Der Teufel trug Jeans. Tibor Simbasi

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Der Teufel trug Jeans - Tibor Simbasi

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seinen Frust an den Kindern aus. So ist es auch nicht verwunderlich, dass immer, wenn es Kindergeld gab, eitel Sonnenschein herrschte. Dieses brachte der Postbote, denn es wurde in bar ausgezahlt. Mutter musste den Empfang quittieren um es gleich dem Vater zu übergeben. Meistens dauerte es dann auch nicht lange bis er meinte: „mir fällt die Decke auf den Kopf, ich muss mal raus hier“. Er zog die beste Kleidung an und fuhr mit dem Zug nach Kaiserslautern. Erst sehr spät in der Nacht kam er zurück. Das waren die wenigen Stunden ohne die sonst allgegenwärtige, bedrückende Angst. Solange er außer Haus war konnten wir frei atmen. Das Kindergeld wurde jedoch für 2 Monate ausgezahlt und somit waren diese Momente der Befreiung entsprechend selten.

      Wir sind wohl auch die einzigen Kinder in der Schule gewesen, die sich nicht auf die Ferien gefreut haben. Dann konnten wir dem Elternhaus überhaupt nicht mehr entfliehen, sondern mussten alle Launen vom Vater ertragen. Was waren wir froh, wenn die Schulferien vorüber waren und wir wieder in die Schule gehen durften. Selbst Feiertage, wie Ostern oder das Weihnachtsfest war für uns kein Anlass zur Freude. Im Gegenteil, wir wurden dann nur traurig. Andere Kinder konnten es kaum erwarten bis endlich Heiligabend war und rätselten gespannt über die zu erwartenden Gaben. Wir jedoch wussten genau, es gab dieselben Geschenke wie immer - eben Nichts. Bei uns wurde am Christabend das Wohnzimmer abgesperrt und der Baum vom Vater geschmückt. Nach einiger Zeit durften wir dann in die Wohnstube um den Weihnachtbaum zu bewundern. Hatten wir Glück, so stand auch für die Kinder ein Weihnachtsteller mit Süßwaren dabei, aber nur wenn Geld dafür vorhanden war. Mit den Worten: „So nun habt ihr genug gesehen. Jetzt könnt ihr zu Bett gehen“, wurde der Tag dann abrupt beendet. Es gab keine Gedichte, keine Weinachtlieder, keine persönlichen Geschenke. Auf was sollten wir uns also freuen? Während der ganzen Kindheit bekamen wir nie ein Spielzeug oder andere Dinge, die unsere Herzen hätten höher schlagen lassen. Zum Osterfest war das nicht anders. Einige Eltern aus dem Wohnblock versteckten bei gutem Wetter morgens im Garten die Osternester für ihre Kinder. Bei der Suche beobachteten wir sie dann vom Küchenfenster aus. Was freuten sie sich, wenn sie ihr Nest gefunden hatten. Bunt angemalte Ostereier, Bonbons und meistens ein riesiger Osterhase aus Schokolade, waren darin. Von all dem konnten wir nur träumen.

      Der Geburtstag war für uns auch nichts Besonderes. Hätte Mutter nicht ab und an mal die Bemerkung: „Ach ja, heute hat die oder der Geburtstag“, losgelassen wäre es niemandem aufgefallen. Gratulation oder gar ein kleines Präsent gab es nicht und eine kleine Geburtstagsfeier war absolut undenkbar. Bei einer so großen Familie ist es finanziell gesehen kaum möglich jeden Geburtstag großartig zu feiern. Ein kleiner selbst gebackener Streuselkuchen, zusammen mit den Geschwistern verzehrt, hätte uns aber doch schon gereicht. Wenn es mal einen seltenen Anlass zur Freude gab, dann wurde der gleich wieder zerstört. Ein Schulfreund hat mich mal zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen. Als ich nun den Vater um Erlaubnis gebeten habe meinte der nur: „klar kannst du da hingehen aber die Hildegard wird mitgenommen“. Sie war damals gerade einmal 2 Jahre alt. Den Einwand konnte ich vergessen, denn seine Anweisungen waren Gesetz. Der Feier fernbleiben ging auch nicht, denn das hätte er als Auflehnung verstanden. Eine Geburtstagsfeier unter Jugendlichen und dann ein Kleinkind im Schlepptau. Nie wieder hat mich jemand eingeladen. Ein anderes Mal war unsere Tante zu Besuch gekommen. Als sie hörte, dass im Ort gerade die alljährliche Kirmes stattfindet, wollte sie dieses Volksfest unbedingt besuchen. Kurzerhand wurde beschlossen, dass wir alle, Tante, Onkel, Eltern und insgesamt 11 Kinder hin gehen. Oh was für ein Wunder! Wir bekamen sogar eine Karte für das Karussell, doch auch da wurde die Freude über die bevorstehende Fahrt gleich wieder zunichte gemacht. Wir durften uns kein Fahrzeug aussuchen, wie etwa Motorrad, Traktor, Feuerwehrauto. Nein, Vater bestimmte sofort: „alle in den Omnibus“. So saßen wir wie die Heringe darin und waren froh als die Karussellfahrt endete.

      Natürlich ist es ganz normal, wenn in einer Großfamilie die älteren Kinder ihre jüngeren Geschwister hüten aber jeder Mensch braucht auch mal eine gewisse Zeit für sich allein und die war doch recht knapp bemessen. Standen nicht gerade Arbeiten an wurden wir Kinder nach draußen geschickt oder mussten ins Bett gehen. Wir waren lästig und haben beim fernsehen gestört. Als bekannt wurde, dass eine Sonntagsschule gegründet wurde, so eine Art Kirche für Kinder, wurden wir sofort dahin geschickt. Alle ohne Ausnahme. Kein Kleinkind ist eine Stunde still und so störten sie den Unterricht doch sehr. Das war aber Vater total egal. Er hatte seine Sonntagsruhe und konnte fernsehen. Am Abend, wenn wir zu Bett geschickt wurden, musste alles sehr schnell gehen, sonst wurde er richtig wütend. Bei einem Toilettenraum in dem nur eine gusseiserne Wanne stand, 8 Kinder gewaschen werden mussten, oder sich selbst waschen, da geht das nicht immer so rasch, wie man es gerne hätte. Als es wieder mal nicht so schnell ging wie er es gerne hätte brach die Mutter den Waschvorgang ab. Wir sollten ausnahmsweise ohne die Nachttoilette zu Bett gehen. Ich war noch nicht ganz fertig und wollte nun wie von der Mutter geheißen durch die Küche ins Schlafzimmer. Da sah er meine schmutzigen Füße. „So willst du also ins Bett“, hörte ich ihn noch schreien. Dann wurde es auch schon dunkel. Mit einem Topf, der auf dem Küchenherd stand, schlug er mir von hinten auf den Kopf. Daraufhin war ich bewusstlos. Ein Arzt wurde natürlich nicht geholt. Nach einiger Zeit bin ich wieder aufgewacht und mir war übel. Außerdem hatte ich Kopfweh und musste mich übergeben. Als sich mein Wohlbefinden dann einigermaßen gebessert hatte musste ich zu Bett gehen und durfte anschließend zwei Tage die Schule nicht besuchen. Angeblich war ich die Treppe hinunter gestürzt.

      Als die Ärzte auch weiterhin keine Diagnose über die seltsame Krankheit beim Vater stellen konnten, schickte ihn der Hausarzt Anfang des Jahres 1965 kurzerhand zu einer Kur. Das ärgerte den Vater ungemein. Da er aber weiterhin Krankengeld beziehen wollte, musste der Kuraufenthalt wohl oder übel angetreten werden. Zähneknirschend fuhr er also in eine Kurklinik nach Bad Dürkheim in die Pfalz. Wir hatten drei Wochen Frieden, das hieß ‚Urlaub von der Hölle’. Unter Aufsicht der Ärzte konnte er sein selbst gebasteltes Armband, welches die Blutzirkulation behinderte, nicht anlegen. Was konnte man anderes erwarten. Es kam wie es kommen musste. Selbstverständlich durch die hervorragenden medizinischen Anwendungen. Die Schwellung der Hand verschwand auf wunderbare Weise. Der Chefarzt schickte ihn nach einer letzten Kontrolluntersuchung wieder heim. „Sie sind wieder ganz gesund und können wieder arbeiten gehen“, meinte er zum Abschluss.

      Wieder zu Hause war er nur noch zornig. Das Krankengeld wurde nicht mehr gezahlt. Das war nun vorbei. Um weiterhin ein Einkommen beziehen zu können musste er sich beim Arbeitsamt als arbeitsuchend melden. Die Aussicht auf Arbeit wiederum verursachte bei ihm die nur denkbar schlechteste Stimmung. Wahrscheinlich um über neue Möglichkeiten sich vor Arbeit zu drücken nachzudenken war er nur noch am Grübeln, und er hatte mal wieder einen grandiosen Einfall. Durch Zeitungsinserate war bekannt, dass ein Chemiewerk im 6 km entfernten Nachbarort dringend weitere Beschäftigte sucht. Eine besondere Ausbildung sei nicht erforderlich und die Tätigkeit sollte sehr gut bezahlt werden. Damit beim Arbeitsamt ein Nachweis erbracht werden konnte, dass Vater sich um Arbeit bemühen würde, sollten Konrad und ich dort wegen Arbeit für ihn nachfragen. Die Absage, die er natürlich erhoffte, sollte schriftlich bestätigen werden. Als Beweis seiner aufopfernden, schweißtreibenden aber eben doch erfolglosen Suche nach einer Arbeitsstelle. Er schickte uns mit dem Fahrrad dort hin. Es herrschte ein eisiger Winter, weil es die ganze Nacht geschneit hatte. Die Strassen waren mit frischem Schnee bedeckt und es wehte ein kalter Wind. So machten wir uns auf den Weg. Da es nicht möglich war bei diesen schlechten Straßenverhältnissen zu radeln waren die Fahrräder zusätzlicher, unnötiger Ballast. Nur sehr langsam ging es voran. Mühsam kämpften wir uns durch den harschen Schnee, der oft bis zu den Knöchel reichte. Schon sehr bald hatten wir nasse Füße und froren trotz der Anstrengung beim Schieben der Räder durch den hohen Schnee. Endlich, nach gefühlter, unendlich langer Zeit kamen wir dort an. Der Anblick von Konrad und mir muss wohl recht erbärmlich gewesen sein. Nur so konnte ich mir erklären, dass der Pförtner uns bis zur Rezeption im Werk vorgelassen hat. Die Vorzimmerdame des Personalleiters wusste nicht so richtig, was sie mit uns anfangen sollte. War der Chef damit einverstanden zwei Kinder in seinem Büro zu empfangen? Sie kämpfte sichtlich um eine Entscheidung, überwand sich dann und meldete uns an. Nach einer kurzen Wartezeit empfing uns der Personalchef. Als wir sein Büro betraten orderte er über die Gegensprechanlage sofort Tee und Gebäck. Danach durften wir ihn begrüßen und unser Anliegen vorbringen.

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