Monrovia Taxi. elmer weyer

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Monrovia Taxi - elmer weyer

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Ich trete an die Fahrerseite heran, und klopfe an die Scheibe. In dem Wagen scheint allerdings niemand zu sitzen. Ich schau mich um, ob jemand in der Nähe ist. Dann sehe ich im Wagen, dass die Lämpchen der Zündung brennen, und dass etwas auf dem Fahrersitz liegt. Also nehme ich meinen Mut zusammen und öffne die Fahrertür.

      Nun fährt mir der Schreck aber richtig in die Glieder, und ich mache reflexartig zwei Schritte zurück. Offensichtlich ein Mann, und er hat seine Kleider ausgezogen, sie im Wagen zurückgelassen und ist dann nackt weggegangen. Das ist merkwürdig. Seine Hosen, die Jacke, das Hemd und die Socken stecken noch in den Schuhen. Seine Uhr liegt auf dem Wagenboden und die Brille daneben. Niemand zieht sich aus, steckt die Socken in die Schuhe und verschwindet. Das ist sehr unwahrscheinlich. Aber nicht ganz ausgeschlossen.

      Das Bellen kommt näher. Ich wende mich von dem Lieferwagen ab, um dem Hund entgegen zu gehen. Es ist ein mir bekannter Golden Retriever. Eine Seele, von einem Hund. Ich wusste gar nicht, dass der so traurig bellen kann. Ich knie mich zu ihm hinunter und streichle ihn. Er fiept zuversichtlich, als würde ich ihm erklären können, wo sein Herrchen geblieben ist. Ich lege meinen Arm um seinen Hals und drücke ihn an mich: „Ich habe keine Erklärung für Dich. Ich weiß nicht was hier los ist, will es aber herausfinden. Nun geh brav nachhause.“

      Noch vor der nächsten Kreuzung, ist eine dunkle Limousine von der Straße abgekommen. Sie steht auf dem Bürgersteig und ist in diesen Maschendrahtzaun gefahren. Vermutlich leicht beschädigt, weil langsam ausgerollt. Sie hat ein Münchner Kennzeichen und ich gehe direkt zur Fahrertür. Nach einem Moment des Zögerns öffne ich sie. Frauenkleider liegen auf dem Fahrersitz und der Duft eleganten Parfums steigt aus dem Wagen empor. Ich beuge mich hinein, und schalte instinktiv die Zündung aus. Dann erst sehe ich mir alles an. Grauer Blazer, weiße Bluse, grauer Rock und darinnen die weiße Unterwäsche. Im Fußraum ein Paar dunkelblaue Pumps, in denen, wie bei dem Mann, die Strümpfe noch stecken. Nur dass es sich hier um helle Damenstrümpfe handelt, die nach dem sie ausgezogen wurde, wieder in die Schuhe gesteckt und unter den Rock geschoben wurde. Das ist doch alles Unsinn.

      Ich hebe vorsichtig die Jacke an. Da liegen auch ihre Ringe, Ohrringe, eine Uhr, eine Kette, ein Armreif, und ihre Haarspange. Alles was eine Frau so anzieht und trägt ist da. Sogar ihr Bauchnabelpiercing liegt zwischen ihren Kleidern. Eine Zahnfüllung und abgeplatzter Nagellack liegen auch herum. Ihre Bluse ist mit Schminkpuder bestäubt, und ich entdecke ein Tampax. Es ist eindeutig gebraucht, aber blitze blank sauber, wie neu. Keine Spuren. Es war offensichtlich in ihr, und ich bitte um Entschuldigung, nun liegt es hier.

      Und wegen der Konsequenz muss ich fragen, wo ist ihr Magen-, Darm- und Blaseninhalt. Die aufgenommene Nahrung, das Wasser und die Reste der Ballaststoffe. Wo sind die? Das ist irgendwie inkonsequent. Nicht zu Ende gedacht. Ich werfe die Tür wieder zu, gehe zurück auf die Straße, und schaue mich noch einmal um. Auf der anderen Straßenseite entdecke ich vier Kleiderbündel, mit Schuhen und Taschen. Sorgfältig abgestreift und der Reihenfolge nach übereinandergelegt. Schuhe unten, dann Strümpfe Unterwäsche, Hosen, Kleider, Jacken und darüber Taschen und Beutel. Als ich mich dem Ort nähere, sehe ich das Wäschebündel einer Frau, mit ihrer Umhängetasche darüber. Ein Mann trug einen Rucksack. Die Ärmel seiner Jacke stecken noch in den Schlaufen. Bilder, wie ich sie vorher nie hatte. Ich könnte sagen, es sieht so aus, als wenn die Kleider von Eisfiguren getragen würden, die getaut, verdunstet und die Stoffe schließlich getrocknet wären. Ja, so könnte es gewesen sein.

      Auf dem Weg zurück zum Wagen, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Immer wieder gucke und höre ich mich um. Aber es ist still wie auf einem Friedhof. Zuhause kein Strom, kein Wasser, am Himmel keine Kondensstreifen und das Handynetz ist tot. Und dieses saubere, aber offenbar gebrauchte Damen Hygieneprodukt, bekomme ich nicht aus dem Kopf. Dort drinnen überschlagen sich die Eindrücke und suchen nach Erklärungen, während ich die Wagentür wieder öffne.

      Sorgfältig räume ich ihre Sachen auf den Beifahrersitz, wo auch ihre Handtasche liegt, und steige in den Wagen. Ich ziehe die Tür zu, und der Duft im Wagen überfällt mich regelrecht, noch mehr als vorhin. Herrlich orientalisch- holzig, weiblich-süß, mit diskreter Note von Lederpolster, erschafft dieser Duftkomplexe eine verwirrende Sinnlichkeit in Kopf und Sonnengeflecht. Im Fußraum liegen noch ihre Schuhe. Ich greife mit der rechten Hand nach ihnen, und erwische, ohne hinzusehen beide zusammen. Es klackt leise, als sich die verhältnismäßig hohen Absätze berühren. Ich schaue sie mir zunächst von unten an, und kann die 36 auf den wenig abgelaufenen Sohlen erkennen. Drehe sie wieder um, und sehe hinein. Ich zögere noch, und will es zunächst nicht tun. Die Gedanken so verdammt schnell. Etwas sträubt sich noch in mir.

      Ich lege die Schuhe in meinem Schoß ab, und wende mich ihrer hellbraunen Tasche zu. Meine Hände zittern etwas, denn ich bin unsicher. Als ich sie offen habe, sehe ich ein rotes Portemonnaie, und ich öffne es ebenfalls. Einige Banknoten, jede Menge Zettel, Kreditkarten, Geschäftskarten, Ausweis, und ein Internationaler Presseausweis sind darinnen. Eine Journalistin, mit dem Name Famelí Biról. Wow, das klingt sehr Französisch und gut. Geboren am 18. Juni 1975 und sie ist eine attraktive Brünette, bezeugt ihr Foto im Ausweis. Famelí lebt in München. Es gibt keinen Reisepass, aber ein Smartphone. Warum das Passwort für mich kein Problem darstellt, wird später noch klar.

      Zunächst suche ich im Handschuhfach nach einem Ladekabel. Der Akku ist bei 5 Prozent. Zum Glück finde ich eins, und verbinde das Handy mit dem Zigarettenanzünder. Dann schaue ich die letzten Fotos an. Und da ist sie. Mittelgroß, schlank und attraktiver. Mit einer anderen Frau, vermutlich eine Freundin, steht sie freundschaftlich umschlungen auf dem Vorplatz der Frauenkirche in München, und ein Dritter hat beide fotografiert. Das Datum auf dem Bild deutet an, dass es vor noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden aufgenommen wurde. Ich lege das Handy in die Mittelkonsole. Es soll erst mal den Akku laden.

      Und dann fällt mein Blick herunter, auf ihre Schuhe in meinem Schoß, die sich dort etwas erwärmt hatten. Es ist eine gewaltige Verführung, das Interieur der Schuhe einer so gut duftenden und schönen Frau, so nahe unbeobachtet vor sich zu haben. Ich zögere noch. Aber so wie Antonio Salieri diesen eine Tonen beschrieb, der sich unter hunderten in einer Symphonie abhebt, und die Sinne betörend, dich deiner ganzen Sachlichkeit beraubt, so etwa ist der Blick in das innere von Famelís Schuhen. Dort, wo ihre Füße mit hochgestemmter Ferse und elegant in die Spitze eingezwängt, ihre Wärme über die Haut in Form von Schweiß, dem knappen feinen Leder übertragen. Das ist der Ort, wo dieser Ton ist, im Mittelpunkt der Wahrnehmung.

      Oh mein Gott. Die Zügel abgeworfen, die Umwelt vergessen, stecke ich plötzlich wenig zögerlich meine Nase in einen ihrer Schuhe, und ziehe vorsichtig mehr von ihrem, meine Sinne befeuernden Duft ein. Eine Phase der Stimulation überkommt mich, und ich wiederhole, immer tiefer in sie eindringend, immer tiefere Atemzüge durch die Nase zu machen. Mein Atem wärmt das Leder weiter auf, und es gibt mehr und mehr von Famelí preis. Immer näher komme ich ihr, und langsam dringe ich tiefer in sie ein. Mein Kopf schafft scheinbar klare Bild und alle Dämme drohen zu brechen. Ein Trieb wird zum Affekt, mich meiner Kleider zu endledigen, um ausgiebig in ihren, sie beschnüffelnd, zu aalen, oder sie gar verspeisen zu wollen. Stopp Brzezinski. Ganz cool bleiben. Später vielleicht.

      Ich lege also den Leerlauf ein und starte den Motor. Langsam dreht der Anlasser die Kurbelwelle, und es dauert einen Moment bis er anspringt. Tief brummt er, und kaum Vibrationen in der Karosse. Zum Glücke hatte sie die Lüftung nicht eingeschaltet. Ich schnalle mich an, und fahre das Fenster herunter. Problemlos komme ich aus dieser schrägen Parkposition heraus. Zunächst bewege ich den Wagen noch langsam nach Norden, und schalte das Radio ein. Aber es gibt keinen Sender, der etwas sendet. Naheliegend wäre es zum nächsten Polizeirevier zu fahren. Vielleicht erfahre ich ja dort etwas. Ich gebe Gas.

      Mein Gott, ist das ein schneller Wagen. Sie hatte eine Schwäche für bissige Autos, die aussehen als wären sie zahme Familienkutschen. An der großen Kreuzung, nach etwa 500 Metern, bremse ich den Wagen wieder ab, und bringe ihn zum Stehen. An einem Freitagvormittag ist nirgends eine Menschenseele auf der Straße zu sehen. Was ist passiert. Vielleicht ist das

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