Wie im Paradies. Klaus Melcher

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Wie im Paradies - Klaus Melcher

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ihn wie selbstverständlich in sein Zimmer geführt hatte, die ihm nicht mit irgendwelchem dummen Geplapper auf die Nerven gefallen war, die sich diskret zurückgezogen hatte, um ihm Zeit für sich zu geben, und jetzt wieder da war und ihm anbot, ihn in den Speisesaal zu führen.

      Trotzdem, er wollte nicht, war bockig. Und doch ließ er es zu, dass sie seinen Arm fasste und ihn ungeheuer sanft den Flur entlang führte. Ihr Druck war kaum zu spüren, fast nur eine leichte Berührung, von der er sich jeden Augenblick befreien könnte, wenn er es nur wollte.

      Doch er wollte es nicht.

      Im Gegenteil, er genoss es, an ihrer Seite zu gehen.

      „Möchten Sie lieber den Aufzug oder die Treppe nehmen?“, fragte sie und ließ ihm Zeit zum Überlegen. Sie schien unendlich viel Zeit zu haben.

      „Kommen Sie, den Blick von hier oben in die Halle sollten Sie sich gönnen“, sagte sie, als er noch unentschlossen war, und führte ihn an ihrer leichten Hand zu der breiten Treppe, die in die Eingangshalle führte.

      Es war eigenartig, aber von hier oben wirkte die Halle viel größer, viel edler als von unten, als er sie das erste Mal betreten hatte.

      „So, da wären wir“, flüsterte sie und öffnete die Glastür zum Speisesaal.

      Der Speisesaal vermittelte noch ganz den Glanz der vergangenen Jahrhunderte.

      Üppige Lüster hingen von der hohen Decken und ließen den Saal in sanftem Licht erstrahlen. Überall an den Wänden, die von alten Tapeten mit Jagdmotiven oder galanten Szenen geziert wurden, brach sich das Licht der vielen Kristalle.

      Auf dem edlen Parkett waren Tische und Stühle, Fromm vermutete Chippendale, zu Gruppen zusammen gestellt, alle weiß eingedeckt.

      Vor den Fenstern, die fast bis an den Boden reichten, hingen luftige, fast transparente Vorhänge und bewegten sich leicht, wenn jemand an ihnen vorbei ging.

      An einer Längsseite hatte man Nischen aus Blumenkübeln und niedrigen Bücherregalen gebildet, in denen Vierertische mit leichten Sesseln aufgestellt waren, eigentlich eine Platzverschwendung, die man aber jederzeit korrigieren konnte.

      Hierher konnte man sich nach der Mahlzeit für eine Tasse Kaffee zurückziehen.

      Die Schwester führte Fromm, immer noch sanft seinen Arm haltend, quer durch den Raum und hielt erst am linken oberen Rand des zweiten Achtertisches an.

      „Das wäre Ihr Platz“, lächelte sie.

      Er war froh, dass ihn niemand besonders beachtete.

      Er fühlte sich fremd, irgendwie sinnlos in diesem Raum, auch wenn er sich Mühe gab, einladend zu wirken.

      Er hatte keinen Hunger.

      Das letzte Essen lag ihm immer noch wie ein Stein im Magen, und er konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder Hunger zu haben.

      Jedenfalls nicht hier!

      Er hatte etwas ganz Anderes erwartet. Einen Speisesaal mit dem Jugendherbergscharme der Neunziger, mit resopalbedeckten Tischen, damit man die Saucenflecken leichter beseitigen und das Gemüse ohne Schwierigkeit in die Schüssel zurückfüllen konnte.

      Und mit Stühlen, nicht gerade einem Ausbund an Komfort. Helle Kiefernholzbeine wurden zusammengehalten durch rote Plastiksitze und Rückenlehnen, alle abwaschbar und stapelbar. Er hatte solche Stühle mal in dem Katalog eines großen Möbelhauses gesehen, und die hatte er hier erwartet.

      Diese Einrichtung passte nicht zu seiner Erwartung, und im Augenblick machte selbst das ihn nicht glücklich.

      Die ersten Mitbewohner betraten durch die breite Schiebetür an der Stirnseite den Saal, einzeln die meisten, überflogen mit einem leeren Blick den ihnen bekannten Raum, entdeckten den Fremden, der ihnen schon beim Frühstück angekündigt worden war, nahmen aber keinerlei Notiz von ihm, als gäbe es ihn gar nicht.

      Langsam strebten sie zu ihrem Platz.

      Das alles lief gespenstisch leise ab, wie nach einem festen Plan, fast wie ein Uhrwerk.

      Wen würde es an seinen Tisch, an seine Seite verschlagen? Die Alte mit dem langen Putenhals, an dem eine einreihige Perlenkette baumelte, oder der Dicke oder vielleicht der knorrige Lange. Der wäre ihm der Liebste, wenn er wählen dürfte!

      Er durfte nicht wählen!

      Eine Allerweltsperson steuerte auf den Stuhl neben seinem zu, zog ihn mit einem Ruck zurück, sagte kurz, fast militärisch knapp: „Guten Tag!“, stellte sich in den schmalen Zwischenraum zwischen Stuhl und Tisch, ging etwas in die Knie und zog den Stuhl exakt bis in seine Kniekehlen vor, so dass sein Gesäß mitten auf das Sitzkissen platziert wurde. Das geschah mit einer derartigen Akkuratesse, wie Fromm sie noch nie gesehen hatte.

      Der Mann beugte sich ein wenig nach links vor, als wollte er seinen Nachbarn in ein vertrauliches Gespräch ziehen, warf aber nur einen Blick auf seine Serviettentasche und nahm sie auf, als er sich davon überzeugt zu haben schien, dass es seine war.

      „Man muss immer aufpassen. Die sind manchmal sehr nachlässig und verwechseln die Servietten.“

      Fromm nickte.

      Ja, das könnte er sich ohne weiteres vorstellen, bei so vielen Leuten, sagte er, obgleich er nicht wusste, ob sein Nachbar ihn wirklich angesprochen hatte.

      Nichts wäre ihm unangenehmer gewesen, als ein Gespräch zu beginnen, das nicht gewünscht war.

      Und seinem Nachbarn schien in der Tat nichts daran zu liegen, sich mit Fromm zu unterhalten.

      Schweigend entfaltete er seine Serviette, legte sie sorgfältig auf den Schoß, wartete schweigend und kerzengerade auf seinem Stuhl sitzend, dass ihm der Teller mit einer wässrig aussehenden – und ebenso schmeckenden – Suppe gefüllt wurde.

      Vorsichtig tauchte er den Löffel ein, vermied sorgfältig, dass die kleinen Sternchennudeln über den Rand schwappten, füllte ihn bis zur Hälfte und führte ihn zum Munde. Nachdem er die Brühe kurz angepustet hatte, um sie abzukühlen, probierte er sie und versenkte den Löffel gleich wieder auf dem Tellerboden.

      „Wer soll das essen?“, schimpfte er und schob seinen Teller von sich.

      Der Mann, verdammt noch mal, imponierte Fromm!

      Schade nur, dass er während des ganzen Essens keinen weiteren Laut mehr von sich gab.

      Wie übrigens all die anderen auch, die im Laufe der nächsten Minuten ihren Platz eingenommen hatten und geduldig auf das Essen warteten.

      Wer Fromm ebenfalls imponierte, eher den Atem raubte, waren die Serviererinnen.

      In keinem Hotel, das er in seinem langen Leben bereist hatte, und er kannte viele und nicht gerade die schlechtesten, hatte er eine derartige Häufung von jungen hübschen Frauen gesehen, alle ausgestattet mit den edelsten Proportionen, endlos langen Beinen und schlankem knackigem Po, mit Brüsten, die jeden Mann noch im Schlaf verfolgen, mit einem Gesicht so voller Liebreiz, dass man das Essen vergaß.

      Wie eine Prozession traten sie aus einer Nebentür, aus der das Klappern

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