Das Blut des Wolfes. Michael Schenk

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Das Blut des Wolfes - Michael Schenk

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zu bewegen. Sie spürte die Wärme des Asphalts, jede Unebenheit in der Oberfläche des Belags. Svenja rannte in Richtung der Kermeter Straße, ohne dies eigentlich zu wollen. Sie versuchte, die Richtung zu beeinflussen, doch die Beine wollten ihr nicht gehorchen. Ihre Füße huschten über den körnigen Straßenbelag und Svenja stellte entsetzt fest, dass sie nicht einmal den Kopf drehen konnte. Es musste ein Traum sein, es konnte gar nicht anders sein. So hoffte sie darauf, bald zu erwachen und ließ sich einfach treiben, registrierte lediglich, wie sich ihr Körper bewegte.

      Sie musste sehr schnell laufen, denn die Häuser glitten rasch vorbei und nun näherte sie sich einer der Straßenseiten. Sie sprang über den Bordstein hinweg und empfand Verwirrung. Etwas war schrecklich Falsch, aber sie konnte es nicht einordnen. Aber an diesem Traum schien gar nichts richtig zu sein. Nun rannte sie auf einen Gartenzaun zu.

      Moment, da stimmte etwas nicht. Was war mit dem Zaun los? Er war viel zu hoch. Und sie lief direkt darauf zu. Lief zwischen zweien der Zaunlatten hindurch.

      Zwischen ihnen!

      Svenja stöhnte auf.

      Was für ein merkwürdiger Albtraum war das?

      Wieso waren die Perspektiven so verzerrt? So, als würde sie auf dem Bauch kriechen? Und selbst wenn sie kroch, wieso war sie dabei so schnell?

      Ihr Kopf bewegte sich jetzt und ihr Blick schweifte rechts und links, während sie durch den Garten lief. Sie kannte diesen Garten und doch war er vollkommen verändert. Ihr Körper schien geschrumpft zu sein, denn sie konnte unter der Schaukel entlang laufen. Unter ihr! Svenja glaubte zu spüren, wie das Sitzbrett über ihren Rücken strich.

      War das noch ein Traum?

      Sie fühlte, wie Panik in ihr aufstieg. Sie wollte raus aus diesem Albtraum. Sie wollte wach werden. Aber weder ihr Geist, noch ihr Körper gehorchten ihr.

      Aufwachen, dachte sie verzweifelt.

      Ich muss aufwachen. Aufwachen. Aufwachen.

      Dunkelheit umfing sie.

      Kapitel 16

      „Du siehst ziemlich übel aus.“ John Turner musterte Svenja skeptisch.

      Er lehnte in der offenen Tür der Rangerstation. Diese stand wie die Fenster weit offen und John hatte seinen Hut in der Hand und fächelte sich etwas Luft zu. Svenja war ein wenig überrascht, dass er als Farbiger ebenso unter der sommerlichen Hitze litt, wie sie selbst.

      „Es ist einfach zu heiß.“ Svenja stellte ihr Mofa auf den Ständer und schlenderte auf den Freund zu. Sie wischte sich Schweiß von der Stirn.

      „Ja“, stimmte John zu. „Selbst die Stechmücken machen sich rar.“

      Es war wirklich sehr heiß, doch das war nicht der Grund, warum Svenja sich nicht besonders wohl fühlte. Sie hatte schlecht geschlafen und seltsame Dinge geträumt. Der Traum war derart merkwürdig gewesen, dass Svenja ihn nicht einmal ihrer Freundin Kim anvertraute. Der Traum verwirrten, ja, er ängstige sie. Aber vielleicht hatte sie diesen schrecklichen Alb ja nur wegen der abnormen Hitze, die sich im Talkessel staute.

      John ging zu der Eistruhe, die am Souvenirladen der Station stand, öffnete den Deckel und warf Svenja ein Eis zu. „Hier. Fühl dich eingeladen.“

      „Danke, kann ich echt gebrauchen.“

      Er steckte den Kopf durch die Tür. „Bärbel, ein Eis auf meine Rechnung.“

      „Okay, John“, kam die Erwiderung von Frau Honnig. Diese beugte sich aus dem weit geöffneten Fenster und winkte Svenja einen freundlichen Gruß zu. „Ist wirklich eine Affenhitze, was, Svenja? Und, bist du wegen der Wölfe da?“

      „Wieso?“

      Bärbel Honnig errötete ein wenig. „Oh, ich dachte, John hätte dir Bescheid gesagt. Schließlich gehörst du ja fast schon zum Inventar des Parks.“

      Svenja sah den Ranger an, der verlegen seinen Hut aufsetzte und in den Nacken schob.

      „Na ja, wir wollten kein großes Aufhebens darum machen“, seufzte er. „Heute kommen die Wölfe.“

      „Echt? Cool.“ Sie schleckte an ihrem Eis. „Und warum sagt das keiner?“

      „Weil man den Tieren möglichst viel Ruhe gönnen will. Der Transport ist für die beiden Tiere schon stressig genug.“

      „Wieso stressig? Wann kommen die Wölfe denn?“

      „Ich glaube, ich nehme mir auch ein Eis.“ John beugte sich zur Eistruhe. „Eins von denen da.“ Er presste das Eis für einen kurzen Moment in den Nacken. „Ah, verdammt, das tut gut.“ Dann wickelte er es aus und deutete in den Himmel hinauf.

      „Für das Akzeptanzprojekt braucht EWoP ein wildes Wolfpaar. Keines, das durch Zucht schon an den Menschen gewöhnt ist und erst recht keins, welches aus einem Tierpark stammt. Nein, ein echtes Paar aus der unberührten Natur.“ Er nickte Svenja zu. „Und dieser Professor Kahnke von der EWoP hat das auch geschafft. Irgendwo in der Türkei hat man ein entsprechendes Pärchen ausfindig gemacht und beobachtet. Man wartete nur noch auf das Okay aus Wolfgarten und dann musste alles sehr schnell gehen.“

      „Verstehe, wegen dem Stress uns so“, warf Svenja ein.

      „Richtig. Wildlebende Tiere reagieren sehr empfindlich auf Störungen und es ist ja nicht alleine der seelische Stress, dem die Tiere unterworfen werden. Die erforderliche Betäubung und die Transportbedingungen setzen ihnen ebenfalls zu. Man kann die Armen ja nicht ewig unter Narkose halten.“

      „Und wie hat man das dann gemacht? Ich meine, damit sie möglichst keinen Stress kriegen?“

      „In der Türkei hat man sie betäubt, dann mit einem Helikopter zum nächsten Flugplatz gebracht. Von da eine Sondermaschine, direkt nach Köln/Bonn. Und jetzt bringt sie ein weiterer Hubschrauber zu uns.“

      „Hierher? Mann, war aber nicht billig, was?“

      „Ganz bestimmt nicht.“ John blickte auf die Uhr. „Sie müssten bald eintreffen. Bin eben von der EWoP-Station angerufen worden, dass sie den Heli erwarten. Doktor Mayen von der Beobachtungsstation und Janice überwachen dann das Verladen in den Geländewagen.“

      „Janice?“ Svenja runzelte die Stirn.

      „Janice Göllner“, erwiderte Turner und lächelte. „He, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“

      Sie ging auf seinen Scherz ein. „Und wie. Sobald es Dunkel ist, komme ich und kratze dir die Augen aus.“

      Sie lachten beide.

      Das typische Geräusch eines Helikopters wurde hörbar. Er flog sehr tief und verstieß damit eigentlich gegen die Auflagen des Naturparks. Aber für die Wölfe musste man eine Ausnahme machen. Dann wurde die Maschine sichtbar.

      „Der ist ziemlich groß“, stellte Svenja fest.

      „Oh ja, das musste er auch sein. Auf der gesamten Transportstrecke befanden sich die beiden Wölfe unter ärztlicher Beobachtung und es waren alle Geräte dabei, um nötigenfalls eingreifen

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