Mitgefühl kann tödlich sein. Henning Marx

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Mitgefühl kann tödlich sein - Henning Marx

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lachte dagegen nur spöttisch. »Rechtsanwälte hält man sich, mein Guter. Das habe ich seinerzeit selbst dem Vater meiner Schwiegertochter am Tag vor ihrer Trauung ganz offen kundgetan.« Kunstpause. »Der ist Anwalt«, fügte er dann süffisant hinzu und provozierte damit das gewünschte Gelächter, ganz der Souverän auch in dieser Situation. Und wieder an sein Gegenüber gewandt setzte er fort: »Unterstehen Sie sich, mich noch ein einziges Mal in dieser Weise anzugehen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Verfälschung der Wahrheit und der präzisen Darstellung dessen, was tatsächlich stattgefunden hat.«

      Es war sinnlos. Und keiner der Anwesenden würde dem widersprechen. Resigniert musste er sich eingestehen, den Einfluss des Älteren bisher offensichtlich gravierend unterschätzt zu haben – ebenso wie dessen kaltblütige Berechnung. Desillusioniert stellte er sein Glas auf den Tisch und wollte bereits gehen, als der ältere Herr fortfuhr, während er ihm scheinbar umgänglicher seine Hand auf die Schulter legte.

      »Ich bin noch nicht fertig. Machen Sie sich keine Vorwürfe. Selbst Sie werden kein Ehrenwort brechen«. Tausend Fältchen zeigten sich, als er seinen Mund zu einem feinen Lächeln verzog.

      Der Rundliche ließ sich von der freundlichen Geste aufhalten. »Wie darf ich das verstehen?«

      »Nun«. Es folgte erneut eine Pause, um die Spannung der Zuhörer zu erhöhen. »Nun, man kann sein Ehrenwort nur einem Ehrenmann gegenüber abgeben.« Nochmals Pause. Alle in der Runde hingen wie gewünscht an seinen Lippen, obwohl es alles gestandene Männer waren. »Ihr Geschäftspartner ist aber nur eine Made, die indirekt an unserem unternehmerischen Geschick partizipieren will. Insofern hat der damalige Bundeskanzler Kohl auch das einzig Richtige getan, als er sich den Geldgebern ohne Einschränkung verpflichtet fühlte ...«

      Er hörte nicht mehr weiter zu. Wie war er bloß in diese Runde geraten? Jetzt fehlte nur noch ein Hoch auf den Kaiser. Aber wenn er ehrlich war, hatte er über Jahre alles darangesetzt, ebenfalls dazuzugehören. Das Ergebnis war, dass er nun verteufelt in der Klemme saß.

      Kapitel 12

      Am Tag zuvor hatten Thomas Sprengel und Lene Huscher nochmals Magdalena Himmelreich im Krankenhaus besucht. Sie war inzwischen psychisch wieder stabiler. Das war sicherlich zu einem Großteil der Mutter zu verdanken, die sich trotz des eigenen Leidens in der Lage zeigte, den Schmerz ihrer Tochter aufzufangen. Bei ihr konnte sich Lena ganz offensichtlich auch fallen lassen. Thomas und Lene hatten den beiden versichert, zur Beerdigung zu kommen, wenn sie rechtzeitig Nachricht erhielten, so dass sie sich dienstlich entsprechend freimachen konnten. Die verbliebenen Tage waren wie im Fluge vergangen. Es hatte noch so manches nette Abendessen mit dem Ehepaar Dunkerbeek gegeben, mit denen sie an diesem Morgen das letzte Mal zusammen frühstückten. Sie hatten einen Tisch auf der überdachten Veranda bekommen, die von einem aufwendig geschnitzten Geländer eingefasst wurde. Direkt unter ihnen begann der Strand und erneut spiegelte sich die Sonne auf den türkisfarbenen Wellen in Ufernähe.

      »Wie werde ich diesen Anblick vermissen«, seufzte Lene. »Ich darf gar nicht daran denken, dass wir morgen wieder im Heidelberger Schmuddelwetter ankommen.«

      »Vielleicht liegt ausnahmsweise ein bisschen Schnee«, warf Thomas nur halbherzig ein. »Meinst du, ich könnte noch eine kleine Portion Speck verkraften?«, erkundigte er sich an diesem Vormittag bei Lene, nachdem er sich in den letzten Tagen zu ihrer Verwunderung diesbezüglich nahezu asketisch eingeschränkt hatte.

      Dunkerbeeks verzogen selbst dann keine Miene, als Lene ihm an den Bauch fasste und mehrfach prüfend zudrückte. »Besser nicht.«

      Auf seinem Gesicht zeichnete sich sein Erschrecken ab. Außerdem wurde er rot. Diese schonungslose Antwort kam für ihn dermaßen überraschend, dass er sogar vergaß, ärgerlich zu werden. »So schlimm?«

      Lene lächelte ihn nachsichtig an. »Den Schnee meine ich. Der wird doch nach Stunden ohnehin nur zu einer dreckigen Pampe. Geh dir mal deinen Speck holen. Für wie grausam hältst du mich eigentlich?«

      Nachdem er sich ein letztes Mal großzügig am Büfett bedient hatte und an den Tisch zurückkam, hörte er gerade noch, wie Herr Dunkerbeek Lene erklärte, dass es in Berchtesgaden über Weihnachten ebenfalls nur sehr selten nennenswert Schnee gab. Deshalb kehrten sie in der Regel erst nach Silvester dorthin zurück, während sie normalerweise mit Freunden in Hamburg feierten. Nur dieses Jahr hatten sie sich entschieden, bis in den Januar in der Karibik zu bleiben.

      »Sind Sie eigentlich gerne mal in den Bergen?«, wollte Frau Dunkerbeek von dem jüngeren Paar wissen.

      »Seitdem wir uns kennen, hatten wir leider noch keine Zeit dafür«, erklärte Lene ihr. »Aber Thomas möchte schon länger mit mir an den Königssee.«

      Frau Dunkerbeek strahlte sie an. »Das ist doch wunderbar!«, verkündete sie. Zu beiden gleichermaßen gewandt fuhr sie fort, nachdem sie kurz ihren Mann angeschaut hatte: »Wir haben uns gedacht, Sie zu uns einzuladen. Sie hätten bei uns eine eigene Wohnung, die Sie auch jederzeit nutzen können, wenn wir nicht zuhause sind – und falls sonst grad niemand dort sein sollte ...«

      Als Lene Huscher diese nette Einladung hörte, wurden ihre Augen schneller feucht, als sie dies mit einem Blick über die Veranda auf den Strand vollständig hätte verbergen können. Sie durfte jetzt alles, nur nicht losheulen.

      Thomas versuchte die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, indem er ehrlich erfreut antwortete: »Wir haben Sie auch in unsere Herzen geschlossen und werden sehr gerne auf Ihr wunderbares Angebot zurückkommen. Schon in diesem Sommer, wenn es Ihnen recht wäre.«

      »Selbstverständlich«, zeigte sich Herr Dunkerbeek äußerst zufrieden. Seine Frau verfiel dagegen plötzlich in Schweigen.

      Hatte sie etwas gesehen? Lene hörte, wie der Stuhl von Frau Dunkerbeek zurückgeschoben wurde.

      Die ältere Dame, die sonst immer in sehr freundlicher Tonlage ihre Unterhaltung pflegte, duldete auf einmal keinen Widerspruch: »Dürfte ich vielleicht die Herren bitten, den Tisch besetzt zu halten. Ich gedenke mein Frühstück gleich fortzusetzen. Frau Huscher, würden Sie mich netterweise begleiten! Ich brauche kurz Ihre Hilfe, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

      Lene Huscher erhob sich, ohne einen Blickkontakt zu suchen. »Natürlich, sehr gerne.« Sie hatte ihre Augen inzwischen wieder unter Kontrolle. Immerhin würden die nicht mehr überlaufen.

      Die ältere Frau hakte sich bei ihr unter. Während sie sich vom Tisch entfernten, hörte sie Herrn Dunkerbeek Thomas vorschlagen: »Meine Frau steckt immer wieder voller Überraschungen, aber das hält mich jung und flexibel. Trinken Sie mit mir einen Bacardi?«

      »Das ist vielleicht keine schlechte Idee«, stimmte Thomas Sprengel zu, der sich Sorgen um seine Frau machte. Er glaubte zu wissen, was los war.

      Frau Dunkerbeek hatte die Veranda verlassen und steuerte wortlos eine alleinstehende Bank im Schatten einer Palme an.

      »Möchten Sie darüber reden, meine Liebe?«, kam sie dort ohne weitere Umschweife zur Sache.

      Lene fühlte sich ziemlich dämlich und ärgerte sich darüber, ihre Seelenlage nicht besser unter Kontrolle gehabt zu haben. »Was meinen Sie?«

      »Ich mag zwar alt sein, aber dumm bin ich nicht«, beschied ihr Frau Dunkerbeek trocken. »Mein Mann hat das ebenfalls bemerkt«, fügte sie zur Verstärkung noch an.

      Hatte der ihre winzige Regung beim Kennenlernen doch wahrgenommen. Sie schwieg. Ein Kloß schnürte ihr regelrecht

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