Wenn Luftschlösser flügge werden. Marie Lu Pera
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Читать онлайн книгу Wenn Luftschlösser flügge werden - Marie Lu Pera страница 8
„Wer hat den asozialen Abschaum hier reingelassen?“, sagt Adam doch tatsächlich mit einer echt abartig wütend verstellten Stimme. Autsch.
Hey, nur weil ich keine Designerklamotten trage, bin ich nicht automatisch Abschaum. Naja, okay, meine Sachen sind echt schon hinüber. Den Aufdruck des T-Shirts kann man eigentlich nur mehr noch erahnen. Was stand da nochmal? Egal. Trotzdem war das gemein.
„Adam!“, zischt sein Dad.
Ich stehe auf, trete an Adam heran und ziehe ihm seinen unangetasteten Teller unter der Nase weg, den ich zurück an meinen Platz trage. Da mich alle anstarren, als hätte ich gerade den Verstand verloren, zucke ich nur mit den Schultern, erkläre: „Eine Spende für die Armen“ und mampfe seine Portion auch noch in mich rein.
Adams Mum springt hoch und meint: „Ich bring dir noch etwas, Schatz.“ Mann, ich glaubs nicht – die sind ja vollkommen von der Rolle.
„Setzen Sie sich!“, herrsche ich sie an. „Er kann sich was holen, wenn er Hunger hat.“ Sie ist sichtlich unschlüssig, nimmt aber nach kurzer Bedenkzeit wieder Platz.
„Er hat schon genug durchgemacht, da muss er sich das hier nicht auch noch antun. Siehst du das denn nicht, wie schwer das für ihn ist?“, fordert mich Anne zickig heraus. Sehen die denn nicht, dass er ihnen bloß auf der Nase rumtanzt?
Ich nicke einsichtig – zumindest sollen sie das glauben – und wende mich wieder meinem Essen zu. Vielleicht bin ich ja doch zu weit gegangen. Vielleicht auch nicht.
„Blendet dich das Licht, Liebling? Ich kann den Vorhang weiter schließen, wenn du möchtest“, schlägt Misses Laurren nach ein paar Minuten untertänig vor. Sie steht sogar auf, um den Vorhang zuzuziehen, aber Adam blafft sie nur an: „Lass mich.“
„Sag mal, wie redest denn du mit deiner Mum?“, pruste ich.
Adams Vater steht an ihrer Stelle auf und schiebt den Vorhang ein Stück weit zu, damit der Arm von seinem Sohn nicht in der Sonne liegt. Auch er sieht in regelmäßigen Abständen zu seinem Sohnemann rüber und kontrolliert, ob ihm das behagt. Mehr als sein gekonnt mürrisches Gesicht kriegen sie aber nicht zurück.
Adams Mum rutscht nervös auf ihrem Sessel herum. Sein Dad geht nochmal zum Fenster und korrigiert den Vorhang. Ich tausche Blicke mit Adams Bruder aus, der so ein Tja-willkommen-in-der-Freak-Show-Gesicht draufhat.
„Adam Schatz, willst du wirklich nichts essen?“, lässt meinen Geduldsfaden endgültig reißen.
„Meine Fresse. Sie sind ja total überfordert“, musste an der Stelle einfach mal gesagt sein.
Richard hat sich an seinem Glas Wasser verschluckt und hustet sich die Seele aus dem Leib, während Mum und Dad vor Schreck die Augen weit aufgerissen haben.
„Wir haben alle einen Pflegekurs besucht. Wie du sehen kannst, haben wir alles im Griff“, informiert mich Richard mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme.
Wutentbrannt knalle ich meine Serviette auf den Tisch, gehe zum Fenster rüber, kralle mir den Vorhang und ziehe das Teil so weit auf, dass die Sonne den Sohnemann ganz sicher so richtig schön volle Breitseite und bis zur Schmerzgrenze blendet.
Daraufhin nehme ich neuerlich Platz. Seine Mum erhebt sich keine zwei Sekunden später und zieht den Vorhang wieder zu.
Erneut stehe ich auf und öffne ihn. Sie zieht ihn wieder zu. Das Spielchen spielen wir einige Male, bis seine Mum aufgegeben hat.
Als Adam genervt die Augen – Vampir wie er ist – zusammenkneift, nutze ich seine Ablenkung, um auf ihn zuzugehen, seine Rollstuhlbremsen zu lösen, ihn mit einem Ruck vom Tisch wegzuschieben und ihn näher an uns heranzurollen.
Er wehrt sich und blockiert mit seinen Händen an den Ringen die Räder des Gefährts. Ich wusste, dass er sie bewegen kann.
Durch den plötzlichen Stopp bin ich ihm voll hinten reingeknallt, was ihn abrupt loslassen lässt. Ups. Das hat sicher wehgetan. Naja, selbst schuld. Was pfuscht er mir auch ins Handwerk.
So schiebe ich ihn dann direkt neben meinen Platz, damit er bei uns sitzen kann und kralle mir meine Serviette, die ich ihm als Lätzchen um den Hals schlage und hinter dem Nacken zusammenbinde. Natürlich reißt er sie sich gleich wieder runter.
„Was soll der Scheiß?“, knallt er mir vor den Latz.
„Ich füttere dich, was sonst? Immerhin sitzt du im Rollstuhl, du Ärmster“, spule ich meine Mitleidsnummer ab. „Das muss so schwer für dich sein. Du hast doch schon genug durchgemacht, da musst du dir das hier nicht auch noch antun“, antworte ich vollkommen überzeichnet, lade Kartoffelbrei auf einen Löffel auf und steuere seinen Mund an.
Er dreht angewidert den Kopf zur Seite weg.
„Komm, mach den Mund auf“, bestärke ich ihn. „Einer für Mummy, einer für Daddy, einer für Richard, einer für Anne und einer für Rose.“ Ich sehe seine Eltern an, die sich das Schauspiel mit offenen Mündern geben.
„Ich hab mir schon immer ein Baby gewünscht. Er ist ja so hilflos“, stoße ich gekonnt dramatisch aus.
„Das reicht jetzt“, wendet Adams Dad ein. Eigentlich lässt die Vehemenz in seiner Stimme keinen Zweifel zu, dass er es ernst meint und seine Geduld jetzt am Ende ist, doch ich lasse mich davon nicht einschüchtern.
Wieder will ich Adam Essen reinschaufeln, doch er schlägt mir die Gabel aus der Hand. Dann greift er nach den Ringen an seinem Gefährt – will flüchten – doch ich schiebe mein Bein zwischen die großen Hinter- und die kleinen Vorderräder seines Rollstuhls, sodass er festsitzt.
Als wär nichts gewesen, esse ich weiter, während er versucht, abzuhauen. Das tut ganz schön weh, wie er mein Bein mit den Rädern immer wieder einquetscht, aber ich hätte mir eher das Körperteil abgebissen, als ihn gehenzulassen.
Adams Dad räuspert sich. Mit einem „Wie geht es dir in der Schule, Rose?“ will er wohl krampfhaft das Thema wechseln. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass er mich noch nicht selbst vor die Tür verfrachtet hat.
„Gut, danke der Nachfrage, Mister Laurren. Wann geht denn Adam wieder zur Schule?“, will ich wissen.
„Adam möchte zu Hause unterrichtet werden“, informiert mich sein Vater.
Ich sehe Adam an, der es aufgegeben hat, freizukommen und mich gerade mit der puren Kraft seiner Gedanken zu töten versucht. „Oh stimmt“, bemerke ich, „Er muss ja alles wieder neu lernen. Wie man spricht, isst, … wie man sich benimmt“, konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
Richard ist ein Grinsen entwischt, das er zu spät vor uns verbergen konnte. Seine Freundin sieht ihn furienmäßig an und meint: „Das ist nicht witzig. Sie macht sich über ihn lustig. Wie pietätlos ist das denn?“ Was bedeutet denn bitteschön „pietätlos“?
Ich kommentiere ihre Aussage ebenfalls mit einem Grinsen, mit dem mich Richard angesteckt hat.
„Zumindest brauchen