Mitgefühl kann tödlich sein. Henning Marx

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Mitgefühl kann tödlich sein - Henning Marx

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hinter seiner Stirn kräftig arbeitete. »Das kommt sicherlich einigen sehr zupass«, murmelte er nach einer Weile kryptisch, als er merkte, dass die Anderen auf ein Fortführen seiner Erläuterungen warteten.

      »Wie meinen Sie das?«, war Thomas Sprengels professionelle Neugier geweckt.

      Herr Dunkerbeek suchte nach einer Formulierung, die keinen falschen Eindruck erwecken sollte. »Nein, das wäre unangebracht. Das war nur ein haltloser Gedanke, der mich gestreift hat«, wiegelte er zunächst mit sich hadernd ab.

      »Du hast mal wieder schneller gesprochen als zu Ende gedacht«, lächelte Viktoria Dunkerbeek ihren Mann nachsichtig an, um ihm ein wenig aus der Bredouille zu helfen.

      »So wird es wohl sein«, schien er sich gegen eine Antwort entschieden zu haben.

      Das wollte der Kommissar selbst in seinem Urlaub nicht so einfach hinnehmen. Er erinnerte sich an die Frage, ob es überhaupt ein Unfall gewesen sei, die Herr Dunkerbeek beim Frühstück – wenn auch mehr im Scherz – in den Raum gestellt hatte. Da hatte der allerdings den Namen des Verunglückten noch nicht gekannt. Dennoch weckte der offensichtlich heikle Gedanke dieses aus seiner Sicht sehr integren Mannes seine Neugier. »Herr Dunkerbeek, Sie können uns doch jetzt nicht einfach zappeln lassen. Mich würde durchaus interessieren, was Ihnen durch den Kopf gegangen ist. Sie haben offensichtlich eine hohe Meinung von Professor Himmelreich«, setzte er nach. »Ich versichere Ihnen selbstverständlich, dass nichts von dem, was Sie hier in einer vertrauten Runde mutmaßen, andere Ohren finden wird.« Er wandte sich an Lene: »Stimmt´s?«

      Die nickte zustimmend.

      »Ach, das war lediglich ein Hirngespinst«, wiegelte Herr Dunkerbeek nochmals ab. »Ich habe nur läuten hören, dass Himmelreich ein ausgereiftes Konzept mitfühlender Organisation tatsächlich in der Praxis umsetzen wollte. Falls das ein Erfolg geworden wäre, hätten einige der Herren Unternehmer und Manager in Zukunft schlecht geschlafen. Insofern sind die nun eine Sorge los.«

      »Aber haben Sie nicht eben gesagt«, wandte Lene ein, »er habe das bereits über sein Consultingunternehmen getan?«

      »Das war nur im Rahmen einer problemspezifischen Beratung anderer Unternehmen, die aus irgendwelchen Gründen Schwierigkeiten hatten.«

      »Verstehe ich noch immer nicht«, blieb Lene ehrlich, die sich bisher nie mit betriebswirtschaftlichen Fragen eingehender hatte befassen müssen.

      »Darf ich? Oder langweilt dich das Thema, Vika?«, versicherte er sich bei seiner Frau, die ihm still zulächelte und leicht mit dem Kopf nickte. Bei einem Wohltätigkeitsball hatten sie einmal mit Himmelreichs an einem Tisch gesessen. Sie hatte die Eheleute dabei als glückliches Paar erlebt, die beide ihre Vorstellung eines mitfühlenden Miteinanders unmittelbar gelebt hatten.

      »Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das aus welchen Gründen auch immer einen hohen Anteil junger Väter oder Mütter aufweist, die wegen der Kinderbetreuung immer wieder zeitlich unter Druck geraten. Teilzeitstellen oder flexible Arbeitszeitmodelle versuchen hier bereits Entlastung zu schaffen, wenn die Mitarbeiter ansonsten aufgrund ihrer Fähigkeiten schwer zu ersetzen sind. Und Himmelreich ist noch einen Schritt weiter gegangen: Er hätte in dieser Situation statt Gehaltserhöhungen zusätzliche Urlaubstage empfohlen, die nicht nur angesammelt werden können. Wäre ein Mitarbeiter in einer Notlage ohne hinreichende eigene Urlaubszeit, könnten ihm Kollegen ihre zusätzlichen Urlaubstage auch übertragen. Auf diese Weise werden die Mitarbeiter dazu ermuntert und der Rahmen geschaffen, unter bestimmten Voraussetzungen Mitgefühl innerhalb der Organisation, also hier des Unternehmens, verstärkt zu leben. Das wäre nur ein Beispiel.«

      »Und das soll funktionieren?«, war Thomas Sprengel skeptisch. »Das kostet doch, wenn alle mehr Urlaub haben.«

      »Nicht unbedingt«, widersprach Philipp Dunkerbeek. »Die Urlaubstage wurden ja als Äquivalent zu einer Gehaltserhöhung vereinbart.«

      »Ich gebe zu, so einen Arbeitgeber hätte ich auch gerne. Obwohl ich mich als Beamter prinzipiell mal nicht beschweren will. Wenn die Leute sich nur nicht immer außerhalb der Dienstzeit umbringen lassen würden«, brachte er die Runde zu einem Schmunzeln.

      »Gut. Aber wo findet sich die neue Bedrohung?«, war Lene inzwischen sehr interessiert an diesem Thema.

      »Sie können mitfühlende Reaktionen durch das Implementieren verschiedener Werte und Prozesse erreichen. Aber nicht nur gegenüber den Mitarbeitern, sondern auch gegenüber den Kunden ...«

      »Kunden wollen immer alles und das auch noch am besten umsonst«, wurde er von Thomas Sprengel unterbrochen.

      »Trotzdem. Nehmen Sie Banken, die Mikrokredite vergeben.«

      »Die wollen ebenfalls an den Kunden Geld verdienen.«

      »Sicher, sonst kann das Geschäft nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden. Wir müssen alle von etwas leben. Dennoch verzichten diese Unternehmer bewusst auf Gewinnmaximierung, die sie erreichen könnten, wenn sie sich auf eine zahlungskräftigere Zielgruppe ausrichten würden. Es ist doch so, dass die Entscheidung zur Vergabe von Mikrokrediten dem Wunsch entspringt, Kleinstgewerbetreibende zu unterstützen, um deren Auskommen zu sichern. Da spielt durchaus Mitgefühl eine tragende Rolle.«

      »Klar. Und nun zu dem Unternehmen von Himmelreich«, führte Viktoria Dunkerbeek das Gespräch wieder zurück.

      »Ja, der wollte ein Unternehmen gründen, das umfassend einem mitfühlenden Miteinander verpflichtet ist.«

      »Aber ich sehe das Problem immer noch nicht, das Sie anfangs andeuteten«, fehlte es Thomas Sprengel in dieser Hinsicht an der nötigen Phantasie.

      Herr Dunkerbeek lächelte verständnisvoll. »Ein Unternehmen, das aufgrund seiner herausragenden Arbeitsbedingungen die gefragtesten Mitarbeiter an sich bindet, könnte dadurch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil generieren. Verknüpft mit einem Produkt und Verkaufsprozessen, die die Bedürfnisse der Kunden ernsthaft in den Mittelpunkt stellen, wäre dieses Produkt unschlagbar. Der Nachteil läge vermutlich in einem höheren Preis, den der Kunde aber vielleicht durchaus bereit wäre zu bezahlen, wenn das Image als »social player« neben der normalen Kundenbindung eine Form von Commitment weckt ...«

      »Commitment?«

      »Übersetzen Sie das in diesem Zusammenhang mit ›sich verpflichtet fühlen‹, aber im positiven Sinn«, erklärte er geduldig. »Um die Utopie zu Ende zu formulieren: Sollte sich dies in einer Branche durchsetzen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich mitfühlendes Wirtschaften auf das gesamte ökonomische Leben ausbreitet«, schloss er seine Erläuterungen ab. »Ich kann Ihnen das hier leider nicht im Einzelnen erklären. Das würde eindeutig zu weit führen. Hätten Sie Himmelreich einmal selbst dazu gehört, könnten Sie vielleicht eher verstehen, dass dieser Mann das notwenige Charisma gehabt hätte, diese Vision umzusetzen. Außerdem war er sicherlich dazu bereit, Abstriche am Gewinn zu machen. Und hier liegt das Problem der meisten anderen Unternehmer, Anteilseigner oder Manager: Sie hassen nichts mehr als Umstände, die ihre eigenen Einnahmen schmälern.«

      »Das klingt mir doch sehr, ... wie sagten Sie, nach einer Utopie«, stellte Lene Huscher trocken fest, auch wenn sie den Ansatz Himmelreichs beeindruckend fand.

      »Die Menschen dachten auch erst, dass die Eisenbahn verrückt machen werde«, warf Frau Dunkerbeek ein. »Ist das nicht immer so mit großen innovativen Ideen?«

      Weder Lene Huscher noch Thomas Sprengel wussten darauf etwas zu erwidern.

      »Es ist ja nicht so, dass nur

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