Liebe, gut gekühlt. Linda Große

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Liebe, gut gekühlt - Linda Große

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fragte sie.

      Der Internist hatte inzwischen seine kurze Untersuchung abgeschlossen und wies Frau Friedrichs an sofort den Krankenwagen zu rufen.

      „Auf jeden Fall Gehirnerschütterung“, diagnostizierte er, „aber da ist auch noch irgendetwas anderes.“

      Kapitel 3

      Theo Emmerich musterte sein schlaftrunkenes Spiegelbild. Der schmale rechteckige Spiegel hing hochkant über dem Ausguss in der Küche. Das zerkratzte, vergilbte Porzellanbecken hatte, seiner schmuddeligen Patina zum Trotz, im Laufe der Jahre nichts von seiner Stabilität eingebüßt. Nach wie vor hielt es Theos Körpergewicht mühelos. Seine Hände umschlossen den wulstigen Rand der Spüle während er sein Gewicht nach vorne verlagerte, um die Spuren der letzten Wochen genauer zu erforschen. Spätestens mit Fünfzig hat jeder das Gesicht, das er verdient. Er war vor kurzem sechsundfünfzig geworden und doch sah man ihm die regelmäßigen Aufenthalte in seiner Lieblingskneipe normalerweise wirklich nicht an. Was wohl auch Rosis hervorragender, zwölf Jahre währender fürsorglicher Pflege zu verdanken war. Er vermisste sie und ihre beträchtliche Witwenrente schmerzlich.

      Die Unzufriedenheit mit seinem morgendlichen Aussehen machte ihn wach, obwohl er sich lieber wieder in seinem Bett verkrochen hätte, das direkt neben der Spüle stand, gegenüber dem schmalen Küchentisch aus Weichholz mit den gedrechselten Beinen. Die letzten Wochen hatten enorme, stark sichtbare Spuren hinterlassen. Sichtbar und fühlbar. Seine Knochen schmerzten, er fühlte sich steif und ungelenk. Sein müder Körper kapitulierte und ließ ihn auf die durchgelegene Matratze zurück sinken. Das Bett ächzte und knarrte aufdringlich unter seinem Gewicht, stimulierte sein Gehirn, seine erlahmte Willenskraft.

      „Verdammt, du lässt dich hängen“, hörte er sich laut sagen. „Das muss aufhören!“

      Rosi hatte ihn vollkommen unerwartet vor die Tür gesetzt. Nach zwölf komfortablen Jahren musste er ihre hochherrschaftliche 5-Zimmerwohnung in der Charlottenburger Schlossstraße verlassen. Als nicht mehr geliebter, plötzlich verschmähter Versager! Dabei war seine finanzielle Situation auch schon zu der Zeit nicht besonders rosig gewesen, als Rosi wie ein wärmender Sonnenstrahl in sein verlebtes Dasein einfiel. Vierundvierzig Jahre alt war er damals gewesen und hatte die Einkünfte seiner guten Zeiten mit stetig wechselnden Freundinnen verprasst.

      Als Rosi ihm über den Weg gelaufen war, konnte er sich nur noch seine Einzimmerwohnung im Hinterhof eines verwohnten Altbaus mit schmutzig dunkelgrauer Fassade leisten. Das Wohnzimmer diente als Büro. Außer Aktenschränken, einem Ikearegal, Schreibtisch, Bürostuhl und zwei Besuchersesselchen (Chippendale vom Sperrmüll), enthielt es noch ein uraltes Sofa mit nostalgischem Charme sowie einen wuchtigen Kühlschrank in distanziertem Edelstahlglanz, erworben in besseren Zeiten, der aus Platzgründen im Büro prangte. Die Küche diente als Schlaf- und Esszimmer. Die winzige Speisekammer fungierte als Kleiderschrank.

      Mit fünfundzwanzig Jahren hatte er das eher armselige Ambiente noch als originell empfunden, obwohl es damals den imposanten Kühlschrank natürlich noch nicht gab. Vielleicht, weil er damals seiner ersten Freundin eine hübsche Wohnung mit Balkon finanzieren konnte.

      Tja, die fetten Jahre waren unwiederbringlich dahin gewesen, als ihm Rosi über den Weg lief. Ihre pralle Mütterlichkeit war Balsam pur für seine, von der verfrüht beginnenden Midlifecrisis verwundeten Seele gewesen. Irgendwie ahnte er, dass die Zeit für einen Privatschnüffler seiner Art abgelaufen war. Aus Rosis weitläufigem Bekanntenkreis waren dann noch vereinzelte Aufträge gekommen, die zumindest die Miete für sein Büro garantierten. Bis sich gar nichts mehr tat.

      Eine Zeitlang fütterte sie ihn noch durch, nahm 3o kg zu, verlor völlig das Interesse an Sex und erkannte schließlich an ihren Kontoauszügen, dass es für einen Theo Emmerich keinerlei Existenzberechtigung mehr gab in ihrem Witwendasein!

      Ach, vergiss Rosi, dachte er.

      Er musste was tun. Sein Dispokredit war ausgeschöpft und dieses beschämende Austragen von Werbeblättchen reichte nicht zum Überleben, obwohl er sich zum ersten Mal in seinem Leben Blutblasen an den Füßen eingehandelt hatte. So viel konnte man von den Dingern gar nicht verteilen damit es zum existieren oder besser, dahinvegetieren reichte!

      Er musste was tun! Er musste endlich was tun!

      Sein Schlafanzugoberteil fiel auf das zerwühlte Bett. Die Hose ließ er einfach auf den Fußboden rutschen während er den Bauch einzog und einen Blick in den kleinen Spiegel warf. Er reckte sich und stellte sich auf die Zehenspitzen um einen Blick auf seine Leibesmitte werfen zu können. 6 oder 7 Kilo weniger und er hätte wieder eine ganz passable Figur für sein Alter. Rosis Kochkünste hatten ihm nicht so zugesetzt wie ihr selbst.

      Sechs oder sieben Kilo, das müsste doch wirklich zu schaffen sein. Die Welle der Entschlossenheit trieb ihn unter die Dusche. Eingehüllt in den schwülen Duft eines stark parfümierten Duschgels rieb er seinen Körper ab bis sein Kreislauf auf Hochtouren lief.

      Er würde es schaffen!!!

      Der Typ aus Aachen, dem die Frau abhanden gekommen war im Dschungel der Großstadt, hatte sich nicht mehr bei ihm gemeldet. Wahrscheinlich war sie inzwischen reumütig wieder aufgetaucht. Sonst hätte er bestimmt erneut von ihm gehört. Irgendwo musste seine Visitenkarte noch herumliegen. Mit dem Handtuch um die Hüften tappte er barfuß in sein Büro. Eine aufgeschlagene, alte Zeitung verdeckte die Fläche des Schreibtischs und lenkte ihn für einen Moment ab. Warum lag sie da noch? Was war so interessant gewesen? Er überflog beide Seiten, konnte aber nichts entdecken, was seine Aufmerksamkeit erregte. Automatisch faltete er sie ordentlich zusammen und sah darunter die einsame, farbige Plastikkarte. Max Rahn, freischaffender Künstler, Aachen.

      Er kanalisierte seine neu gewonnene Entschlossenheit in die Absicht hinein, einen voraussichtlich zwecklosen Telefonanruf zu tätigen.

      Doch das Glück war ihm gewogen!

      Max Rahn höchstpersönlich am Telefon. Und seine junge Frau war inzwischen auch noch nicht aufgetaucht. Die Polizei tappte nach wie vor im Dunkeln. Was konnte da ein Privatdetektiv erreichen?

      Theo mobilisierte seine ganze Überzeugungskraft um den Auftrag zu bekommen. Doch das Glück meinte, es habe für heute wohl genug getan. Der Künstler ließ sich nicht einmal überreden als er ihm anbot, ohne Vorschusszahlung an die Arbeit zu gehen.

      Theo beendete frustriert das Gespräch und schielte nach der Cognacflasche im Bücherregal. Viel war nicht mehr drin. Eher ein kläglicher Rest, zu wenig für eine kleine Aufmunterung. Verdrossen rieb er mit der Handfläche über seine Bartstoppeln. Das kratzende Geräusch unterdrückte die aufkommende Woge von Selbstmitleid.

      Künstler! Künstler hatten nie Geld. Wusste doch jeder. Der Typ konnte sich wahrscheinlich gar keinen Privatdetektiv leisten. Deswegen die Abfuhr. Na klar. Das war der Grund. Keinen Vorschuss, und noch weniger eine Erfolgsprämie. Aber die Kleine hatte doch Eltern. Wenn er sich richtig erinnerte, war sie kaum halb so alt wie ihr Mann. Vierundzwanzig Jahre. Also waren ihre Eltern wahrscheinlich so um die Fünfzig. Irgendwo lagen doch noch ein paar Notizen herum, die er sich gemacht hatte. Während er nach seinem, in letzter Zeit so selten gebrauchten Block suchte, fielen ihm einige Dinge wieder ein. Die Kleine stammte aus den Niederlanden, aber ihre Eltern führten einen Campingplatz in der Provence. Die hatten bestimmt Geld. Wenn er ihr Mädchen auftrieb, würden sie garantiert was springen lassen. Welche Eltern täten das nicht!

      Der Notizblock lag aufgeschlagen in einer Schublade des Schreibtischs. Sein Blick fiel auf den Eintrag Hotel Haus & Hof. Origineller Name, passend zum Ambiente. Ein schmaler Altbau mit überdachtem

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