Dezember - Adventsgeschichte. Michaela Leicht
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„Muss ich denn überhaupt ziehen?“
„Sei kein Spielverderber – natürlich musst du!“
Auffordernd hielt ihr Sabine eine kleine, oben offene, Glaskugel hin und nickte ihr einladend zu, damit sie doch endlich hineingreife.
Sie stand Sabine gegenüber, ihre Hände ballte sie leicht zu Fäusten und öffnete sie wieder – das mehrmals hintereinander. Es schien, als würde ein Kraftfeld die Glaskugel umgeben. Ihr Blut fing an, schneller durch ihre Bahnen zu rauschen. Ihr Puls pochte in ihren Ohren. Fast unmenschliche Überwindungskraft musste sie aufbringen, als sich ihre Finger vorsichtig in die Öffnung wagten und die kleinen Zettel berührten.
Einmal kurz tief durchatmen, die Augen schließen und durch. Der Zettel klemmte zwischen ihren spitzen Fingern. Sie lächelte gezwungen, nickte dabei ergeben mit dem Kopf.
Scheiß Weihnachten.
1. Dezember – Luke
Irgendwo in einer kleinen sehr ländlichen Stadt
„Mutter – bitte lass mich doch einmal zu Wort kommen!“ Luke verdrehte verzweifelt die Augen. Wie sollte er seiner Mutter begreiflich machen, dass er sich nicht so von ihr manipulieren lassen wollte. Natürlich, würde er – als guter Sohn – versuchen, ihre Wünsche über die Seinen zu stellen, Aber musste das ausgerechnet so ein Wunsch sein?
„Du weißt doch gar nicht, was alles auf dich zukommt, du wärst dann ganz alleine! Und ich weiß doch, dass du dich nicht um dich selber genug kümmerst! ... Du kannst doch ...“, in dem Moment schaltete er auf Durchzug.
Er kann nicht auf sich selbst achten? Wo lebte denn seine Mutter? Seit Jahren kümmerte er sich um seine Firma und um die Familie, um sie, seine jüngere Schwester und die Großeltern. Warum verlangte sie so einen Schwachsinn?
„Hörst du mir eigentlich zu?“ So missmutig, wie sie sich anhörte, hatte er sie lange nicht mehr erlebt. „Aber sicher doch ...“, war seine noch brummigere Antwort.
„Mein Großer, so versteh mich doch!“ Seine Mutter rappelte sich derweil aus ihrem bequemen Sessel auf, den sie seit ihrer Diagnose, vor ungefähr acht Wochen, kaum noch verließ. Erste Anzeichen waren diese ständige Müdigkeit, die immer schlechter heilenden kleinen Wunden, der schnelle extreme Gewichtsverlust, bis er sie endlich soweit hatte, zu einem Arzt zu gehen, war es auch schon zu spät. Das Untersuchungsergebnis war niederschmetternd. Ihr Arzt wollte umgehend eine Therapie veranlassen, eine Chemotherapie beginnen und sie in eine Klinik einweisen lassen.
Doch mit der Antwort seiner Mutter hatten beide nicht gerechnet, er nicht und auch nicht der Arzt.
„Nein!“ War alles, was sie in den Raum warf. Keiner der beiden Männer nahm es für voll, sie diskutieren, wo und wann der beste Termin war und achteten überhaupt nicht auf sie – bis sie sich aus ihrem Stuhl erhob und mit den Händen auf den Tisch schlug.
Verdattert sahen die beiden Männer sie an.
„NEIN!“ Wiederholte sie laut, fest und deutlich.
„Aber Mutter!“ Sein Ausruf war mehr wie irritiert und entsetzt. Er wusste in diesem Augenblick nicht, was ihn mehr verunsicherte. Die Diagnose oder ihre Weigerung, sich helfen zu lassen.
„Nichts - aber Mutter! Deine Empörung kannst du dir sparen!“ Mit all ihrer Würde stand sie vor den beiden Männern. „Es ist mein Leben. Ich hatte ein schönes Leben, darum bin ich nicht traurig, wenn es zu Ende geht. Ich vermisse deinen Vater.“ Ein sehnsüchtiger Blick richtete sich kurz aus dem Zimmerfenster. Dann wieder auf Luke. „Bitte akzeptiert das so. Ihr beide!“
Die Stille in dem Raum war gruselig. Jeder konnte den Atem der anderen hören. Tief atmete dann der Arzt durch und räusperte sich verlegen.
„Frau Maier, natürlich dürfen Sie das selbst entscheiden. Nur tun Sie mir bitte einen Gefallen. Bedenken Sie ihre Entscheidung noch einmal. Wenn Sie zu einem anderen Ergebnis gekommen sind, teilen Sie es mir umgehend mit. Lassen Sie sich nur nicht allzu viel Zeit dafür. Bis dahin kann ich sie unter Schmerzmittel stellen.“ Frau Maier nickte nur zustimmend mit dem Kopf.
Seit diesem Tag waren zwei Monate verstrichen, in denen seine Mutter die Entscheidung nicht revidierte. Nein, sie organisierte schon alles für ihre Beerdigung. Luke fand das mehr als makaber.
Und heute war wieder so ein Tag, wo sie ihm in den Ohren lag, sich endlich um sich selbst zu kümmern. Sich endlich eine Frau zu suchen. Endlich zu heiraten.
„Du hast vor acht Wochen deine Entscheidung getroffen – warum lässt du mir nicht meine!“ Erbost erhob er sich, verließ den Raum und ließ sie stehen.
Räuber
Eine lange geschmeidige Zunge leckte über seine Nase, hinauf zu seinen Augen, leckte genüsslich über die Augenwinkel und dann weiter zu seinem Ohr, dort wurde plötzlich ein Luftstoß durch die andere Nase gegeben und reflexartig musste er mit dem Kopf schütteln. Um Himmelswillen, wie konnte man nur so geweckt werden. Mit leichtem Schwung drehte er sich auf den Rücken und bot sich der schnüffelnden Nase komplett an. Doch leider hörte da wohl der Spaß auf, denn anstatt die geschmeidige Zunge weiter seinen Körper massierte, bekam er einen unfreundlichen Stups in die Seite.
Den Kopf leicht zur Seite gebogen versuchte er, die Augen zu öffnen. Für ihn ein heroischer Kraftakt. Stück für Stück und im Zeitlupentempo begann er die Lider zu heben.
„Mon cher mon coeur - vous devez vous lever ... Olala, mon dieu ... mein Lieber – s´il vous plait – du musst aufsteeeen.“
„O ma cherie ... noch lange niischt.“ Damit rollte er sich wieder auf den Bauch, schlug seine Vorderbeine über einander und blickte tief in Chloes Augen.
Von allmächtiger Entzückung war dort allerdings nichts mehr zu sehen.
„Chloe, ma cherie – was hast du?“ Sein Blick folgte ihren, sie drehte den Kopf in Richtung der kleinen Ablage nahe dem Eingang.
Kaltes Wasser der Erkenntnis rannen durch seinen Körper.
Mist, nur der Boss verteilte auf diese Art – Mitteilungen. Auf der kleinen Erhebung lag eine Rolle, mit braunen Bast umwickelt. Er ging in sich, was hatte er vergessen? Immer noch lag er in der gemütlichen Kuhle. Träge setzten sich seine Gedanken in Gang. Was auch dringend notwendig war, denn Chloe hatte ihn in den letzten Tagen ganz schön gefordert. Sie ist aber auch eine Sahneschnitte.
„Isch weerde jetzt gehen ... mon amour, isch glaubee, du ´ast zu tun.“ Die süße kleine französische Pudeldame streckte ihren wunderbaren schlanken Körper und dehnte jede Faser. Dann schüttelte sie sich ihr Fell zurecht und blickte ihn über die Schulter an. „Bis bald – ma cherie.“ Damit entschwand sie seinen Blicken.
Räuber atmete tief aus und kullerte sich zurück auf sein Kissen, drehte sich zurück auf seinen Rücken und streckte alle vier Pfoten von sich. Er musste unbedingt herausfinden, was er vergessen hat, um vom Boss so eine Erinnerung zu erhalten.