Schön, dich gesehen zu haben. Robin Lang

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Schön, dich gesehen zu haben - Robin Lang Hier und Jetzt

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los – du wirkst älter als Leonie, wieso studierst du noch?“

      „Das ist leicht – ich habe mein Abi auf einer Gesamtschule gemacht, da hatten wir dreizehn Jahre bis zum Abi, dazu eine Ehrenrunde, ein freiwilliges soziales Jahr und dann noch ein Jahr intensiven ukrainischen Sprachkurs bei meiner Verwandtschaft in Odessa. Ich dachte, wenn ich die Möglichkeit habe, hier in Deutschland Medizin zu studieren, dann ist die Kenntnis einer weiteren Sprache neben Deutsch und Englisch sicher nicht verkehrt!“

      „Gut, damit wären wir bei der zweiten Frage, die schließt sich hier direkt an - erzähl mir etwas über deine Familie.“

      Ich sah, wie Leonie ansetzte zu protestieren und Juri sie einfach nur fester in den Arm nahm.

      „Mein Vater ist Deutscher, er hat Ende der 80er als Ingenieur in Odessa gearbeitet und sich dort in meine Mutter verliebt. Sie war Krankenschwester und folgte ihm nach Deutschland. Die beiden sind seit 30 Jahren verheiratet, leben in der Nähe von Heidelberg und ich habe vier Geschwister, alle jünger als ich. Meine kleinste Schwester ist tatsächlich im Alter deiner Tochter.“

      „Okay, letzte Frage, versprochen – erzähl mir was über deine Tattoos.“

      „Wie soll ich das beantworten? Was willst du wissen?“

      „Ich kenne Thomas ein bisschen. Eine seiner Ängste ist, dass Leonie sich auch tätowieren lässt und du der Grund dafür …“

      Oh oh, die Blicke, die die beiden austauschten, ließen darauf schließen, dass ich mit dieser Frage wohl zu spät kam.

      „Wo und wie groß?“, wollte ich dann wissen.

      Leonie hatte den Anstand, ein bisschen rot zu werden.

      „Am linken, inneren Oberarm – keine fünf Zentimeter.“

      „Darf ich es sehen?“ Zugegeben, das war die reine Neugier, die aus mir sprach!

      Sie zog sich wortlos ihr Shirt über den Kopf und ließ mich ihr Tattoo begutachten. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass auch Juri seinen Pulli auszog – okaaaayyyyy, das mit dem „nicht muskelbepackt“ nahm ich zurück, denn der Oberkörper schien nur aus Muskeln zu bestehen!

      Er zwinkerte mir zu und zeigte mir seinerseits seinen rechten, inneren Oberarm.

      Bei beiden sah man an der jeweils identischen Stelle einen Äskulapstab tätowiert, wobei Juris Schlangenende in einem geschwungenen „L“ und Leonies in einem „J“ endete.

      Ich musste schlucken, diese Geste, dieses Symbol dieser beiden jungen Menschen beeindruckte mich. So etwas hatte nie jemand für mich oder mit mir gemacht. Es war süß, unschuldig, kein Wink mit dem Zaunpfahl, keine extreme Demonstration und doch – für Eingeweihte – ein klares Bekenntnis zu ihrer Profession und Liebe zueinander. Ich war eigentlich nicht besonders nah am Wasser gebaut, aber diese Aktion der beiden trieb mir die Tränen in die Augen.

      Ich fuhr über Leonies Tattoo – bei Juri traute ich mich das nicht - und flüsterte: „Die sind wunderschön!“ Ich konnte nicht so genau sagen, ob ich die Tattoos oder die Gesten dahinter meinte.

      Leonie nahm mich in den Arm.

      „Die hat Juris Bandkollege Sascha entworfen und einer seiner Chefs hat sie gestochen. David ist einer der besten Tätowierer, hat man mir gesagt und ihr Studio „Mr. Van T.“ eines der angesagtesten hier in der Gegend. Falls du auch mal eins willst, dann können wir dir bestimmt einen Termin und einen guten Preis besorgen!“

      Ja klar, ich mit Tattoo – dazu war ich zu alt und mein Leben zu spießig!

      Um die - in meinen Augen – zu ernst gewordene Stimmung zu lockern, setzte ich meinen besten „Mutterton“ auf.

      „So, Kinder, zieht euch mal lieber wieder an, bevor ihr euch noch erkältet. Deinem Vater erzählen wir von dem Partnertattoo erstmal nichts. Und dann werf ich euch jetzt raus, ich alte Frau brauche meinen Schlaf, sonst komme ich morgen nicht aus dem Bett!“

      Ich brachte die beiden zur Tür. Dort schafften sie es tatsächlich noch mal, mich fast zum Weinen zu bringen.

      Denn zuerst nahm mich Leonie in den Arm, drückte mich an sich und flüsterte: „Danke, du weißt gar nicht, wie viel mir deine Freundschaft und dein Urteil bedeuten!“ Als nächstes fand ich mich dann auch in Juris Armen wieder und auch der hatte eine kleine Botschaft für mich: „Danke, ich glaube nicht, dass du weißt, was du ihr bedeutest!“

      Ich hoffte so sehr für die beiden, dass der Alltag sie nicht allzu schnell einholen würde und dass sie sich ihre Liebe und Sicht aufeinander noch lange, lange erhalten würden!

      Ich hatte zwar den beiden gegenüber behauptet, dass ich ins Bett müsste, aber an Schlaf war im Grunde nicht wirklich zu denken.

      Der Abend mit den beiden hatte mir jede Menge Stoff zum Grübeln beschafft. Sie waren so verliebt, so voller Träume und Hoffnungen, Ideale und Pläne. Und ich? Wann hatte ich all meine Pläne und Ziele aus den Augen verloren? Als junges Mädchen hatte ich von der großen Liebe geträumt und ich hatte auch gedacht, dass ich sie mit Peter gefunden hätte, aber das Leben hatte mich eines Besseren belehrt und dann hatte ich das Streben danach einfach aufgegeben.

      Ich wusste, dass ich Thomas nicht liebte, zumindest nicht tief.

      Ich wusste, dass er mich nicht liebte, zumindest nicht tief.

      Ich wusste, dass ich ein ernstes Wort mit Peter reden musste wegen der Besuchsregelung der Kindern.

      Ich wusste, dass ich zu jung war, um mein Leben nicht in vollen Zügen zu genießen.

      Ich wusste, dass ich mehr für mich selber tun musste.

      Ich wusste, …

      - Eva -

      September 2016

      Ich hatte mir ein paar Tage und Nächte um die Ohren gehauen mit diesen Gedanken über Veränderung, über mein Leben, über meine Ansprüche an mich selber und dann kam der Alltag zurück und damit auch die Angst und das Bedürfnis nach Stabilität.

      Die Kinder waren aus den Ferien mit Oma und Opa wiedergekommen.

      Sie mussten vor der Arbeit zu den Ferienspielen gebracht und hinterher wieder abgeholt werden.

      Die Hefte und Bücher für das kommende Schuljahr mussten besorgt werden.

      Die neuen Kinder im Kindergarten mussten eingewöhnt werden.

      Die Kleinkriege mit Peter mussten ausgestanden werden.

      Die Wäsche musste erledigt werden.

      Die Einkäufe mussten erledigt werden.

      Die letzte Ferienwoche musste organisiert werden.

      Und eh ich es gemerkt hatte, war ein ganzer Monat im alten Trott vergangen und das Gespräch, die Gedanken, die Gefühle waren in Vergessenheit geraten. Die guten Vorsätze, etwas zu ändern, waren dem üblichen Fatalismus gewichen.

      Eigentlich

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