Das Blut des Wolfes. Michael Schenk

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Das Blut des Wolfes - Michael Schenk

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obwohl er eingestand, dass es manchmal nicht anders ging. Aber er brauchte nicht viele Kühe. Als Frührentner bezog er eine bescheidene Pension und das reichte zum Leben. Die dreißig Milchkühe hätten auch nicht genug Gewinn an Milch und Fleisch gebracht.

      Seine Frau trat aus dem Haus und drückte ihrem Mann Brotdose und Thermosflasche in die Hände. Sie trug eine Latzhose und Gummistiefel, da sie sich nun daran machen würde, den Stall zu misten, das Hühnergelege nach Eiern abzusuchen und den Hof in Ordnung zu halten.

      „Wenn was mit der trächtigen Kuh ist, dann ruf mich auf dem Handy an“, meinte Wolicek. „Ich fahre die Milch nach dem Melken zum Laden rüber, damit die Genossenschaft sie abholen kann. Danach komme ich sofort zurück. Ich bin mir nicht sicher, ob das Kalb richtig liegt.“

      „Notfalls wirst du den Tierarzt rufen müssen.“ Seine Frau strich ihm über die ergrauten Haare. „Und du weißt, es dauert, bis er da sein kann.“

      „Es wird schon nicht so schlimm werden. Notfalls weiß ich mir zu helfen. Ich hab schon einmal einem Kalb den Strick um die Läufe gelegt und es auf die Welt gezogen.“

      „Ja, ich weiß, du bist ein guter Bauer.“

      „Will ich wohl meinen.“ Er küsste sie auf die Wange. „Heute wird der Kurt vorbeikommen, wegen dem Wackler von den Lampen. Da ist irgendwo ein Kurzer, den ich nicht finde. Du musst ihm nur zeigen, welche Lampen nicht richtig funktionieren.“

      „Mach ich. Und jetzt mach dich los. Die Kühe werden schon unruhig sein. Die wollen ihre Milch loswerden.“

      Wolicek nickte und ging an dem Misthaufen vorbei zum Stall. Neben dem großen Tor befand sich die Bank, auf der die gesäuberten Milchkannen standen. Er nahm die großen Metallgefäße auf und trug sie zu dem kleinen Anhänger der Zugmaschine. Wolicek verzichtete auf einen Traktor und begnügte sich mit einem einachsigen Holder, der ihm schon seit Jahren gute Dienste leistete. Mit leisem Knarren öffnete sich das grün gestrichen Hoftor und der Bauer verankerte es mit den entsprechenden Eisenhaken. Seiner Frau nochmals zuwinkend, ging er zu seinem Holder, warf den Motor an, stieg in den Sattel und ergriff das gabelförmige Lenkgestänge. Gemütlich tuckernd setzte sich das Gespann in Bewegung und rollte vom Hof.

      Das Tuckern von Woliceks Holder-Gespann war für Wolfgarten ein fester Bestandteil des dörflichen Lebens. Die Bewohner hatten sich längst an das Geräusch gewöhnt und wurden allenfalls wach, wenn es einmal nicht zur gewohnten Zeit zu hören war. Seine Fahrstrecke vom Hof zur Weide und anschließend zum Laden der Westphals, wo er die Milch ablieferte, war fest im Unterbewusstsein der Menschen verankert.

      Wolicek folgte dem Ziegenbendges Weg bis knapp unterhalb der Rangerstation, warf einen grimmigen Blick auf die Anlage und bog dann in den winzigen Feldweg ein, der zu seiner Weide führte. Er fuhr an den Pfosten mit den Drähten des Elektrozauns entlang, den er neu errichtet hatte. Der gefiel ihm nicht und er gefiel seinen Kühen nicht. Früher hätte er so einen Zaun nie notwendig gehabt. Da hatte der Rudi ausgereicht. Verdammte Parkbesucher. Verdammte Rangerstation. Nein, Wolicek war kein Befürworter des Naturparks.

      Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er seine Kühe sah. Die Tiere kannten das Geräusch des Gespanns und einige von ihnen muhten erleichtert, denn sie wussten, dass der Bauer nun kam, um sie endlich zu melken. Wolicek war stolz auf die gute Milch, die sie lieferten. Seine Kühe kannten keine Melkmaschine und würden sie auch niemals kennen lernen. Die Anschaffung einer solchen Anlage und ihre Pflege waren ihm zu teuer und eine Kuh, die einmal mit einer solchen Anlage gemolken worden war, ließ sich danach kaum noch von Hand melken. Zudem fand Wolicek eine solche Maschine als unpersönlich. Seine braven Kühe verdienten es, die warme Hand zu spüren.

      Er steuerte das Gespann auf die Weidefläche und fragte sich, warum Rudi nicht längst erschien, um sein Herrchen freudig zu begrüßen. Der Golden Retriever hatte sich als Hütehund bewährt und verhinderte zuverlässig, dass sich eine der Kühe auf Abwege begab. Aber vielleicht stromerte der Bursche irgendwo herum oder verrichtete sein Geschäft, denn Rudi kannte das Geräusch des Holders ebenso gut wie alle anderen und wusste somit, das Wolicek nun gekommen war.

      Der Milchbauer hob Eimer und Melkschemel vom Hänger. „So, meine Lieben“, sagte er freundlich und klopfte der nächsten Kuh gegen die Flanke. „Zeit, dass ich es euch ein bisschen leichter mache.“

      Die erste Kuh drängte auch schon heran und Wolicek begann gekonnt, die Zitzen der Euter zu massieren, bis die frische Milch in den Eimer spritzte. Die Kühe kannten die Prozedur und hielten eine strenge Rangfolge ein. Etwas ungeduldig warteten sie, bis ihr Herr den Eimer in eine der Milchkannen geleert hatte und zurück kam, dann ging es weiter.

      Wolicek war ganz in die Arbeit vertieft, seine Hände arbeiteten automatisch, während er seine Kühe mit freundlichen Worten bedachte.

      Immer wieder schweifte sein Blick umher. Von seinem Hund war noch immer nichts zu sehen. Das war sehr ungewöhnlich, ja, es war beunruhigend.

      „Rudi?“ Er klopfte einer Kuh an den Hinterlauf, damit sie ein wenig zur Seite trat. „Rudi, mein Guter, wo steckt du?“

      Einige der Kühe muhten, als seien sie nun genau so beunruhigt, wie Wolicek. Der erhob sich von dem Schemel und sah sich um.

      „Rudi? He, alter Knabe, komm bei Fuß. Hier gibt es Arbeit für dich“, rief er nach seinem Hütehund.

      Doch von dem Golden Retriever war nichts zu sehen oder zu hören.

      Wolicek stieg auf den Hänger seines Gespanns, da er von dort eine bessere Übersicht hatte. Am nahen Waldrand glaubte er, das goldbraune Fell Rudis erkennen zu können. Guntram war ein wenig kurzsichtig und wandte einen alten Trick an, indem er Daumen und Finger einer Hand, einem Fernglas gleich, vor eines der Augen legte und das andere zusammenkniff.

      Ja, das war bestimmt sein Rudi. Nichts sonst hatte diese Färbung.

      „Rudi!“ Guntram stieß einen schrillen Pfiff aus, doch sein Hund reagierte nicht.

      „Verdammt.“ Das war kein gutes Zeichen. Er stieg ächzend von seinem Hänger und eilte zu der Stelle hinüber, an der er Rudi gesehen hatte.

      Je näher er kam, desto sicherer wurde er, dass mit Rudi etwas Schlimmes geschehen sein musste und als er ihn erreicht hatte, wurde sein Verdacht zur Gewissheit.

      „Mein Gott, Rudi“, stöhnte Wolicek und sank auf die Knie. „Wer hat dir das angetan?“

      Das Fell des Golden Retriever war mit Blut beschmiert, ebenso seine Schnauze. Rudi war nicht kampflos gestorben, dennoch hatte er gegen seinen Gegner wohl keine Chance gehabt. Entsetzt sah Wolicek auf die klaffenden Wunden, die sein Hund erlitten hatte.

      „Wer hat dir das angetan?“, fragte er erneut. „Welches Schwein hat dir das angetan?“

      Wolicek kannte die Wunden, die ein Wildtier reißen konnte. Doch hier waren die Wundränder viel zu glatt. Die tiefen Verletzungen mussten von einer langen und sehr scharfen Klinge herrühren. Fassungslos strich er über den Kopf des toten Hundes, der ihm lange Jahre ein treuer Gefährte gewesen war.

      Wolicek sah zum Dorf hinüber. Einer der Bewohner musste das seinem Rudi angetan haben. Hatte sich dem arglosen Hund genähert und dann seinen perversen Trieb ausgelebt. „Du verdammtes Dreckschwein“, schrie er ihn ohnmächtiger Wut und schüttelte die Faust. „Ich krieg dich, du Schwein, das schwöre ich dir. Ich krieg dich.“

      Für Wolicek gab es keinen Zweifel. Diese Grausamkeit konnte nur einer der Dorfbewohner begangen haben.

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