Die Liebe ist kein leichtes Spiel. Wilma Burk
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Einen Moment zögerte Henriette. Das hatte sie noch nie getan. Bisher war sie immer nur durchgefahren. Aber eigentlich ... „Gut, es ist sowieso Zeit für eine Rast.“ Neugierig sah sie in den Rückspiegel. Was würde der junge Mann tun?
Kurze Zeit später betraten sie in dem Ort den gemütlichen Gastraum eines Gasthauses. Nur wenige Gäste waren darin und in einer Ecke, vor einem breiten und hohen Kachelofen an einem blank gescheuerten Stammtisch für Einheimische, saß ein alter Mann mit einem langen grauen Bart. Viele Falten hatten Wetter und Zeit in sein Gesicht geprägt. Er hockte da, wie in sich gekehrt, als gingen ihn die Menschen nichts mehr an. Zu seinen Füßen lag sein alter Hund, so zottelig wie der Bart seines Herrn. Henriette sah flüchtig hin.
„Der ist aber urig“, flüsterte Corinna ihr zu.
Sie setzten sich ans Fenster, bestellten Kaffee und blickten hinaus auf das Treiben auf der Straße.
Schon bald sah Henriette den jungen Mann kommen. Er kam zielsicher auf das Gasthaus zu, schlank, groß, mit sicheren Schritten. ‚Na, an dem hätte ich früher nicht so leicht vorbeisehen können’, dachte sie ... und Corinna? – deren Blick hing schon wie gebannt an ihm.
Die Tür flog auf; er kam herein. Ein Lächeln zog über sein Gesicht, als er Corinna sah. Nur einen Moment zögerte er, fuhr sich durch sein kurzes blondes Haar und kam direkt auf ihren Tisch zu. ‚Na, der wird doch nicht?’, erschrak Henriette – Nein, er ging vorüber, setzte sich an den Nebentisch, aber so, dass er Corinna nicht aus den Augen verlieren konnte.
Ganz schön frech und hartnäckig, fand sie und musterte ihn. Er lachte herüber. Auch seine blauen Augen lachten mit. Nein, unsympathisch war er ihr nicht. Die Situation belustigte sie. Fragend sah sie zu Corinna. Die saß wie versteinert da und wurde fast so rot wie ihr Haar.
Der Wirt brachte Kaffee und Kuchen, dann ging er weiter zu dem jungen Mann und nahm dessen Bestellung entgegen. Danach wandte er sich dem Alten zu und stellte ihm eine neue Maß Bier auf den Tisch. Der griff sofort zu, trank einen kräftigen Zug daraus und wischte sich den Schaum aus seinem dichten Bart. Seinen verbeulten, durchschwitzten Filzhut mit Adlerfeder und Edelweiß nahm er nicht vom Kopf. Vielleicht fehlten darunter die Haare, die er im Überfluss in seinem Bart hatte. Umständlich stopfte er sich mit seinen breiten, klobigen Händen eine Pfeife.
Henriette ließ wieder einen flüchtigen Blick über ihn gleiten. Irgendetwas berührte sie an ihm. Doch dann wandte sie sich Corinna zu. Sie erzählte ihr, was sie alles in Sendelbach untenehmen könnten, wie schön es da sei und dass sie dort sicher viel Abwechslung finden würde. Doch hörte ihr Corinna überhaupt zu? Aufrecht saß sie jetzt, nicht mehr so zusammengesunken. Manchmal lachte sie, warf ihre rotblonden Haare zurück und blickte immer wieder verstohlen zu dem jungen Mann hin. War das noch das liebeskranke Mädchen, welches vor ein paar Stunden zu ihr ins Auto eingestiegen war? Was doch so ein bisschen Beachtung ausmachen kann.
Der junge Mann rief den Wirt zu sich. „Ich will nach Sendelbach. Ist das noch weit?“, fragte er laut, so dass es Henriette und Corinna hören mussten.
„Nein, nur über den Pass. In einer guten Stunde sind sie dort“, erklärte der Wirt.
Corinnas Augen glänzten. „Der fährt ja dahin, wohin wir auch wollen“, flüsterte sie Henriette zu.
„Zufälle gibt es!“ Na, dieser Zufall kam Henriette doch komisch vor, eher glaubte sie, dass er ihr Gespräch belauscht hatte. Henriette war es recht. Vielleicht kam Corinna auf andere Gedanken, wenn der junge Mann wirklich ihre Nähe suchte. Nein, lange dauerte es bei Corinna gewiss nicht, bis sie über ihren Liebeskummer hinweg war, davon war Henriette nun überzeugt.
Plötzlich neigte sich Corinna ihr zu: „Merkst du das nicht, wie der Alte dich unentwegt anstarrt? Kennt der dich vielleicht?“
„Quatsch! Wer soll mich hier noch kennen?“ Dann aber drehte sie sich vorsichtig um – und erschrak. Dieser Blick, das konnte doch nicht sein! Sie wich ihm aus. Nein, sie irrte sich bestimmt.
Es ließ ihr aber keine Ruhe. So rief sie den Wirt heran, bezahlte und fragte beiläufig, wer der alte Mann sei.
„Das ist der Louis, der alte Senner oben von der Kuchl-Alm. Der ist schon ein bisschen seltsam“, antwortete der Wirt.
„Louis? Hat er auch einen Nachnamen?“
„Ja mei, für uns ist es halt der alte Louis. Aber ich glaub’, Hofbauer heißt er. Ja, genau, Louis Hofbauer.“
Betroffen blickte Henriette hinüber.
Der Wirt ging.
Auch Corinna starrte zu dem Alten hin. „Henriette, ist er das?“
Nervös stopfte Henriette ihr Portmonee in die Tasche. Ihre Hände zitterten dabei. „Er muss es wohl sein“, sagte sie bedrückt.
Ganz langsam drehte sie sich ihm zu und sah ihn voll an. Sie wich ihm nicht mehr aus. Mit den Augen sagte sie ihm, dass nun auch sie ihn erkannt hatte. Waren seine Augen auch kleiner geworden, sie spürte die Wärme, mit der er sie ansah, die Liebe einer vergangenen Zeit. Lang war es her, dass sie sich miteinander verbunden fühlten.
Er hatte es also nicht geschafft, sich von seinem Heimatort zu lösen, die Berge haben ihn festgehalten. Was hatte das Leben aus ihm gemacht? Sie saß hier, noch immer eine auffällige Erscheinung, eine tüchtige Geschäftsfrau, die im Leben noch etwas zu sagen hatte; er dagegen wirkte, als wäre er für die Welt schon verloren, ein seine Einsamkeit suchender Senner, dem vielleicht sein Hund und die Kühe wichtiger waren als jeder Mensch. Ein ganzes gelebtes Leben lag zwischen ihnen und trennte sie. Die Erinnerungen an eine Zeit, in der sie zusammengehörten, der Welt gemeinsam trotzen wollten, war wie eine Sage, von der man nicht wissen konnte, ob sie wirklich einmal wahr gewesen ist. Sie wussten noch voneinander, aber es gab für sie keine Brücke mehr zueinander über das, was sie trennte, über die lange Zeit, die sie verändert hatte. Er machte keinen Versuch, sie anzusprechen, und sie wollte es auch nicht.
Henriette drängte zum Aufbruch.
Corinna warf noch einmal einen neugierigen Blick auf den Louis Hofbauer, der einmal die große Liebe ihrer Großmutter gewesen war, ehe sie hinausgingen.
Der Blick des alten Senners folgte ihnen, solange er sie sehen konnte. Henriette spürte es.
Als sie im Auto saßen und weiterfuhren, fragte Corinna: „Dieser Louis, war der sehr viel älter als du?“
„Nein, das war er nicht, nur ein paar Jahre.“
„Aber das war doch ein sehr alter Mann?“
„Ja, heute ist er wohl sehr viel älter als ich. Das Leben geht sehr unterschiedlich mit den Menschen um. Dem einen lässt es mehr Zeit zum Altern, dem andern weniger.“ Ein wenig Trauer schwang in Henriettes Worten mit.
Sie schaute in den Rückspiegel. Der junge Mann fuhr wieder dicht hinter ihnen her. Gar nicht mehr verstohlen drehte sich auch Corinna neugierig um. Sie wollte wissen, ob er ihr folgte.
‚Liebeskummer dauert eben immer nur so lange, bis der Nächste kommt. Mal braucht es länger und mal geht es schneller, bis es vorbei ist’, dachte Henriette und lenkte ihr Auto die kurvenreiche Straße in die wundervolle Bergwelt hoch, die Louis wohl nie losgelassen hat.
Ein