Das Blut des Wolfes. Michael Schenk
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Svenja sah auf den Fahrweg hinunter. John hatte Recht. Das Erdreich war an der Oberfläche trocken und rissig und das Fahrzeug zog trotz der langsamen Fahrt eine beachtliche Staubschleppe hinter sich her. „Es hat doch erst vor ein paar Tagen geregnet.“
„Viel zu wenig. Der fehlende Regen erhöht die Waldbrandgefahr und wir müssen regelmäßig die Tränken prüfen, an denen sich die Tiere ihr Wasser holen. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass sich der Böttenbach nicht staut. Er füllt weiter unten einige wichtige Wasserstellen.“
Der Ranger deutete durch die Windschutzscheibe. „Wir sind da. Da vorne ist der Zulauf.“
Turner stellte den Motor ab und sie stiegen aus dem Geländewagen. Rechts von ihnen verliefen der Zaun und der Wasserlauf. An dieser Stelle floss er unter dem Zaun hervor, auf die andere Seite des Wanderweges. Eine winzige Bohlenbrücke führte über den Bach hinweg. John runzelte die Stirn und stieß einen leisen Fluch aus. „Da hat sich wirklich Knüppelholz am Zaun angesammelt. Siehst du, wie sich das Wasser zu stauen beginnt? Das ist ärgerlich, ich muss auf die andere Seite.“
„Machst du das nicht gerne?“
„Nein.“ Turner deutete auf den Beifahrersitz. „Steig ein. Wir müssen zum Tor. Wenn wir auf der anderen Seite sind, bleib bitte im Wagen, ja?“
„Oh, Mann, du bist eine echte Spaßbremse.“
„Ich steige drüben selbst nur selten aus. Natur und Tiere sollen sich möglichst unberührt entwickeln.“
„Aber es sind doch auch immer wieder Vogelkundler und andere Forscher im abgesperrten Teil.“
Der Ranger nickte. „Und die wissen auch alle, wie sie sich verhalten müssen, um die Tiere und Pflanzen möglichst wenig zu stören.“
„He, ich werde ganz still sein, okay?“
„Du bist eine wirkliche Nervensäge.“
„Sagt Paps auch immer.“
Sie fuhren den Weg weiter entlang und Turner nickte zögernd. „Schön, du kannst mit mir aussteigen.“
„Cool.“
„Aber du wirst nicht herumlaufen, dich nicht entfernen und nichts anfassen.“
„Geht klar, Chef.“
Man konnte durch zwei Tore in den abgesperrten Teil des Naturparks gelangen. Das von Wolfgarten und ein Zweites bei der Abtei Mariawald. Es gab noch einige kleine Nebentore für Notfälle. Eines davon befand sich in der Nähe der alten Burg. Sie waren für den Fall vorgesehen, dass es zu einem Waldbrand kam.
„Na schön, fahren wir zurück.“ Turner wendete behutsam und blickte in den Bereich jenseits des Zauns. „Wenn ich mich auf der anderen Seite dicht am Zaun halte, müssten wir mit dem Wagen durchkommen.“
Für Turner bedeutete dieser Umstand, dass er zum Tor und praktisch demselben Weg auf der anderen Seite wieder zurück fahren musste.
Während der Fahrt begegneten sie zwei Wanderern und John hielt, bis diese am Fahrzeug vorbei waren. Dann fuhr er langsam weiter, bis sie das Tor erreichten. Es bestand aus zwei Flügeln und war aus massiven Stahlrahmen gebaut, zwischen denen Stahldraht gespannt war. Ebenso solide, wie der gesamte Zaun. Selbst starken Raubtieren wäre es nicht gelungen, ihn zu beschädigen.
Der Ranger auf die schwere Kette, welche die Flügel verschlossen hielt. „Wäre bequemer, wenn wir hier einen elektrischen Toröffner hätten, aber jedes bisschen Elektrik heißt auch, dass man eine potenzielle Fehlerquelle hat. Ein Kurzschluss könnte das Tor aufgehen lassen und das wollen wir nicht riskieren.“ Er grinste. „Der wahre Grund ist wohl eher, dass die Parkverwaltung kein Geld dafür ausgeben will. Na ja, ein bisschen Bewegung schadet nicht.“
John Turner stellte den Motor ab und zog den Zündschlüssel. An dem kleinen Bund waren mehrere Schlüssel zu erkennen, die zu den verschiedenen Türen und Toren des Parks und der Rangerstation gehörten.
„Gibt es keinen Zentralschlüssel?“, fragte Svenja interessiert.
„Doch. Sogar mehrere. Drei haben die umliegenden Feuerwehren. Aber meinen lasse ich in der Station“, erwiderte John. „Ich habe mal in einem Haus mit Schließanlage gewohnt und den Schlüssel verloren. War ein kostspieliges Erlebnis. Alle Schlösser wurden ausgetauscht.“
Während er die Flügel des Tores öffnete, sah Svenja einen Fuchs, der ein Stück neben dem Pfad stand und sich nicht bewegte. Er schien sie direkt anzusehen und sie konnte der Verlockung nicht widerstehen und stieg nun ebenfalls aus. Als sie in die Hocke ging, kam der Fuchs näher.
Die Torflügel schwangen mit einem leisen Quietschen auf und als der Ranger zum Wagen kam, lachte er leise auf. „Das muss man dir lassen, du kannst mit Tieren umgehen.“
Beim Klang der Worte fuhr der Fuchs herum und war mit wenigen Sätzen im Gehölz verschwunden. John Turner sah Svenja abschätzend an. „Ist wirklich ungewöhnlich. Du hast etwas an dir, das alle Tiere die Scheu verlieren lässt. Ist mir schon einige Male aufgefallen.“
„Vielleicht spüren sie einfach, dass ich ihnen nichts Böses will.“
„Ich will ihnen auch nichts Böses und trotzdem hauen sie vor mir ab“, stellte er fest. „Okay, ein paar Meter bis wir durch sind, dann kann ich wieder zumachen.“
Svenja blieb im Wagen, während Turner das Tor öffnete, den Wagen hindurch fuhr und es sorgfältig wieder verschloss. Direkt an der Innenseite des Zauns war ein schmaler Pfad erhalten geblieben, welcher der Instandhaltung und Überwachung diente. An einigen Stellen hatten sich Büsche und Äste dicht herangeschoben, aber Turner schaffte es, seinen Wagen vorsichtig an der Absperrung entlang zu steuern. Svenja schloss das Seitenfenster, da immer wieder Zweige am Fahrzeug entlang streiften. Schließlich erreichten sie die Stelle, wo sich das Wasser des großen Böttenbachs staute.
„Bleib am Wagen“, ermahnte John Turner und nahm eine Schaufel vom Fahrzeug.
Svenja zog einen Schmollmund und lehnte sich an die Karosserie, während der Ranger zum Wasser ging und das angeschwemmte Knüppelholz untersuchte, welches sich dort verkeilt hatte. Für sie war es nicht gerade aufregend, wie der Farbige das Holz mit der Schaufel löste und sie sah sich nach Interessanterem um. Ihr Blick fiel auf einen merkwürdigen dunklen Schatten, der ein Stück weiter unmittelbar am Zaun lag.
Sie warf dem beschäftigten Turner einen kurzen Blick zu und schlenderte dann zu dem Objekt hinüber, welches ihre Neugierde geweckt hatte.
Ihr Blick fiel auf einen kleinen Körper, der hier im Gras lag. Er war ohne Zweifel tot, doch er konnte noch nicht lange dort liegen. Ein paar Fliegen stiegen auf, als sie sich neben den Kadaver hockte. Es musste ein Hund gewesen sein, aber die Rasse konnte sie nicht feststellen, da ihm der Kopf abgerissen worden war. Sonst waren keine Verletzungen zu erkennen.
„Armer kleiner Kerl“, murmelte Svenja mitfühlend. „Wer hat dir das bloß angetan?“
Eher unbewusst streichelte sie über das seidige Fell. Es kam ihr ein wenig dichter und rauer vor, als sie es von Hunden gewohnt war.
Eine der Fliegen wurde aufdringlich und flog