Der Sommer der Vergessenen. René Grandjean

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Der Sommer der Vergessenen - René Grandjean

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uns, Fuchs.“ Die Stimme war in Tweeds Kopf. „Folge uns.“

      Tweed bellte gegen den Lärm der Motoren an. „Ich kenne dich, Irrlicht. Und ich fürchte dich nicht!“ In seiner jetzigen Gestalt konnte Tweed die Sprache der Menschen nicht sprechen. Aber die Irrlichter hörten seine Gedanken. Sie rührten sich nicht. Ihre schwarzen Kutten reichten bis zum Boden. Die Öffnungen ihrer Kapuzen waren düstere Abgründe. Sie neigten die Köpfe.

      „Der Nachtbringer will dich. Folge uns.“

      „Euch folgen? Ich soll euch folgen? Dem Schatten folgen? Eure Existenz ist nur ein Irrtum. Keine Pfote setzte ich in eure unendliche Nacht. Holt mich doch, wenn ihr könnt!“

      Ein harter Tritt traf Tweed. Er wirbelte herum, schnappte nach dem Bein des Angreifers. Doch es war nur weißer Rauch zwischen seinen Kiefern. Hände griffen ihn. Das Irrlicht hob ihn hoch. Tweed wand sich. Mit aller Kraft biss er zu. Kaltes Blut füllte sein Maul. Das Irrlicht schrie kreischend und wurde körperlos. Tweed fiel durch die neblige Gestalt zu Boden. Er landete auf den Füßen. Blut tropfte von seinen gefletschten Zähnen. Ein harter Schlag traf sein Gesicht. Tweed schüttelte sich und fixierte knurrend den Feind. Nebelschwaden stiegen von der verletzten Hand des Irrlichts auf.

      „Lasst mich ziehen“, kläffte Tweed. „Das ist nicht mein Krieg!“

      „Er weiß, wem du dienst.“ Ein Irrlicht scherte seitlich aus, glitt durch die Leitplanke auf die Fahrbahn. Ein Fahrer riss das Lenkrad herum. Sein Wagen schleuderte durch das Irrlicht und kam quer zum Stehen. Hupen, Bremsen quietschten. Ohrenbetäubend krachten die Autos ineinander. Die Irrlichter hatten ihr Ziel erreicht. Jetzt war die Nacht finster. Sie verschwanden in der Dunkelheit. Tweed hörte die Schreie der Verletzten, lief auf die Straße. Trümmer von Autos lagen herum. Die Wracks dampften. Aufgeregte Menschen liefen durcheinander. Es roch verbrannt. Keiner beachtete den Fuchs. Die Scheinwerfer der Autos, die nahe der Unfallstelle standen, spendeten noch Licht. Hier würde er die Angreifer sehen. Aber würde es ihm nützen? Die Straße. Der Unfall würde den Verkehr eine Weile aufhalten. Allerdings erwartete ihn dort die ungewisse Dunkelheit. Er rannte los. Aus der Ferne hörte er Sirenengeheul. Hilfe für die Verunglückten war nah. Was half es ihm. Die Gegenfahrbahn war immer noch zu stark befahren, um sie zu überqueren. Dann kam der Nebel. Er stieg aus der Fahrbahn auf, viel zu schnell, um natürlich zu sein. Tweed wurde nicht langsamer, lief einfach hinein. Geräusche klangen gedämpft in der feuchten Luft. Er sah kaum weiter als bis zu seiner Nasenspitze. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Er lief schneller. Der Nebel formte einen Tunnel.

      Ich bin zu langsam, schoss es Tweed durch den Kopf. Er blieb stehen. Kampfbereit fletschte er die Zähne. Drei Irrlichter standen ihm gegenüber. Ihre Umhänge wehten, doch es ging kein Wind.

      „Ihr seid nichts! Nur Nebel und Finsternis!“ Plötzlich fühlte er eine Berührung. Zwei Hände ergriffen seine Vorderläufe. Sie kamen aus der Straße unter ihm. Ohne zu zögern, trieb Tweed seine Zähne hinein. Doch sie ließen nicht los. Wild warf er sich hin und her, der Falle zu entgehen. Die Irrlichter kamen näher. Sie zogen Stäbe, die in ihren Händen um ein Vielfaches länger wurden. Schon traf Tweed der erste Hieb. Rasend vor Wut versuchte er, sich in den Stäben zu verbeißen. Die Irrlichter schlugen abwechselnd zu. Mit grausamer Präzision zerschnitt Schlag um Schlag die Luft. Plötzlich ließen sie von ihm ab, schauten ins Licht. Scheinwerfer näherten sich durch den Nebel.

      Das ist eine Hinrichtung, dachte Tweed. Seine Sinne schwanden. Die Gewänder der Irrlichter verdunkelten die Sterne. Ein letztes Mal schlugen sie zu. Tweed jaulte und fiel auf die Seite. Die Hände ließen von ihm ab. Die Irrlichter duckten sich und versanken geräuschlos im Asphalt der Straße. Der Lichtkegel erfasste Tweeds reglosen Körper. „Nein, nein, halt! Das ist falsch, ganz falsch.“

      Die Zeit fror ein. Motoren verstummten. Die Autos rollten langsam aus und kamen zum Stehen.

      „Ich sagte den Irrlichtern, dass ich dich lebend brauche. Lebendig. Haben wohl den Unterschied vergessen zwischen Leben und Tod.“

      Menschen stiegen aus ihren Wagen.

      „Nein. Ihr nicht. Schlaft!“

      Wie Marionetten mit durchtrennten Fäden brachen die Menschen zusammen. Gespenstische Ruhe trat ein. Im Nebel zeichnete sich eine Silhouette ab. Ein alter Mann kam die Straße entlang. Sein Gehstock klackerte rhythmisch auf dem Asphalt. Klein war er, ging gebeugt. Bei Tweeds reglosem Körper blieb er stehen.

      „Du bist das“, staunte er. „Hätte nicht gedacht, dich noch mal zu sehen. Nach so langer Zeit.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das dünne weiße Haar. „Immer machst du Ärger. Manches ändert sich wohl nie.“ Er schaute in den Nachthimmel hinauf. „Nein, mein Freund. Manches ändert sich wohl nie.“ Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. „Auch wenn die ganze Welt aus den Fugen gerät. Wir sind, was wir sind. Aber nein, warte. Noch besser. Wir werden wieder sein, was wir waren! Und weißt du was, mein Freund? Es hat gerade erst begonnen.“ Zweimal pochte er mit seinem Gehstock auf die Straße, dann waren beide verschwunden.

      Kapitel 9

      Das Feuer war erloschen. Nur noch das Flackern der Glut spendete ein wenig Licht auf der kleinen Waldlichtung. Doch das brauchen Nachtalben nicht, um in der Dunkelheit zu sehen. Socke hatte die Schüssel auf den angewinkelten Beinen abgestellt. Er schöpfte etwas Suppe auf den Löffel, pustete, und schlürfte sie vorsichtig. Driftwood hatte seine Suppe direkt aus der kleinen Holzschüssel getrunken, die jetzt zu seinen Füßen lag. Er starrte abwesend in die Baumwipfel. Das Feuer beleuchtete nur einen Teil seines schwarzen Gesichtes. Die tanzenden Schatten verliehen ihm etwas Wehmütiges. Eine leichte Brise entfachte eine kleine Flamme in der Glut. Sie spiegelte sich in seinen Augen. Socke stellte seine karge Mahlzeit beiseite und legte seinem Gefährten die Pfote auf die Schulter. Driftwood schien es nicht zu bemerken. Doch dann klärte sich sein Blick. Er tätschelte Sockes Pfote und drehte sich um.

      „Dackelkacke! Ich kann mich kein Stück erinnern.“

      „Ach, Drift“, seufzte Socke. Seine Augen waren glasig. „Der verfluchte Rauch.“

      Driftwood nickte.

      „Meinst du, dass wirklich alle fort sind?“, fragte Socke. „Nun ja, um den einen oder anderen Trottel wäre es nicht so schade“, lachte Driftwood. Etwas leiser fuhr er fort, als er Sockes ernsten Blick bemerkte: „Sieh doch, wir waren wirklich lange weg. Und viel gesehen haben wir bisher auch nicht. Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, dass es nicht alle erwischt hat. Wir waren viele, und viele waren schlau. Na gut, viele waren auch Idioten. Aber davon wiederum waren viele sehr kleine Idioten. Oder auch feige Idioten. Sie könnten sich versteckt haben. Na gut, dann sind sie bestimmt verhungert, aber immerhin.“ Driftwood schien seine Rede für sehr tröstlich zu halten. Er lächelte so freundlich, wie es ihm möglich war.

      Socke schaute sehr betreten auf seine Füße.

      „Wenn hier niemand mehr ist, dann nirgends“, murmelte er.

      Driftwood schüttelte sich. „Alles nur wegen der Elben. Eine Schande ist das. Und eigentlich, ich meine, streng genommen hatten wir mit der ganzen Geschichte doch fast nichts zu tun. Leider etwas schwer zu erklären, wenn dich ein ganzes Dorf mit Mistgabeln verfolgt.“

      Socke schauderte, als wäre ihm kalt. „Meinst du wirklich, sie sind alle tot? Auch die Halblinge? Und das ganze Nachtvolk?“

      „Ich hab wirklich keine Ahnung. Aber die Halblangen waren ja auch ein Haufen von … .“

      Sockes strenger Blick

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