Das Blut des Wolfes. Michael Schenk

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Das Blut des Wolfes - Michael Schenk

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Dorf sagen, er legt sich schon mit Jedem an.“

      „Der Wolicek? Blödsinn. Das ist doch ein ganz ruhiger Kerl.“

      „Aber irgendwas geht in ihm vor sich. Wir sollten ihn wirklich im Auge behalten.“

      „Na schön“, stimmte er zu. „Ich glaube, der Kircher und der Wagner sind hier irgendwo. Da wird schon nichts passieren.“

      „War ein kluger Zug, die beiden Bullen einzuladen.“

      Er lachte leise auf. „Lass die Beiden das bloß nicht hören. Das haben die nicht so gerne. Zumindest der Kircher nicht. Der ist da ein bisschen empfindlich. Aber ich habe denen schon gesagt, um was es geht. Diesen Abend trinken die bestimmt nichts und ich habe bei den anderen Gästen durchblicken lassen, dass unsere Polizei nachher die Straße überwacht. Die meisten sind ja ohnehin zu Fuß.“ Er stellte die gesäuberten Trinkgefäße zum Abtropfen auf die Spüle und nahm sich die nächsten. „Ich meine, wenn einer unserer Gäste sonst ein bisschen unsicher fährt, kann ja nicht viel passieren. Aber heute sind halt viele unterwegs und ich will nicht, dass so ein Besoffener Jemanden anfährt.“

      Auf der Bühne wurde eine Ballade angestimmt. Die Worte waren für viele nur schwer zu verstehen, vor allem für jene, denen die mittelalterlichen Sprechweise fremd war, doch die Geschichte war leicht verständlich. Die Sängerin, offensichtlich in der Rolle eines jungen Mädchens, wurde von einem Wolf bedrängt und flüchtete sich in die Arme eines bewaffneten Recken, dessen Gesicht durch einen Helm vollkommen unkenntlich war. Der vertrieb den bösen Wolf und die Maid sank ihrem Helden schmachtend in die Arme. Alle dachten nun, das Stück sei zu Ende und im Publikum setzte Applaus ein, doch dann ging es doch noch weiter. Plötzlich riss sich der Held den Helm vom Kopf und darunter wurde eine Wolfsmaske sichtbar.

      „Und die Moral von der Geschicht´“, meinte der sichtlich angetrunkene Doktor Mayen zu Förster Bramke, „trau keiner einem Anderen nicht.“

      Die Erwiderung Bramkes ging im Klatschen der anderen Gäste unter, bis der Förster sich näher zu Mayen beugte. „Was Sie da gerade gesagt haben, widerspricht sich.“

      „Ach, egal.“ Mayens Augen glänzten verdächtig. Er hob sein Horn zum Tresen. „Und noch einen auf die Wölfe.“

      „Ihr mit euren verdammten Wölfen!“

      Im ersten Moment wusste Mayen nicht, woher der Ruf gekommen war, bis sich Wolicek vom Tresen abdrückte. Er war sichtlich betrunken und stand nur unsicher auf seinen Beinen. Er deutete mit seinem halb gefüllten Becher auf den Forscher und etwas Flüssigkeit schwappte dabei auf den Boden.

      „Ich sag´s euch allen, das wird kein gutes Ende nehmen mit diesen Biestern. Ja, ja, jetzt klatscht ihr noch alle Beifall, aber wartet es nur ab. Sobald diese Bestien frei herumlaufen, werden sie auch Blut lecken und dann wird hier keiner mehr klatschen. Dann wird es euch leid tun, dass wir die Wölfe nach Wolfgarten geholt haben.“

      „Komm, lass gut sein.“ Frau Bachmann beugte sich über den Tresen.

      „Bleib mir vom Hals“, schrie Wolicek auf. „Bleibt mir ja alle vom Hals. Ihr werdet noch an mich denken, wenn die Bestien über euch herfallen.“

      „Hören Sie, guter Mann“, begann Doktor Mayen und erhob sich langsam. „Sie brauchen keine Angst zu haben, dass…“

      „Ich bin nicht Ihr guter Mann.“ Wolicek knallte den Becher auf den Tresen zurück. „Sie können sich Ihren guten Mann in den Arsch schieben, jawoll, das können Sie. Ich habe keine Angst vor den Viechern. Ich nicht. Wenn sich auch nur eines von diesem Biestern meinen Kühen nähert, dann spieße ich es auf. Ich schlag es tot, jawoll.“

      Bramke sah, wie sich Jochen Kircher und Peter Wagner langsam dem Tresen näherten. Die beiden Polizeibeamten versuchten wohl, den erregten Bauern in die Zange zu nehmen.

      Frau Bachmann schob sicherheitshalber die Trinkgefäße zur Seite, die in Woliceks Reichweite standen. „Schau, Wolicek, wir alle wissen, was man deinem Rudi angetan hat, ja? Aber du kannst sicher sein, dass man…“

      „Sicher?“ Er fuhr herum und sah die Wirtin an. „Ha, und ob ich mir sicher bin. Ihr alle werdet es bitter bereuen, die Wölfe hergeholt zu haben. Die werden es euch nicht danken. Gewiss nicht. Die werden euch ihre Zähne in die Kehlen schlagen und dann ist es aus.“

      „Mensch, jetzt hör endlich auf, Wolicek“, rief einer der Dorfbewohner. „Wir wollen hier das Mädel hören und nicht dein Gekeife.“

      „Ach, ihr könnt mich alle.“

      Für einen Moment sah es so aus, als wolle sich Wolicek tatsächlich auf eine handfeste Auseinandersetzung einlassen. Aber dann machte er lediglich eine obszöne Geste und stapfte schweigend aus dem Gastraum.

      Etliche atmeten erleichtert auf und der Wirt klatschte in die Hände, was in der herrschenden Stille unnatürlich laut klang. „Lassen wir uns den schönen Abend nicht verderben. Es gibt Spiel und sicher auch noch Tanz, und außerdem haben wir frisch gezapftes Bier, kühlen Wein und süßen Met.“

      „Das ist ein Wort“, rief einer. „Her damit.“

      Die Musik setzte wieder ein und nach einer Weile war der Zwischenfall für die meisten auch schon vergessen.

      Förster Bramke sah Doktor Mayen seufzend an. „Genau das meinte ich vorhin. Sobald etwas passiert, kann die Stimmung ganz schnell kippen.“

      Der Wolfsforscher grinste trunken. „Wird schon nicht, wird schon nicht.“

      Förster Bramke war sich da nicht ganz so sicher, aber er erkannte, dass man mit Doktor Mayen an diesem Abend wohl nicht mehr vernünftig reden konnte. Zudem, der Met war wirklich nicht schlecht.

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