Die schlechtesten Geschöpfe. Lechyd Zdravi
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Es war, als wäre ich nach Hause gekommen.
Im Koran habe ich zuerst nur geblättert. Er ist etwas schwer zu lesen, aber wenn man sich darauf konzentriert, geht es schon. Und man kann online nach bestimmten Suren suchen. Auch die Ahadithe findet man im Internet. Ich war sehr überrascht, wie komplex diese Religion ist. Mit fünfmal Beten am Tag und auf Schweinefleisch verzichten ist es nicht getan. Jeder Aspekt des Lebens ist geregelt. Die Suche nach einem Sinn im Leben entfällt sofort. Auch die Frage »mache ich dieses und jenes richtig oder nicht?«, wird beantwortet. Es war eine Erleichterung. Dieser Glaube hat so etwas reines, Sinnvolles. Man lebt so, wie Gott es will. Endlich tut man das Richtige und konzentriert sich mindestens fünfmal am Tag auf Gott. Und man gehört zu einer enorm großen Gemeinschaft. Es ist ein tiefes Gefühl von Frieden und Zugehörigkeit. Man zählt als Mensch, nicht mehr nur als jemand, der die tollsten Klamotten trägt, am besten aussieht oder die meisten Biere trinkt. Mir dröhnte erst der Kopf, weil ich so vieles falsch gemacht hatte, aber durch die Konversion ist man wie neu geboren. Alle Sünden sind vergeben. Ich gehöre jetzt zu denen, die sehen können. Metin hat mir so vieles erklärt … unsere Welt ist eine einzige Lüge, in der die Menschen sich von Propaganda und schlechten Filmen einschläfern lassen. Er zeigte mir solche Filme und Fernsehserien. Ich kannte einiges davon, aber mir war nicht klar, welchen Sinn sie erfüllen.
„Sieh, was dir da vorgelebt wird. Ehen und Beziehungen sollen sofort beendet werden, wenn es Schwierigkeiten gibt, Kinder erleiden seelischen Schaden, weil ihre Eltern getrennt sind. Sex wird wie eine Wegwerfsache behandelt, du zählst nur noch, wenn du mit möglichst vielen Leuten im Bett warst. Treue, Moral und Glaube gelten als uncool, altbacken, unmodern und werden belächelt oder ausgelacht. Die Familie wird gezielt zerstört, somit die Gesellschaft auch. Die Stabilität ist fort. Bald gibt es nur noch Individualisten, die ganz für sich leben und leichter zu steuern sind. Was ist ein Mensch ohne Familienverband? Schwach und einsam, lenkbar, ohne jede Unterstützung. Dort will der gottlose Staat ansetzen. Ein isolierter Mensch ohne Moral und Werte ist nichts weiter als ein Sklave seiner Regierung. Da Allah dich zu uns gebracht hat, ist all das für dich nun vorbei.“
Ich hatte endlich etwas gefunden, das größer ist als ich, umfassender. Ich kann mich endlich fallenlassen.
Metin hat das auch gesagt.
»Du suchst? Du hast gefunden, Bruder«, sagte er und umarmte mich.
Murat enttäuscht mich. Gerade er sollte es verstehen. Aber er denkt, ich sehe das alles viel zu eng. Er labert sogar was von Übersetzungsfehlern. Taqquiya will er ausgerechnet bei mir anwenden? Die Botschaft ist doch klar! Wer sich weigert, sie zu lesen, weigert sich, Gottes Gebote anzuerkennen. Unsere Lebensweise ist so falsch ... Gott versteht das, wenn es ihn gibt, hat meine Mutter doch eben tatsächlich gesagt, als ich sie auf ihr Leben angesprochen habe. Dieses Leben ohne Ehemann, Sex mit Fremden, dieses sich zeigen. Sie scheint es toll zu finden, wenn Wildfremde ihren Busen sehen können. Abscheulich! Ist eine Frau nicht mehr als ihr Körper? Der Platz einer Frau ist im Haus, bei den Kindern. Wer außer ihrem Mann sollte ihren Körper sehen dürfen? Jedes Mal, wenn meine Mutter im Minirock und knappen Oberteil auf die Straße geht, stempelt sie sich zur Schlampe und mich zum Schlappschwanz, weil ich sie nicht davon abhalte ...
Susanne, 31.10. 2016
Susanne, 31.10.2016
Susanne Peinig starrte ihren Mann entgeistert an. Das muss ein Traum sein, dachte sie wie betäubt. Ein sehr realistischer Albtraum. Mathias ist doch gar nicht so einer. Und erst gestern hatte er noch mit ihr geschlafen.
„Jetzt? Du sagst mir das jetzt? Zehn Minuten, bevor wir zu einer Halloween Party gehen, und ich in einem schwarzen Kleid, roter Perücke und albernem Hexenhut hier sitze und mir die Schuhe anziehe?“
Mathias befeuchtete nervös seine Lippen und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Schweißperlen standen ihm auf der grünen Stirn mit den aufgemalten schwarzen Strichen, die Nähte darstellen sollten, denn er ging als Frankensteins Monster. Susanne hatte ihm eigens für die Party einen alten Anzug ihres Vaters besorgt, der die gleiche Figur besaß, aber etwas kleiner war als sein Schwiegersohn. Wie im Film waren Ärmel und Hosenaufschläge zu kurz. Das perfekte Kostüm für den perfekten Ehemann – nun erzählte er ihr, dass er sich in seine Arbeitskollegin verliebt habe und sie, Susanne, verlassen wollte.
„Es war ja keine Absicht, dass das passiert ist. Und da es zwischen uns nicht mehr läuft …“
„Da gehören immer zwei zu. Na klar läuft es zwischen uns nicht mehr so wie am Anfang. Immerhin sind wir schon elf Jahre zusammen. Und hör mir mit Absicht auf! Entweder man lässt so etwas zu, oder eben nicht. Du hast es zugelassen. Man verliebt sich nicht einfach in jemandem, nur weil man ihm oder ihr über den Weg läuft. Da muss es eine Entwicklung geben. Man passt den anderen ab, labert ihn immer wieder an, spricht über Dinge, die über die Arbeit hinausgehen. Da steckt auf jeden Fall eine Absicht dahinter!“ Sie stand vom Bett auf und starrte ihren Mann an. Es konnte einfach nicht wahr sein. Ihr Herz hämmerte.
„Ich wollte mich aber nicht verlieben! Und Katrin auch nicht!“
„Katrin? Hatte die nicht was mit eurem Chef?“
„Das war nur ein Gerücht. Da ist nichts dran.“
„Sagt wer, Katrin?“, höhnte Susanne. „Kann mir ja auch egal sein, wenn du für die Betriebsmatratze unsere Ehe das Klo runterspülst!“
„So darfst du über Katrin nicht reden, sie kann am wenigsten dafür!“
„Wenn sie dafür nichts kann, dann warst du die treibende Kraft, du Arsch!“, schrie Susanne. Zitternd sank sie auf das Bett und fuhr wie von der Tarantel gestochen wieder hoch. Dieses Bett … ihr gemeinsames Bett!
„Gestern noch hast du mit mir geschlafen!“, schleuderte sie Mathias entgegen. „Darf ich fragen, wieso?“
„Das war … naja, wie ein Überprüfen meiner Gefühle für dich. Oder alte Gewohnheit, keine Ahnung ...!“
„Was?!“
„Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht mehr lieben würde“, stammelte Mathias hilflos. „Aber ich liebe Katrin mehr …“
Susanne konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie brach in bitteres Gelächter aus.
„Das gibt’s doch nicht … Jetzt weiß ich wenigstens, wieso du mich immer so merkwürdig angesehen hast. Schuldgefühle waren das. Und ich Idiot dachte, dass du und ich uns wieder mehr annähern und du mich ansiehst, weil du mich endlich wieder wahrnimmst. Statt wie üblich deine Nase nur noch in dein Tablet oder Smartphone zu stecken. Und ich hatte mich so gefreut, dass das bedeutet, dass unser Kind in einer intakten Familie groß werden wird.“
Mathias