Die Straße der Ritter. Marlin Schenk
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Читать онлайн книгу Die Straße der Ritter - Marlin Schenk страница 22
Robert de Lastic trat vor. „Ich!“
„Das habe ich mir gedacht“, flüsterte Tomas in Williams Ohr. „Der Knabe braucht eine Abreibung. Willst du es übernehmen?“
„Ich glaube, das wäre keine gute Idee, Tomas. Er würde es in den falschen Hals kriegen. Aber wie wär's mit dir?“
Tomas kam nicht dazu, zu antworten, denn Francis trat vor und sagte: „Lasst mich gegen ihn kämpfen, Sir.“
„Wie ist dein Name?“ fragte der Padrone den Herausforderer.
„Robert de Lastic, Ritter der Französischen Zunge.“
„Und ich bin Francis Townsend.“
„Du bist Reisender“, sagte der Padrone. „Die Waffenübungen sind aber nur für die Johanniter bestimmt. Also, wer tritt vor?“
Als sich niemand meldete, ließ der Padrone seine Augen über das Schiff kreisen und suchte einen Mann aus. Er deutete auf Karl Berenger. „Du, Bruder, wirst gegen ihn kämpfen.“
Karl trat vor, verbeugte sich vor de Lastic und ergriff eines der beiden Übungsschwerter, die am Mast lehnten, und einen Schild.
Robert tat das gleiche, und auf Kommando prügelten sie aufeinander ein. Im Gesicht des Franzosen war Hass und Wut zu erkennen. Er kämpfte verbissen wie ein Gladiator und schonte seinen Gegner nicht. Es waren weniger Kraft und Geschicklichkeit, die Robert das Duell gewinnen ließen, als der pure Zorn auf einen Deutschen. So dauerte es auch nicht lange, bis Karl unter der Wucht des Angriffs in die Knie ging und das Schwert an der Kehle spürte.
„Gut“, lobte Padrone di Giovanni. „Wer möchte es jetzt versuchen?“
Niemand rührte sich.
In den Männern wirkten verschiedene Kräfte. Francis wäre am liebsten vorgesprungen, um dem jungen Sporn das Gift abzumelken, aber ihm waren die Hände gebunden. Federico würde es nicht zulassen. William dagegen wurde von unsichtbaren Stricken zurückgehalten. Diese Stricke hießen 'Angst'. Auch wenn es nur eine Waffenübung war, so konnte keiner bestreiten, dass dies ein ernster Kampf sein würde. De Lastic hasste alle Ausländer, und deshalb würde er auch auf William einprügeln. Die Übungen im Kloster waren da ganz anderer Natur gewesen. Gegen de Lastic kämpfen? Nein danke. Nicht unbedingt.
„Du, Bruder, trete vor.“
William schaute zu Boden und sah nicht den ausgestreckten Finger, der auf seine Brust zeigte. Aber er wusste, dass er gemeint war. Ein Zittern nistete sich in seine Knie ein, und sein Herz klopfte von innen gegen das Kettenhemd. 'Sieh auf, William', sagte seine innere Stimme, 'stürze dich auf diesen französischen Angeber und prügele ihn um, dann hast du deine Ruhe. Es wird dir die Angst nehmen.'
„He du, Bruder mit dem roten Umhang, sieh mich an.“
William blickte auf.
„Wie heißt du?“
„William Tudor, Ritter der Englischen Zunge, Sir.“
„Tritt vor, Junge, und kämpfe.“
Williams Beine glichen denen eines Pferdes, das von seinem Reiter gelenkt wurde. Sein Reiter hieß Gehorsam, und er trieb ihn zum Hauptmast, wo er einen Schild und ein Schwert ergriff. Kaum hatten sich seine Fäuste um die Griffe der Waffen geklammert, da klang auch schon das Schwert seines Gegners hell auf seinem Schutzschild. William wich erschrocken zurück. Grimmig schaute er den Franzosen an, dessen Augen Hass versprühten. Der Knabe war schmal und fast einen Schwertknauf kleiner als der lange, blonde Engländer, und trotzdem vertrat er so viel Kampfgeist wie ein zorniger Bulle, dessen Lieblingskuh zum Schlachter soll. 'Es ist nur eine Übung', murmelte seine innere Stimme, doch bevor er ihr antworten konnte, stürmte der Franzose wieder auf ihn ein. William parierte die Schläge, stieß den jungen Ritter mit dem Schild von sich und wollte das Schwert gegen ihn erheben, aber seine Angst hielt ihn zurück. So dauerte es nicht lange, bis William zu Fall kam und auf dem Boden lag.
Robert de Lastic baute sich vor William auf. Im Siegesrausch stellte er ein Bein auf die Brust des Gefallenen und winkte seinen Kameraden zu.
„Das reicht“, sagte der Padrone. Dann wandte er sich an William. „Was war denn das für eine Vorstellung, Bruder? Hast du im Kloster an keinen Duellen teilgenommen?“
William rappelte sich hoch. Er schämte sich wie ein Hund. „Es tut mir leid, Sir“, stammelte er.
„Zurück in deine Gruppe“, zischte der Kapitän.
William gehorchte.
Tomas nahm William beiseite und raunte ihm ins Ohr: „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was ist denn in dich gefahren? Er hat dich die peinlichste Demütigung erfahren lassen, die man sich vorstellen kann. Wie einen erlegten Hirschen hat er dich behandelt. Hast du Angst vor dieser kleinen Ratte?“
William schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Doch, ja, ich habe Angst. Aber nicht vor ihm, sondern vor dem Kämpfen. Sobald es ernst wird, mach ich mir in die Hose, Tomas.“
„Da müssen wir was unternehmen, Bruder William.“
„William?“ rief der Padrone.
„Ja, Sir?“
„Diese bedauerliche Niederlage war sicher nur ein einmaliger Ausrutscher. Willst du mir beweisen, dass ich mich nicht irre?“
„Ja, Sir.“
„Dann suche dir einen Ritter aus und zeig', was du kannst.“
William verbeugte sich. „Willst du, Tomas?“
„Na klar.“
Die Freunde gingen zum Mast und ergriffen die Waffen. Dann fand ein sehenswertes Duell statt. Es war interessanter und geschickter als die gewöhnliche Prügelei, die de Lastic vorgeführt hatte, aber es war keine Aggression zu spüren.
Nach dem Abendmahl nahm Francis den geknickten William zur Seite und sagte: „Ich wusste vom ersten Tag an, dass du Angst hast, Junge. Schon als ich dich in Carpenters Kneipe traf, wusste ich es. Du wirst nie eine Chance gegen einen Gegner haben, selbst dann nicht, wenn er schwächer ist als du. Es ist an der Zeit, aus dir einen Mann zu machen. Ab morgen wird trainiert, und wenn du in Rhodos ankommst, dann kannst du es mit jedem aufnehmen, das schwöre ich dir. Außerdem: Es wäre nicht recht, dich unter diesen Umständen zum Duell zu fordern. Ich kämpfe nicht gern gegen Männer, die von vorn herein keine Chance haben. Aber wenn es soweit ist, junger Freund, dann wirst du ein Profi sein. Das verspreche ich dir.“
13. Training
Am nächsten Morgen war es soweit. Nach Absprache mit dem Kapitän nahm Francis den jungen William unter sein Kommando. Zunächst einmal erforschte er dessen Erfahrungen im Umgang mit Waffen und stellte fest, dass gute Grundkenntnisse in dieser Rüstung steckten. Aber es war eben nicht genug. Sie mochten zwar ausreichen, um Klosterbrüder umzubügeln, aber für den harten Kampf an der Stadtmauer von Rhodos war es ein wenig spärlich.