Schön, dich gesehen zu haben. Robin Lang

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Schön, dich gesehen zu haben - Robin Lang Hier und Jetzt

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musste lachen. Ehrlich und gradlinig wie immer.

      „Dein Vater hat mir erzählt, dass du heiraten willst?“, eröffnete ich das Gespräch beim ersten Glas Wein.

      „Ich dachte mir, dass er damit zu dir kommt. So wenig ich nachvollziehen kann, was du mit meinem Dad willst – du bist auf jeden Fall gut für ihn. Er traut sich ja kaum, mir in die Augen zu sehen, seit wir es ihm gesagt haben.“

      „Er macht sich Sorgen um dich, du bist alles, was er noch hat. Deine Mutter war seine große Liebe, er liebt sie immer noch …“

      „Ist das der Grund, warum du mit ihm zusammen bist? Weil er dich nicht nah an sich heranlässt und deine Gefühle sicher sind?“

      Wow – studierte das Mädchen Psychologie?

      „Es geht hier nicht um deinen Vater und mich, es geht um dich und deinen Verlobten!“

      „Zuerst einmal kannst du meinen Vater beruhigen – ich bin nicht schwanger. Und ich liebe Juri und nein, er gehört nicht zur Russenmafia, um gleich noch eine Frage meines Dads zu beantworten.“

      „Das hat er nicht gesagt!“

      „Nein, aber er denkt es. Er ist so voller Vorurteile und sieht nur den Namen, die Tattoos und die langen Haare, er sieht nicht, dass Juri der netteste, klügste und einfühlsamste Mensch ist, den ich jemals kennengelernt habe.“

      Ihre Augen leuchteten förmlich, als sie von ihm sprach. Ich konnte wirklich nichts Schlimmes an ihrer Geschichte finden.

      „Wenn du magst, dann kannst du ihn auch kennenlernen und meinen Vater überzeugen, dass an ihm nichts auszusetzen ist. Er hat mich vorhin hier abgesetzt und will mich nachher abholen, ich kann ihn anrufen, damit er früher kommt, wenn du magst. Er ist bei Freunden und wartet. Er ist echt nett, glaub mir!“

      Sie sah mich so bittend an, als würde sie sich nichts sehnlicher wünschen, als dass ich ihren Juri kennenlernen wollte und ihr dann meinen Segen gäbe. Uns trennten vielleicht nur 15 Jahre, aber manchmal hatte ich schon das Gefühl, dass sie in mir so eine Art Mutterfigur sah. Thomas' Frau war nach langer Krankheit gestorben, so dass Leonie im Grunde keine echte Mutter mehr gehabt hatte seit sie 17 Jahre alt war. Meistens war unser Verhältnis freundschaftlich geprägt, aber in Situationen wie diesen kippte es schon mal eher in eine Mutter-Tochter-Beziehung.

      Ich lachte und schenkte uns beiden nach.

      „Sag ihm Bescheid, dann kann ich ihn mir ansehen!“

      Sie nahm ihr Handy zur Hand, schaltete es an – eine Geste, die ich sehr begrüßte, also die Tatsache, dass das Ding vorher ausgeschaltet war - und überraschte mich. Normalerweise hätte ich eine schnell getippte Nachricht erwartet, aber sie rief ihn tatsächlich an. Und dann passierte gleich noch etwas, was mich überraschte: die sonst so taffe und verkopfte Leonie wurde am Telefon ganz anders, sie fing an zu säuseln, redete mit einer Stimme, die ich bei ihr nur selten gehört hatte. Eigentlich nur, wenn sie mit meiner Tochter zusammen war.

      Während sie mit ihrem Freund redete, ging mir das komplexe Beziehungsgeflecht unserer Familien durch den Kopf. Denn Leonie hatte tatsächlich in den letzten Wochen und Monaten auch eine Freundschaft zu Vicci und Paul aufgebaut – sogar mehr und enger als Thomas selber. Ich war für sie Mutter, große Schwester und Freundin geworden. Und wenn ich geahnt hätte, was noch alles passieren würde, dann hätte ich an dieser Stelle wohl laut aufgelacht – manchmal ist es ganz gut, dass man nicht in die Zukunft sehen kann …

      „Juri kommt gleich, er war bei einem Bandkollegen. Er spielt nämlich auch noch Gitarre“, sie bekam wieder diesen verklärten Blick, „und hat gerade die Zeit genutzt, seinen Schlagzeuger zu besuchen!“

      Nun war ich noch neugieriger auf dieses Prachtexemplar.

      Nett, klug, einfühlsam, Musiker, lange Haare, Tattoos …, das war auch mal mein Idealbild eines Mannes gewesen. Wenn ich das aber mit Peter oder Thomas verglich, dann war ich wohl doch eher in Richtung „Langweiler“ und „Sicherheit“ geschwenkt. Nett und klug war Thomas auch, einfühlsam, na ja, es ging so, und die anderen Attribute passten auch nicht wirklich. Und bei Peter passte im Nachhinein gar keins davon mehr!

      Meine Gedanken wurden von der Klingel unterbrochen. Leonie sprang direkt auf und ging zur Tür, um Juri zu öffnen.

      Wenige Augenblicke später standen die beiden händchenhaltend in meinem Wohnzimmer. Sie waren so mit sich beschäftigt, dass ich ein wenig Zeit hatte, mir den Mann etwas genauer zu betrachten. Er war etwas größer als Leonie, nicht wirklich muskelbepackt, aber durchtrainiert, ein entspanntes, offenes Lächeln, durch und durch sympathisch.

      Er kam auf mich zu und streckte mir zur Begrüßung die Hand entgegen. „Hi, ich bin Juri, Leonie hat mir schon viel von … Ihnen …“, er schien sich nicht ganz sicher zu sein, was die richtige Anrede für mich war. Einerseits war ich nur gut zehn Jahre älter als er, andererseits war ich die Freundin seines potentiellen Schwiegervaters – und Thomas hatte ihm mit Sicherheit nicht das „du“ angeboten.

      „'Du' ist völlig okay, ich bin Eva.“

      „Gut, also, Leonie hat mir schon viel von dir erzählt, sie hält große Stücke auf dich! Wir hoffen, dass du bei ihrem Vater ein gutes Wort für mich einlegen kannst. Ich glaube, er hat Angst, dass ich seiner kleinen Tochter weh tue. Dabei ist es einfach so, dass ich mir mein Leben gar nicht mehr ohne sie vorstellen will.“

      Mein Mutterherz (und auch mein Frauenherz) schlug höher bei solchen Worten. Konnte man eine schönere Liebeserklärung machen? Aber ich hatte eine Aufgabe – ich sollte ihm ein bisschen auf den Zahn fühlen.

      „Magst du erstmal etwas trinken? Vielleicht auch ein Glas Wein?“

      „Lieber nur ein Wasser, keinen Alkohol, wenn ich fahren muss …, nein, das ist kein Spruch, um dich zu beeindrucken. Ich habe nach dem Abi ein freiwilliges soziales Jahr gemacht, da war ich in einer Klinik für Alkoholkranke. Ich habe in diesen zwölf Monaten mehr Schicksale gesehen, als mir lieb war. Da war für mich klar, dass ich niemals trinken und fahren würde.“

      Damit hatte er schon mal bei mir gepunktet.

      Also holte ich ihm ein Wasser und wir unterhielten uns.

      Ich wusste, dass Thomas vor allem drei Dinge interessierten und ich wusste ehrlich gesagt nicht, wie ich diese Fragen geschickt verpacken konnte.

      „Juri, hör zu, ich persönlich finde diese ganze Situation hier ziemlich seltsam und du kannst jeden fragen, vor allem meinen Exmann – ich bin nicht gut darin, wahnsinnig subtil oder diplomatisch Menschen auszuhorchen. Deshalb stelle ich dir drei Fragen, von denen ich weiß, dass sie Thomas interessieren und es wäre toll, wenn du sie mir einfach beantworten könntest, damit wir alle dann zum angenehmen Teil des Abends übergehen könnten. Dich, Leonie, würde ich bitten, dein Temperament für diese Zeit unter Kontrolle zu bringen und weder mich noch deinen Vater zu verfluchen oder zu töten. Wenn ich dich daran erinnern darf, dann war es auch deine Idee, dass ich mit Juri rede, um deinen Vater zu beruhigen!“

      „Ja, aber …“, fing sie direkt an zu protestieren.

      Juri legte beruhigend seinen Arm um sie und küsste sie auf die Schläfe - er war kein wirklich schöner Mann, aber mit seiner Ruhe und Ausstrahlung machte er weiteren Boden gut bei mir.

      „Leonie, Schatz, sie hat recht, wenn wir wollen, dass sie mit deinem Vater redet,

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