Wenn Luftschlösser flügge werden. Marie Lu Pera
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„Du bist echt ziemlich großkotzig für jemanden, der eine zweite Chance gekriegt hat“, zische ich.
Adam schlägt mit geballter Faust so hart auf den Tisch, dass alle zusammenzucken – mich mit eingeschlossen. Angestrengt fixiere ich ihn. Die Ader an seiner Schläfe pocht vor Zorn und er sieht aus, als würde er mir gleich eine verpassen.
Fuchsteufelswild raunt er wie ein Wahnsinniger: „Ich habe nie um eine zweite Chance gebeten. Ich wär lieber tot, als an dieses Ding gefesselt, aber du musstest ja auftauchen und pfadfindermäßig die Kavallerie rufen. Hast dir schön ein Abzeichen verdient. Bist du hier, um dir die Belohnung abzuholen?
Weißt du was, ich hasse dich. Ich ertrage deine Anwesenheit nicht. Wenn ich könnte, würde ich dir dasselbe antun, was du mir angetan hast. Ich wünschte, du wärst einfach vorbeigefahren und hättest mich verrecken lassen.“ Wie Nadelstiche prasseln diese niederträchtigen Worte auf mich herab.
Aus einem Impuls heraus springe ich hoch und knalle ihm eine schallende Ohrfeige runter, die dicke, rote Male an seiner Wange hinterlässt.
Anne hat sogar einen Schrei losgelassen, der diese grauenhafte Szene untermauert.
Einige Sekunden starren wir uns nur an. Sein aggressiver Blick und das Schnauben, mit dem er sich im Zaum zu halten versucht, nicht selbst mit der Hand auszuholen, bohren sich direkt in meine Eingeweide.
Als ich das nicht mehr länger ertragen kann, flüchte ich zur Tür raus – darauf bedacht, die Flut an Tränen, die sich anbahnt, noch bis ich draußen bin einzudämmen.
*******
In letzter Zeit geht mir das Gurkenstopfen viel leichter von der Hand als sonst. Naja, liegt wahrscheinlich an der unbändigen Wut, die ich an dem unschuldigen Gemüse auslasse, wenn ich an das Aufeinandertreffen mit Adam vor ein paar Tagen denke. Ich hab das Essen immer noch nicht so richtig verdaut – es liegt mir im Magen wie ein Stein. Ab irgendeinem Zeitpunkt ist da etwas total schief gelaufen.
Als meine Sonntagsschicht gegen fünf zu Ende ist, trete ich mit meinem Rad die Heimreise an. Vor dem Anwesen der Laurrens, das blöderweise direkt auf meinem Heimweg liegt, treffe ich auf den joggenden Richard, der mir von Weitem zuwinkt. Toll, ich hab jetzt echt keinen Bock darauf, das wieder alles durchzukauen. Ich hab schon genug daran zu knabbern.
„Hallo Richard, wie geht’s?“, frage ich ihn in der Hoffnung, er möge mich schnell wieder weiterziehen lassen, als er leichtfüßig auf mich zukommt.
„Kann nicht klagen und dir?“, trällert er quietschvergnügt. Okay, er ist wohl nicht nachtragend, weil ich seinen Bruder gehauen habe.
Ich zucke nur mit den Schultern. Richard sieht zum Haus rüber und meint: „Ganz schön gruslig da drin zurzeit. Adam führt ein strenges Regiment.“
„Selbst schuld, wenn ihr ihm die Führung kampflos überlasst“, entgegne ich. „Wie kommst du damit klar?“
Er lächelt und rauft sich die Haare. „Ist ganz schön schwer. Immerhin hat es ihn echt übel erwischt. Er geht nie nach draußen. Heute hab ich ihn gefragt, ob er neben mir herfahren will, wenn ich jogge, da ist er fast ausgerastet. Seine Freunde hat er auch schon vergrault. Die kommen schon lange nicht mehr her – haben es aufgegeben. Adam wollte sie nicht sehen – hat sie einfach weggeschickt, ohne sie zu empfangen. Er bunkert sich da drin ein und leidet vor sich hin.“ Ach du Scheiße.
Plötzlich ertönt ein klirrendes Geräusch aus der Richtung des Anwesens und etwas, das aussieht wie ein Stuhl, fällt vom ersten Stock und zerschellt auf der Terrasse.
„Das ist Adams Zimmer“, stößt Richard aufgebracht aus und aktiviert unsere Beine, die uns schnell die Einfahrt überqueren lassen.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich ahne bereits Schlimmes, da passieren wir gerade die Eingangstür der Villa.
Gemeinsam sprinten wir die Treppen in den ersten Stock hoch. Richard stemmt sich gegen eine Tür, hinter der ich Adams Zimmer vermute.
Sie ist abgeschlossen. Prima.
„ADAM, MACH AUF!“, brüllt sein Bruder und hämmert gegen die massive Holztüre. Ich halte mir die Hand vor den Mund, um die Panik zu vertreiben, die in mir hochsteigt. Er will sich runterstürzen.
„Ich hole etwas, damit wir die Tür aufbrechen können“, sagt Richard, als er erkennen muss, dass seine Schulter gegen Mahagoni im Nachteil ist und verschwindet.
„ADAM!“, brülle ich, während ich mich mit einer meiner Haarklammern am Schloss zu schaffen mache.
Verdammt. Was sagt man bloß jemandem, um ihn davon abzuhalten, sich in die Tiefe zu stürzen? Gerade merke ich, dass ich wohl hier die absolut falsche Person bin, die ihn davon abhalten kann. Immerhin hat er ja zugegeben, mich zu hassen. Seine Worte treten schlagartig wieder in mein Bewusstsein: „Ich ertrage deine Anwesenheit nicht. Wenn ich könnte, würde ich dir dasselbe antun, was du mir angetan hast. Ich wünschte, du wärst einfach vorbeigefahren und hättest mich verrecken lassen.“
Ich schüttle die Worte ab. „Das ist nicht hoch genug“, versuche ich Zeit zu schinden, während ich mit dem Teil am Schloss herumfummle. „So brichst du dir nur den Halswirbel und dann hast du nicht mal mehr deine Arme, um dich umzubringen.“ Was rede ich da? Scheiße, was Besseres fällt mir gerade nicht ein. „Adam?“ Das Schloss klackt im nächsten Moment auf. Tja, ich habs immer noch drauf.
Wie eine Irre stürme ich rein, da erkenne ich, dass er sich auf den Schreibtisch hochgestemmt hat und sich gerade zur Fensterbank zieht.
Bevor er den Abgrund erreicht hat, packe ich ihn und ziehe ihn vom Tisch. Wir landen beide direkt auf dem Boden. Er brüllt, rudert mit seinen Händen, um sich zu wehren, was mich nicht davon abhält, ihn von hinten weiter fest umklammert zu halten, egal wie oft er mir eine mit seinem Ellbogen verpasst.
Wie ein Schlosshund heule ich stille Tränen in sein T-Shirt, während ich ihn fest an mich drücke.
„Adam, hör auf dich zu wehren“, beschwört ihn sein Bruder, der scheinbar zurück ist, was Adam in seiner Rage wohl nicht mitbekommt.
Richard stürmt näher an uns heran, kniet sich vor seinen Bruder und versucht, sein Zappeln zu unterbinden. Auch ihm steht der Schock deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Was wolltest du tun?“, haucht er total fertig mit den Nerven. Ist das nicht offensichtlich?
„VERSCHWINDET!“, brüllt Adam wie am Spieß und beginnt wieder, mit den Armen wilder um sich zu schlagen.
Bei mir brennen gerade ein paar Sicherungen durch, denn ich schlage einen Arm um seinen Hals und drücke fest zu, sodass ich ihn so richtig schön würge. Er versucht zwar, meinen Arm wegzuziehen, hat aber mittlerweile so viel Muskelmasse eingebüßt, dass er es nicht schafft. Früher hätte ich nicht den Hauch einer Chance gegen ihn gehabt. Doch jetzt ist alles anders.
„Jetzt hör mal gut zu, du Scheißkerl“, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Meine Worte werden von seinen erstickten Lauten unterbrochen.
„Rose“,