Drei Wünsche. Ted McRied
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»Ich zahle es dir so bald wie möglich zurück.«
»Kein Stress, wir können es Stück für Stück verrechnen. Sehen wir uns am Wochenende?«
Anique nickt. »Am Samstag. Hat sich schon jemand angemeldet?«
»Momentchen, ich schaue nach …«
Die Glocke an der Rezeption schrillt dreimal hintereinander und lässt Anique zusammenfahren. Kurz bevor dieser Dreckskerl zum Ende gekommen ist, hat es ebenfalls derart penetrant geklingelt. Natürlich hatte sie diesen Ton schon unzählige Male zuvor gehört, aber in diesem Augenblick war es anders. Grell und schmerzhaft brannte er sich in ihr Gedächtnis – die rettende Gesellschaft anderer Menschen war so nah und doch Lichtjahre von ihr entfernt.
Unverrichteter Dinge schlägt Victoria das Buch wieder zu, in dem sie die Anmeldungen notiert, und geht nach vorn.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Das will ich hoffen.«
Vier Worte reichen aus. Unter Tausenden würde Anique diese Stimme wiedererkennen. Ihr Herz stolpert, ihre Beine geben nach und zwingen sie auf die nächstbeste Sitzgelegenheit.
Ein Schlüsselbund landet geräuschvoll auf dem Tresen. »Ich fürchte, bei meinem letzten Besuch habe ich mein Zigarettenetui verloren. Bestimmt ist es mir aus dem Jackett gerutscht.«
»Bei wem waren Sie zu Gast?«
»Bei Anique. Ein reizendes Mädchen.«
»Anique? Das trifft sich gut. Warten Sie bitte, ich bin gleich zurück.« Victoria geht ins Hinterzimmer und stockt. Ein Blick in die Augen ihrer Mitarbeiterin genügt. Zusammengekauert sitzt sie auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch, als warte sie dort auf den unausweichlichen Gang zum Schafott.
Victoria kehrt zum Empfang zurück. »Tut mir leid, in unserer Fundkiste kann ich es nicht finden. Aber ich werde mich gerne für Sie umhören. Möchten Sie Ihre Nummer hinterlassen?«
Der Mann schüttelt den Kopf. »Das ist nicht nötig. Ich schaue bei Gelegenheit wieder vorbei.«
Victoria wartet, bis er das Haus verlassen hat. Im Hinterzimmer schließt sie die Tür und nimmt ebenfalls auf einem der Stühle Platz. »Was hat er mit dir gemacht?«
Anique schluckt. »Du darfst ihn nicht mehr reinlassen«, flüstert sie.
»Warum?«
»Er … er ist gefährlich.«
»Inwiefern?«
»Bitte frag nicht weiter.« Eine Träne löst sich aus Aniques Wimpern und rollte ihre zarte Wange hinunter.
»Was auch immer er dir angetan hat, ich hätte keine Sekunde gezögert, ihm die Polizei auf den Hals zu hetzen. Warum hast du nichts gesagt?«
»Die Polizei würde dir Ärger machen. Dein Geschäft ist nur geduldet, nicht akzeptiert.«
Victoria zieht ein Taschentuch aus einer Box und reicht es Anique. »Das ist zweitrangig, wenn es um die Sicherheit meiner Mädchen geht!«
»Ja, ich weiß.« Aniques Lippen pressen sich zu einem schmalen Strich zusammen.
»Was ist dann der Grund gewesen?«
»Ich … ich weiß nicht …«, sagt sie. Doch sie kennt die Antwort besser als ihr lieb ist: Angst. Angst vor dem, was er ihr und ihrer Tochter angedroht hat, wenn sie mit irgendjemandem über ihr Schäferstündchen reden sollte.
Victoria seufzt. »Er kommt auf unsere schwarze Liste. Weißt du, wer er ist?«
»Nein. Ich sollte ihn Joe nennen, aber das ist sicher nicht sein richtiger Name. Er trug einen Ehering. Sein Schlüsselanhänger hatte die Form eines Motorrads und ein eingraviertes »B« auf der Vorderseite. Darauf würde er bestimmt nicht den Anfangsbuchstaben einer Frau verewigen, sondern eher seinen eigenen. Außerdem nennen sich alle Kerle Jim, John oder Joe, die ihren echten Namen nicht verraten wollen.«
»Wir können ihn immer noch anzeigen, wenn er wieder auftaucht.«
Aniques Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel daran aufkommen, was sie von diesem Vorschlag hält.
»Ich sehe schon, das willst du nicht.« Victoria legt ihr den Arm um die Schulter. »Aber denk wenigstens drüber nach, okay?«
Anique deutet ein Nicken an. »Das mache ich. Versprochen.«
3
Die Nacht ist unruhig. Wirre Bilder jagen durch Olivias Träume und lassen keine wirkliche Entspannung aufkommen. Um sechs Uhr früh gibt sie den Kampf gegen die Schlaflosigkeit schließlich auf und schleppt sich ins Bad. Tief übers Waschbecken gebeugt, schaufelt sie sich literweise kaltes Wasser ins Gesicht. Allmählich wird ihr Blick klarer und fällt auf die roten Punkte, die ihre Unterarme übersäen. Der Ausschlag ist schlimmer geworden. Wofür werden diese verdammten Hautärzte eigentlich bezahlt? Mit dem Zeigefinger fährt sie seitlich über ihren Hals. Die Druckstellen auf ihrer Kehle sind immer noch sichtbar und stören das Gesamtbild nicht weniger empfindlich. Olivia nimmt eine langärmelige Bluse vom Kleiderbügel, legt den dünnen Schal vom Vortag wieder um und schlüpft in einen ihrer zahlreichen engen Röcke. Prüfend betrachtet sie sich im Spiegel, der den Großteil der Wandfläche neben dem Fenster einnimmt. Der Anblick könnte schlimmer sein, auch wenn es definitiv schon bessere Starts in den Morgen gegeben hat. Sie geht in die Küche, doch auch der Kühlschrank bietet keinen Anlass zur Freude: Außer einem Rest Toastbrot und Marmelade hat er nichts im Angebot. Das muss für heute reichen. Olivia nimmt einen Teller aus dem Regal. Wer den Inhalt ihrer Hängeschränke näher betrachtet, könnte auf die Idee kommen, in diesem Haushalt seien gesellige Abende mit Freunden an der Tagesordnung. Ordentlich übereinandergestapelt stehen dort edle Geschirrsets, bauchige Kristallgläser, Karaffen und Dessertschalen in beeindruckender Anzahl – unbenutzt. Wofür Olivia dieses unnütze Zeug jemals angeschafft hat, weiß sie selbst nicht mehr.
Die Post vom Vortag liegt ungeöffnet auf dem Esstisch. Sie stellt den Teller ab und schiebt die Umschläge lustlos auseinander. Zwischen Rechnungen und Werbung kommt die unverkennbar ausdrucksstarke Handschrift ihrer Schwester zum Vorschein – schon auf dem Kuvert wirkt jeder Buchstabe wie ein Bekehrungsversuch. Olivia zieht ihn mit der Spitze ihres Zeigefingers über die Tischplatte zu sich heran und betrachtet das Papier, als wäre es ein giftiges Insekt. Beinahe erliegt sie der Versuchung, den Brief ungelesen zu entsorgen, denn jeder Gedanke an Liz ruft Flashbacks in ihr hervor, auf die sie gut verzichten kann. Ihre Bitten um Rückruf hat Olivia in den letzten Wochen erfolgreich ignoriert, da ist eine schriftliche Kontaktaufnahme wohl die logische Konsequenz gewesen. Sie kann einfach keine Ruhe geben. Olivias Interesse an einer Auseinandersetzung mit ihrer Schwester tendiert gegen Null und nicht zum ersten Mal fragt sie sich, wie aus demselben Genpool zwei derart unterschiedliche Charaktere entstehen konnten. Nachdem Liz vor Jahren diesen nichtsnutzigen Holländer geheiratet hatte, sind ihre Anrufe seltener geworden, aber nie ganz versiegt. Nach der Scheidung stürzte sie sich dann in diese Hilfsorganisation – weiß der Teufel, was sie damit beweisen wollte. Zumindest hatte das kurze Intermezzo mit Jesse den Vorteil, dass sie ihren Nachnamen wechseln konnte. Elizabeth van Beek klingt zwar nicht besser als Elizabeth Davis, aber wenigstens