Wenn Luftschlösser flügge werden. Marie Lu Pera
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Erneut beginne ich, sein Herz zu massieren. Ich mache einfach weiter. Was soll ich denn sonst machen? Tränen laufen mir unentwegt über die Wangen, so total überfordert bin ich mit dieser Situation.
Das dauert alles viel zu lange. Verdammt, wo bleiben denn die Leute, die für sowas ausgebildet sind? Sie haben sicher so ein Elektroschocker-Ding bei sich, das ihn zurückholen kann.
Mir wird gerade klar, dass es ewig dauern kann, bis sie hier sind. Wir sind hier auf einem Bergpass – mitten im Nirgendwo.
Ich hätte den Unfallort irgendwie markieren sollen. Ihnen eine genauere Beschreibung geben können oder … ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich hab alles falsch gemacht.
In regelmäßigen Abständen kontrolliere ich seinen Puls, aber kann nichts spüren. Ich zweifle sogar kurz an mir selbst, ob ich die Stelle vielleicht nicht genau erwischt habe, wo man den Herzschlag fühlen kann. Womöglich lebt er ja noch und durch meine amateurmäßigen Wiederbelebungsversuche bringe ich ihn wahrscheinlich erst recht um.
Erneut kontrolliere ich den Puls an der anderen Seite seines Halses und am anderen Handgelenk – um ganz sicher zu gehen und mein menschliches Versagen auszuschließen. Da ist nichts, absolut gar nichts. Naja, bis auf meinen Herzschlag, der so stark pocht, dass er für uns zwei schlagen könnte.
„Adam, komm schon. Hilf mir mal ein bisschen. Mach die Augen auf“, ist mein jämmerlicher Versuch, mich selbst zu beruhigen, während ich nur noch am Zittern bin.
Die Minuten vergehen und ich hab schon keine Kraft mehr, für mich selbst Sauerstoff zu produzieren, geschweige denn für jemanden anderen. Darüber hinaus kündigt ein Pfeifen in meinen Ohren nichts Gutes an. Ist wohl der verzweifelte Versuch meines Körpers mir klarzumachen, dass ich nicht genug Luft für mich selbst übriggelassen habe.
Ein paar Tiefe Atemzüge sollen mich davor bewahren, umzukippen. Obwohl es jetzt besser geht, fühle ich mich immer noch schwach und ein dumpfes Gefühl macht sich schön langsam in meinem Kopf breit. Ich presse die Augen zusammen, um den Schwindel zu vertreiben, der immer wieder meinen Blick verschwimmen lässt, und mache stoisch weiter.
Grad bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, ob ich einen Notruf abgegeben habe. Womöglich hab ich mir das nur eingebildet oder sie finden die Stelle nicht nach meiner Wegbeschreibung. Was hab ich überhaupt gesagt? Wie lange ist das her? Ich erinnere mich nicht.
Erneut entweicht mir ein gequälter Laut, da Adam sich immer noch nicht rührt. Er müsste doch nach Luft schnappen und die Augen aufreißen. Im Film passiert das doch ständig. Die Leute husten kurz und kommen dann wieder zurück. Das ist aber kein Film, sondern die Realität, belehre ich mich selbst eines Besseren.
Ich kann nicht mehr – will gerade heulend auf seine Brust sinken, weil ich einfach nur unsagbar erschöpft und überfordert bin, da höre ich die Sirenen von weiter Ferne. Zuerst dachte ich, ich hätte es mir eingebildet, aber dann sehe ich die Lichter auf den Bäumen flackern.
Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn ich bin froh, die Verantwortung über sein Leben an jemanden abgeben zu können, der Ahnung hat, was mich gerade echt noch mehr fertigmacht.
Man sollte doch zuallererst eigentlich froh sein, dass ein Arzt eintrifft, der dem Verletzten hilft. Bin ich echt so egoistisch? Was ist denn bloß los mit mir?
„HIER. WIR SIND HIER!“, brülle ich, nachdem ich knallende Autotüren höre. Woher ich die Kraft für eine halbwegs starke Stimme nehme, weiß ich selbst nicht.
Am Rand der Böschung über mir tauchen schon Rettungssanitäter auf. Und als hätte mein Körper darauf gewartet, endlich zusammenklappen zu dürfen, wird mir im nächsten Moment auch schon schwarz vor Augen.
*********
„Hallo. Hallo. Aufwachen!“ Jemand tätschelt mir die Wange, da reiße ich die Augen auf. Es ist einer der Sanitäter. Neben mir hieven sie gerade Adam, den sie auf eine von diesen Bergungsliegen geschnallt haben, die Böschung hoch.
Es war also kein abartiger Alptraum. So viel dazu.
„Alles in Ordnung?“, fragt mich der junge Mann, den ich auf etwa einundzwanzig schätze. „Bist du hinten auf dem Motorrad gesessen?“ Seh ich so aus?
„Ja“, ich schüttle energisch den Kopf, „Nein, helfen sie ihm, nicht mir“, schnauze ich ihn volle Breitseite an. Okay, ich hab gerade echt keine Nerven mehr. Er runzelt die Stirn, packt aber sogleich mit an.
Gefühlte zehnmal rutsche ich aus und knalle mit den Knien auf die spitzen Steine, die den Hang säumen, aber es ist mir egal. Irgendwie spür ich grad meinen Körper gar nicht richtig.
Nur bruchstückhaft bekomme ich mit, dass mich jemand am Ellbogen schnappt, mich in den zweiten Rettungswagen zieht und mich auf einen Sitz drückt.
Dabei fixiere ich die Lichter der sich drehenden Signalbeleuchtung, die in regelmäßigen Abständen meine Füße beleuchtet und flehe innerlich, ob das nicht doch bitte ein böser Traum sein kann.
*******
„Junge Dame? Junge Dame?“ Jemand stupst mich am Arm an, was mich hochschießen lässt. Vor mir stehen zwei Officer, die mit ihren Uniformen und den Waffen ganz schön respekteinflößend aussehen. Einer von ihnen ist groß und schlank – der andere eher pummlig. Irgendwie haben sie Ähnlichkeit mit Dick und Doof.
Aufgebrachte Stimmen lassen mich meinen Blick von den zwei Cops abwenden und mich der Frau zuwenden, die gerade lauthals die Stationsschwester zur Schnecke macht, weil sie wissen will, was mit ihrem Sohn passiert ist.
Es ist Adams Mum. Sie ist im Elternbeirat und kommt mir manchmal auf dem Schulhof entgegen, wenn sie zu einer der Versammlungen in die Schule kommt. Nicht, dass sie mich jemals beachtet hätte. Ihre Parfumfahne, die mich jedes Mal eingehüllt hat, als sie majestätisch an mir vorbeigestöckelt ist, ist aber anhaften geblieben. Zumindest steigt sie mir jedes Mal in die Nase, wenn ich sie sehe – auch wenn das manchmal aufgrund der zwischen uns herrschenden Distanz und der aktuellen Windrichtung gar nicht möglich ist. Das passiert übrigens gerade. Der süße Duft nach Sandelholz mit dieser Prise Zitrone fühlt sich irgendwie tröstlich an.
Adams Dad steht neben ihr und versucht, sie zu beruhigen – mit minderem Erfolg wohlgemerkt.
„Beruhige dich, Eireen“, beschwört er sie und blickt um sich. So, als würde er sich für ihren furienreifen Auftritt schämen. Glücklicherweise bemerkt er mich nicht. Er ist schlank, groß gewachsen und hat graues, dichtes Haar. Die Mandelaugen hat Adam auf jeden Fall von ihm geerbt. Das kantige Gesicht mit der schmalen Nase auch.
Doof deutet auf meine aufgeschlagenen Knie. „Das sollte sich ein Arzt ansehen“, ruft er der Stationsschwester zu. Toll. Musste das jetzt sein?
„Sie hat jegliche ärztliche Hilfe verweigert“, verpetzt sie mich volle Breitseite. Mann, hak das doch ab. Tja, das wird wohl immer zwischen uns stehen – ihrem rechthaberischen Blick und den vor der Brust verschränkten Armen zufolge.
Das ruft natürlich Adams Eltern auf den Plan. Wie auf ein stilles Zeichen hin, wenden sie sich uns zu, blicken zuerst auf die Officer, meine blutigen Knie und dann auf mich. Adams Mum stellt gerade die nötigen Zusammenhänge her, dass wir – entgegen der Stationsschwester – etwas wissen könnten und peilt uns an. So viel dazu. Ihre Aufmerksamkeit ist mir wohl ab