre Hand und streichelte sie zärtlich. Thomas lief knallrot an. Lene konnte in diesem Moment beobachten, wie die Trauer der Tochter die Fassade bei Frau Himmelreich ins Wanken zu bringen drohte. Sie musste eine sehr beherrschte Person sein. Lene empfand großen