Der Sommer der Vergessenen. René Grandjean
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Читать онлайн книгу Der Sommer der Vergessenen - René Grandjean страница 18
„Driftwood.“
Driftwood ließ blitzschnell den Stein im Fell verschwinden.
„Meister? Seid Ihr das?“ Er schaute sich um.
„Ich bin hier unten.“
Driftwood sah, dass sich in der Glut des Lagerfeuers ein Gesicht andeutete. Die Augen waren glühende Holzkohlen.
„Ach ja, hehe, da seid Ihr ja. Wieso denn da? Wo wart Ihr denn den ganzen Frühling? Socke hat sich wirklich gesorgt.“
„Ich habe geruht. Eure Erweckung hat mich viel Kraft gekostet.“
„Das kann ich mir gut vorstellen. Riesig, wie ich bin.“
„Ja, sicher. Wie ging es voran? Hast du was herausgefunden? Und wo ist Socke?“
„Äh, was meint Ihr?“
„Driftwood, meine Zeit ist knapp“, mahnte der Grüne, der jetzt gerade überhaupt nicht grün war.
„Ja, ja. Socke ist am Fluss.“
„Und?“
„Ich denke, er spült das Geschirr.“
„Driftwood!“
„Was denn? Ach so. Nein, bedauere, hab ich nicht.“
„Die Karten? Sie sollten dir helfen, dich zu erinnern.“
„Die Karten sind unnütz. Socke und ich haben das ganze Frühjahr die Berge und das Umland durchstreift. Ihr habt keine Ahnung, Meister – bei allem Respekt – wie es da draußen aussieht. Hier im Gebirge ist alles verlassen. Und jenseits der Berge ist nichts mehr, wie es war. Wo habt Ihr die Karten eigentlich die ganze Zeit versteckt?“
„Das geht dich nichts an. Dann beginnt die Suche hier. Was ist mit dem Stein?“
„Meister, wisst Ihr, ob noch mehr von uns da draußen sind? Oder die anderen? Alle fort? Socke fragt ständig“, fügte er flüstern hinzu.
„Ich weiß nicht mehr als du, mein Freund. Noch nicht! Aber ich spüre, dass wir nicht alleine bleiben. Ist der Fuchs zurück?“
Driftwood verschränkte die Arme vor der Brust. „Bei dem hatte ich gleich kein gutes Gefühl. Dieser komische Schleicher. Natürlich ist er nicht zurück!“
„Geduld, Driftwood, Geduld.“
„Geduld, Meister? Es lag noch Schnee, als er auszog. Und es wird wieder Schnee fallen, eher er zurückkommt. Hat sich vom Acker gemacht, da wette ich drauf. Ihr seid einfach zu gutgläubig.“
„Ich hoffe, ihm ist nichts zugestoßen. Sein Auftrag brachte ihn auf die Fährte des Nachtbringers.“
„Papperlapapp.“ Driftwood winkte ab.
Die glühenden Holzscheite begannen rauschend, in sich zusammenzufallen.
„Meine Zeit wird knapp. Hör mir zu! Beginnt hier. Sucht Verbündete. Lauft nicht ziellos durch die Wälder. Denkt nach. Betrachte den Stein. Erinnere dich! Es steckt alles in deinem Kopf! So war es gedacht. Seid umsichtig, wenn ihr nach Neunseen geht. Die Stadt wird bewacht. Nicht jede alte Feindschaft ist mit der Zeit verflogen. Höre auf Socke. Und hütet euch vor …“
Mit einem Zischen brach das letzte verkohlte Holzscheit entzwei. Driftwood blieb allein zurück. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. Und hütet euch vor Zisch? Was soll das denn schon wieder? Er setzte sich mit einem Schnauben auf den kargen Waldboden. Plötzlich stand Socke neben ihm. Nachtalben, und besonders Socke mit seinen Samtpfoten, können sich lautlos durch die Dunkelheit bewegen, wenn sie wollen.
„Mit wem hast du gesprochen?“ Er stapelte die ordentlich gesäuberten Suppenschüsseln in seiner Tasche. Gut hören können Nachtalben nämlich auch.
„Ich, oh, ach, mit niemand“, log Driftwood. „Hab nur laut gedacht. Ich dachte mir, wir sollten unsere Suche hier fortsetzen, im Nachtschattental. Wir sollten uns Verbündete suchen.“
„Haben wir das nicht bereits getan? Ohne Ergebnis?“, fragte Socke und schüttete Wasser aus dem Kochtopf auf die Glut, um jegliche Waldbrandgefahr zu bannen.
„Ja, das haben wir. Aber, mein messerscharfer Verstand sagt mir, dass wir gründlicher vorgehen müssen.“
„Hört, hört“, sagte Socke, pustete etwas trockenes Laub von seiner Tasche und schulterte sie. „Und der Mensch?“
„Welcher Mensch?“
Socke verdrehte die Augen. „Driftwood, wir wollten uns einen Menschen suchen, der uns führen kann.“ Er brachte sein Gesicht ganz nah an Driftwoods und sprach sehr langsam und betont deutlich. „Einen Ortskundigen.“
„Oha, gute Idee. Socke, du bist ein Ass!“
Socke wandte sich um, aber Driftwood sprach weiter.
„Ich meine, wir sind jetzt schon eine Weile wach. Meinst du nicht, es wäre an der Zeit, es zu versuchen?“
Socke wollte etwas erwidern, aber Driftwood kam ihm zuvor. „Ich weiß, ich weiß, es ist nicht leicht. Aber bedenke, dass auch der Grüne zurück ist. Und wir sind Nachtalben, Socke. Die Magusch liebt uns. Oder möchtest du lieber warten, bis wir dem Nachtbringer persönlich gegenüberstehen? Na?“
Socke schaute betreten drein.
„Komm schon“, hauchte Driftwood, „es ist Zeit für etwas - Magusch.“ Leichter Regen setzte ein. Driftwood schaute angewidert in den Himmel.
„Es ist so lange her“, gestand Socke. „Ich weiß überhaupt nicht mehr …“
„Natürlich weißt du noch. Das ist wie Suppe kochen oder Feuer sprechen – nur eben etwas anders obwohl fast genau so. Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir uns auf das besinnen, was wir gut können.“
Driftwood wusste, dass Socke hier und da einen kleinen Schubs in die richtige Richtung brauchte. Oder in die Richtung, die er selbst für die Richtige hielt. Und heute Nacht war die Nacht. Er stand auf und begann, Socke zu umschleichen.
„Magusch“, hauchte er. „Das ist deine Bestimmung. Du bist ein Nachtalb, Freund Socke. Magusch ist ein Teil von dir. Wie deine Nase. Du hast doch auch keine Angst vor deiner Nase, oder?“
Socke schüttelte den Kopf.
„Na, siehst du. Es ist nur einfach so, als hättest du deine Nase sehr lange nicht zum Riechen benutzt. Was soll denn schon schiefgehen?“
Socke hob den Blick. „Du weißt