Dezember - Adventsgeschichte. Michaela Leicht
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Seine zwei Menschen schienen eindeutig, jeder auf seine Art und Weise, in ihren seelischen Sumpf gefangen zu sein. Vor ihm lag eine Menge Arbeit, denn ein Sumpf trockenzulegen, sich mit den Gefühlen auseinanderzusetzen, sich ihrer Macht bewusst zu werden – dafür war er da. Das war seine Aufgabe.
Jessica war eine Verleugnerin.
Bei ihr musste er sehr vorsichtig und äußerst sensibel vorgehen. Da nutzte es nichts, wenn er auf dem direkten Weg zum Ziel kommen wollte. Hier war Fingerspitzengefühl gefragt. Gleich verdrehte er wieder die Augen ... natürlich für ihn nur bildlich ... immerhin - Krallenspitzengefühl hörte sich albern an.
Mit ihr musste er, aller Wahrscheinlichkeit nach, in den unmittelbaren Kontakt treten, hieß, er musste sich materialisieren und für sie sichtbar werden. Eine wahnsinnige Anstrengung. Hoffentlich, wusste sein Boss, dass zu schätzen.
Die Zeit verrann wie im Flug, er konnte sich nicht zu lange mit Vorbereitungen aufhalten.
Bei Luke war er schon einen Schritt weiter.
Luke war ein Träumer, ein Fast-Realist. Aber halt nur fast. Für seinen Weg in die Stadt hatte er schon gesorgt. Er brauchte beide an ein und demselben Ort, um seine Aufgabe souveräne zu meistern. Und da er selbst die Stadt liebte, sah er nicht ein, den restlichen Monat auf dem Dorf zu verbringen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Er hatte Luke bei seinem Gespräch mit dem alten Mann beobachtet. Diese Ruhe, die beide ausgestrahlt haben, obwohl sie doch innerlich aufgewühlt waren, fand er wegweisend. Dieses Potential musste er für seine Mission nutzen.
Ganz dicht saß er neben Luke, las seine Gedankengänge, konnte die tiefe Verzweiflung in ihm spüren, der mit dem Erfüllen eines Wunsches haderte.
Als Luke dann seine Arbeit an dem Werkstück beendet hatte und Räuber sah, was er da geschnitzt hatte, musste er kurz schlucken.
Die kleine Figur in Lukes großen Händen ähnelte ihm bis ins kleinste Detail. So eine Verbindung zu seinem Menschen hatte er bisher noch nie.
Schleunigst verließ er den Ort, orientierte sich in der Stadt, fand die Bank, suchte die Unterlagen von Luke und knabberte genüsslich an dessen Papieren. Er konnte es sich nicht verkneifen und pinkelte mit einem leichten Grinsen in die Palme. Ja, es gab schöne Momente auf der Erde.
Wie von Geisterhand, über diesen Ausdruck lachte er immer in sich hinein, verließ er das Büro und warf schwanzwedelnd die Akten von Luke auf den Boden. Das laute Klatschen konnte die Frau hinter dem Schreibtisch nicht überhören. An der Tür drehte sich Räuber noch einmal um, nur um zu sehen, wie die Frau aufgestanden war, die Dokumente zusammenschob und ihre Nase rümpfte ... Doch – so machte arbeiten Spaß.
Jetzt aber musste er sich eine ruhige Ecke suchen, er brauchte dringend Ruhe. Morgen wird ein schwerer Tag werden.
4. Dezember – Jessica
Irgendwo in einer mittleren Großstadt in Deutschland
Genervt schaute Jessica auf die kleine schmale Uhr an ihrem Handgelenk. Wie konnte es so schwer sein, pünktlich zu sein? Ihr Date mit Sabine zum Kaffee gestern, mussten sie verschieben, denn die Obrigkeit hatte ein Extrameeting einberufen.
„Wie bearbeite ich Anfragen in der Weihnachtszeit?“ Keine Ahnung, welche Kollegin sich da wieder ein Schnitzer erlaubt hatte, auf jeden Fall wurde allen Mitarbeitern der Kopf zurechtgerückt und noch einmal dringend auf die Werte des Unternehmens aufmerksam gemacht. Blablabla... Ein ziemlich langweiliger und eintöniger Vortrag.
Leider ließ sich ihr Vorgesetzter nicht nehmen, auf die bevorstehende Weihnachtsfeier hinzuweisen, worauf Jessicas Lustlevel noch weiter sank. Zum Feierabend wurde Sabine von ihrem Freund abgeholt, somit war diese Chance vertan. Heute wollten sie das nachholen.
Noch zwei Tage.
Erstens, sie hatte immer noch keine Lust an der Veranstaltung teilzunehmen. Gar keine.
Und dann fehlte ihr immer noch dieses verflixte Geschenk für Tanja.
Wieder blickte sie auf die Uhr. Wenn Sabine sich nicht endlich beeilte, würde diese Pause ein weiteres Mal ergebnislos enden.
Noch zehn Minuten. Wo bleibt sie denn nur?
Sie saß in der Firmencafeteria am Fenster und starrte hinaus. Andere Kolleginnen vermieden es daraufhin, sich zu ihr zu setzen oder auch nur mit ihr ins Gespräch zu kommen.
Sie hatte nicht vor ihre schlechte Laune zum Abteilungsgespräch mutieren zu lassen.
Gerade wollte sie aufstehen, da sah sie Sabine mit gehetzter Miene auf sich zu eilen.
Oh man, was konnte sie denn abermals so aus der Fassung gebracht haben? Es dauerte noch etwa zehn Sekunden, da warf sie sich theatralisch auf den freien Platz ihr gegenüber.
Sabine sah heute wie eine Weihnachtsfee aus. Sie hatte ein Vintagekleid an, mit einer riesengroßen Weihnachtsapplikation bedruckt. Ihre Schultern waren mit Spitze verhüllt. Wäre Jessica etwas mehr in Weihnachtsstimmung, würde sie vor entzücken seufzen. So fand sie es ziemlich albern. Naja – Geschmackssache halt.
„Muss ich erst fragen? Oder lässt du mich an deinem Auftritt teilhaben?“
„Oh – ich glaube, an deinen Sarkasmus kann ich mich nur langsam gewöhnen!“ Sie rutschte sich auf den Stuhl zurecht und grinste über beide Ohren.
Boar bitte – wie kann man so gut gelaunt sein?
„Bevor du vor lauter Neugierde zerfließt ... Ich habe mich nach deinem Problem erkundigt!“
Jessica musste vor Schreck husten. Sie konnte so froh sein, dass sie vorher den Kaffee hinuntergeschluckt hatte.
„Mein bitte was?“
„Na du weißt schon .... Dein klitzekleines Problem!“
„Sabine! – vermagst du dir das Vorstellen, – ich habe schlechte Laune, tu mir den Gefallen und verschlechtere sie nicht noch mehr!“
„Kein Wunder das sich keiner zu dir setzen mag – hoffentlich ist deine schlechte Laune nicht ansteckend!“ Dabei grinste Sabine sie sehr frech an.
„Möchtest du es austesten?“
„Nein – bitte nicht ...“, aus der kleinen Tasche, die sie quer über die Schulter trug, nahm sie einen kleinen zusammengefalteten Zettel. Mit erhabener Geste reichte sie ihn Jessica, die ihn verwirrt anstarrte.
„Nun fass schon zu! Da stehen Vorschläge für Tanjas Wichtelpaket drauf!“
Sie war ein Schatz!
Ehrfürchtig griff sie nach dem Zettel. Ihr Blick wanderte von ihrer Hand zu Sabines Augen. Und ob sie wollte oder nicht, ein dankbares warmes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
„Huch – was war das?“ Sabine fuhr erstaunt ein Stück zurück.
„Was war was?“ Immer noch ein wenig glückselig