Ehre, wem Ehre gebührt. Charlie Meyer

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Ehre, wem Ehre gebührt - Charlie Meyer

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habe ihn auf die Weide gebracht und dann das Tor gleich verschlossen. Ich hoffe nur, dieses Schwein von Pferdeschlitzer ist heute Nacht nicht unterwegs, aber unten diesen Umständen konnte ich ihn schlecht im Stall ...«

      »Willst du damit sagen, dieses ... dieses Biest ist immer noch hier?« Bonnie traute ihren Ohren kaum. Sie sprang mit einem Satz vom Kanapee und ging ein paar schnelle Schritte auf Leonard zu. »Schaff es auf der Stelle weg, Leonard!« Ihre Stimme steigerte sich zur Hysterie. »Ruf den Abdecker an oder schnapp dir, verdammt noch mal, das nächste Gewehr und knall es ab. Das Vieh hat Quentin getötet! Meinen Mann!« Tränen rannen ihr über die Wangen.

      Leonard blickte ihr unbehaglich entgegen und suchte mit einem fragenden Seitenblick bei seiner Großtante um Unterstützung.

      »Reiß dich zusammen, Bonita. Ein Tier tötet nicht mit Vorsatz. Ich werde mitnichten zulassen, dass Brutus für etwas bestraft wird, was allein dein Mann verbockt hat. Kannst du mir einen vernünftigen Grund nennen, was er in der Box eines Ponys zu suchen hatte, das ihn auf den Tod nicht leiden mochte?« Mit hochgereckter Nase stellte sich die Gräfin vor Bonnie auf. Sie reichte ihr gerade mal bis zum Kinn.

      »Das spielt doch keine Rolle. Er ...«

      »Es spielt keine Rolle?«, höhnte die alte Frau. »Dein Mann geht zu einem Pony in den Stall, von dem er genau weiß, dass es ihm mit Sicherheit die Pest an den Hals wünscht. Dann, als ob dieser Beweis seiner Trotteligkeit noch nicht ausreicht, lässt er sich - ganz offenbar ohne Widerstand - von demselben Pony den Schädel zertrümmern. Dabei macht er dich nach nur zweimonatiger Ehe zur Witwe, und Gut Lieberthal verliert seinen Gutsherren. Für nichts und wieder nichts. Sieh den Tatsachen ins Auge. Brutus ist kein Mörder. Wenn überhaupt von Mord die Rede ist, dann wohl nur in Form eines Selbstmordes aus Dummheit. Alles, was du im Augenblick möchtest, mein liebes Kind, ist Rache. Auge um Auge und Zahn um Zahn wie im Alten Testament, nicht wahr? - Das Pony bleibt - und damit Punktum.« Sie zögerte einen Moment und biss sich auf die Lippe. »Die letzte Entscheidung trifft selbstverständlich der Erbe von Gut Lieberthal. Quentins Nachfolger als Gutsherr. Leonard, was geschieht mit Brutus?«

      »Er bleibt selbstverständlich. Es ist dein Pony, Großtante Mina. Ein Teil der Familie, gewissermaßen.« Es blitzte triumphierend in seinen Augen. Seine Schultern strafften sich, und er wandte sich Bonnie zu. »Brutus hat Quentin auch gar nicht grundlos angegriffen. Er ist schließlich nicht tollwütig oder so. Aber als ich ihn vorhin trocken rubbelte, hat der Racker plötzlich die Ohren angelegt und sogar nach mir ausgeschlagen. Nach mir, wohlgemerkt. Dabei striegele und füttere ich ihn schon seit zwanzig Jahren. Um ein Haar hätte er mich erwischt. Ich konnte gerade noch zur Seite springen. Hey, dachte ich, jetzt hat’s ihn doch erwischt. Das Viech ist durchgeknallt. Aber als ich mich vorsichtig wieder anpirsche, um das olle Handtuch aufzuheben, das er mir aus der Hand getreten hatte, da sehe ich doch diesen dicken Dorn in seiner Kruppe stecken. Einen Mordsdorn und ganz schön tief im Fleisch. An Brutus‘ Stelle hätte ich auch einen Rappel bekommen. Dieser Dorn hier, sehr ihr?« Er hielt etwas in die Höhe, was Bonnie durch ihren Tränenschleier nicht erkennen konnte. »Schätze mal, Brutus hat sich in der Streu gewälzt und den Dorn dabei eingefangen. Obgleich ...« Er blickte den Dorn zwischen seinen Fingern stirnrunzelnd an, doch dann hellte sich sein Gesicht wieder auf. Ihm war offenbar ein neuer aufmunternder Gedanke gekommen. »Übrigens weiß ich jetzt auch, warum mein Cousin so dämlich war, sich in die Box zu wagen.«

      »Nun?« Die Gräfin schnalzte unwillig mit der Zunge. »Nimm dir ein Taschentuch und hör auf zu schnüffeln, Bonita. So etwas gehört sich nicht.«

      »Ich hab‘ im Stroh die hier gefunden.« Er ließ eine goldene Taschenuhr an goldener Kette zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln. »Das viel gepriesene Erbstück der Storkenburgs. Seit Karl dem Großen von Generation zu Generation weitervererbt.« Seine Stimme klang beleidigt. Er war offenbar leer ausgegangen, obgleich sein Vater und der von Quentin Zwillinge gewesen waren, also beide der Hauptlinie des Geschlechtes entstammten. »Warum er so schluderig mit ihr umgegangen ist, dass sie in der Box lag, weiß ich nicht. Auf jeden Fall lag sie drin und er wollte sie wohl wieder rausholen. Schätze mal, er hat dem Racker einen Schlag auf die Kruppe gegeben, damit er mit der Hinterhand herumtritt und dabei die Stelle mit dem Dorn getroffen.« Er blickte Beifall heischend die Gräfin an. »Wenn ich dir einen Dorn in die Pobacke rammen würde, dann würdest du auch ausflipp ...«

      Weiter kam er nicht.

      »Schon gut, ich verstehe. Mäßige dich!«, unterbrach Gräfin Wilhelmina hastig, bevor ihr Großneffe das Gleichnis weiter ausschmücken konnte. »Die Uhr in der Box erklärt das Unglück zur Genüge. Darüber hinaus sehe ich mich gezwungen, dir zuzustimmen, Leonard. Wenn dieses wertvolle Erbstück im Stroh vor Brutus‘ Hufen lag, dann kann es dein Cousin nicht mit der Hochschätzung in Ehren gehalten haben, die ihm gebührt. Deiner Bemerkung, die Taschenuhr stamme aus der Zeit Karls des Großen, entnehme ich jedoch, dass deine Geistesgaben in der Schule nicht ausreichend gefördert wurden.« Sie schwieg einen Moment und schüttelte ganz leicht den Kopf. »Nein, wahrscheinlich habe ich unrecht. Mir scheint eher, alle Storkenburg’schen Männer haben sich bei der Verteilung der Geistesgaben nicht gerade vorgedrängelt. Statt das Geschlecht derer von Storkenburg nach allen Kräften erhalten zu wollen, treiben sie es mit Macht auf den Abgrund zu und arbeiten an ihrer eigenen Ausrottung. Dass du lachst, Leonard, beweist meine Theorie zur Genüge.« Sie funkelte ihren Großneffen eisig an, und das Grinsen erstarb ihm auf den Lippen. »Dein Vater, der Allmächtige gebe auf ihn Obacht, war nicht weniger ein Hohlkopf als alle anderen, Quentins Vater eingeschlossen. Wie kann man bei Nacht und Nebel und ohne Weg und Steg mit einem Traktor eine steile Wiese hinunterfahren? Betrunken! Weißt du eigentlich, dass er den abgebrochenen Steuerknüppel noch in der Hand hielt, als man ihn und seinen toten Zwillingsbruder unter dem Traktor hervorzog? Sobald ich das Geld aufgebracht habe, unsere Kapelle da draußen wieder instand zu setzen, werde ich für dich und deinen Sohn eine Messe lesen lassen, mein lieber Großneffe Leonard. Ich werde wohl Gottes Hilfe benötigen, den Rest der Storkenburgs am Leben zu halten.« Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Armer dummer Quentin. - Nun, das Unglück ist geschehen, wir können es durch unnötiges Lamentieren nicht wieder rückgängig machen. Das Rad des Schicksals ist gnadenlos in seinem Lauf. Gib mir deinen Arm, Leonard.« An der Tür wandte sie sich noch einmal Bonnie zu, die noch immer mit geballten Fäusten und tränenüberströmt in der Mitte des Salons stand. »Der Arzt hat dir Schlaftabletten hiergelassen, mein Kind. Ich habe Helene angewiesen, dir zwei neben ein Glas Wasser auf das Nachttischchen zu legen. Scheu dich nicht, sie zu nehmen. Die nächsten Tage werden hart für uns alle, und du wirst deinen Schlaf brauchen.«

      »Ich versteh das nicht. Warum war er denn überhaupt im Stall? Er hätte in der Mühle sein müssen. Die Flügel haben sich gedreht. Es war doch Sonntag. Mühlentag!«

      »Gute Nacht, Bonita.«

      3

      Bonnie verbrachte eine grausame Nacht auf dem Boden vor dem Kamin. Das haltlose Schluchzen verebbte bald, aber die Erinnerung an Quentins zerschmetterten Schädel blieb. Blut, Hirn und Haare. Immer wieder schüttelte es sie vor Grauen. Dazu kam der Schmerz, sich nie mehr in seinen starken Armen geborgen zu fühlen, die Erkenntnis, nach nur zwei Monaten Witwe geworden zu sein, ihre Wut auf die Gräfin und Leonard, ihre Scham, sich so ohne Gegenwehr das Heft aus der Hand hatte nehmen lassen, und der unbeschreibliche Horror, ihr Mann hätte vielleicht überlebt, wenn sie nur sofort, beim ersten Wort dieser alten Schreckschraube, aufgesprungen und zum Stall hinübergerannt wäre. Entsetzen und Gewissensqual, Wut und Angst kreisten unablässig durch ihren Kopf. Ihre Augen schmerzten vom Weinen und dem unablässigen Starren in die hoch auflodernden Flammen im Kamin, die sie Scheit für Scheit nährte, ohne die Kälte aus den Knochen zu bekommen. Bei der ersten Morgendämmerung, als sich der Himmel hinter den Windmühlenflügeln, die nun stillstanden wie Quentins Herz, aufhellte und rosa verfärbte, um schließlich doch nur hinter grauem Nebel zu verschwinden, hielt sie nichts

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