Briefe an Lisa. Björn Haid

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Briefe an Lisa - Björn Haid

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der guten Laune und seines Enthusiasmus angesteckt empfand auch meine Mutter irgendeine Art des Wohlwollens und lächelte meinen Vater an, so wie sie es wohl schon lange nicht mehr getan hatte.

      Sie hielt seine Hand, welche nicht wie eine Fahne nach oben ragte, und tat ihm mit der anderen Hand gleich.

      Ab diesem Zeitpunkt ändert sich vieles bei uns zuhause.

      Vater und Großvater sprachen nur mehr sehr wenig miteinander, sofern dies überhaupt möglich gewesen war, denn viel unterhielten sie sich auch zuvor nicht.

      Vater und Mutter hingegen flammten regelrecht zusammen auf, so als ob sie einem gemeinsamen Feind endlich auf die Schliche gekommen waren.

      Alleine der Umstand meine Eltern in solcher Eintracht zu sehen machte mich glücklich.

      Die kommenden Jahre war ich, wer ich immer war.

      Klein, kränklich und sehr von meinen Großeltern umsorgt.

      Meine Eltern waren hingegen immer seltener zuhause, sie seien zu sehr mit der Partei beschäftigt, erklärten meine Großeltern, ohne jedoch weiter darauf einzugehen.

      Ich hinterfragte diese Aussage auch nicht.

      Die Winter kamen und meine Krankheiten meldeten sich zurück.

      Bei jeder kleinen Erkältung bekam ich von meiner Großmutter, ein Buch geschenkt, welches sie, bei jedem Wetter, egal wie sehr der Wind auch brauste und wie sehr es draußen stürmte, zu Fuß in der Stadt oder im Nachbarort besorgte.

      Ich las große Romane, witzige Erzählungen, amüsante Geschichten und von wahren Abenteuern.

      Mit dreizehn hatte ich eine beachtliche Sammlung an schönen Werken, auf welche ich wirklich sehr stolz war.

      Freunde hatte ich wenige, doch Robinson Caruso und Captain Ahab entführten mich des Nachts, oder bei Krankheit immer in Welten von denen ich am liebsten nicht zurückgekommen wäre.

      Die letzten Seiten eines Romans waren für mich immer mit Wehmut getragen und so hatten sie immer den bitteren Beigeschmack eines Abschieds.

      Wenn ich das Buch im Regal versorgte, versprach ich den Protagonisten immer, dass es kein Abschied auf ewig wäre, und ich ihre Reise nochmals, in naher Zukunft, inhalieren würde, obgleich wir dieselben Abendteuer zusammen nochmals erleben würden.

      Dann folgte eine Wende in meinem Leben.

      Der 30. Mai 1933.

      Inzwischen besuchte ich die Handelsschule und wollte, obwohl man mir bereits in der Grundschule keine Talente zuschrieb und keinerlei Begabung, Kaufmann werden, ebenso wie mein Großvater.

      Am Abend jenes Tages flog die Türe auf, mein Vater rannte, schnaubend und keuchend mit einer großen Kiste durch unser Haus.

      Großvater, der wohl ahnte was geschehen würde, versuchte ihn aufzuhalten.

      Er nahm ihn am Arm, zog ihn zu sich und schrie ihn lauthals an, dass dieser Unfug nun endlich ein Ende zu haben hatte.

      Vater riss sich los.

      Nicht aufzuhalten rannte er zielstrebig in mein Zimmer.

      Großvater hinterher.

      Dann hielt er meinen Vater abermals am Arm.

      Dieser Tag war das einzige Mal, dass ich meinen Großvater derart wütend erlebte. Er packte nicht nur meinen Vater am Arm, schrie ihn an, er holte weit aus und schlug ihm Mitten ins Gesicht, damit er endlich aufwachen möge, wie er lauthals von sich gab, als mein Vater zu Boden ging.

      Mutter rannte zu Vater um ihn von dessen Vater zu schützen.

      Großmutter kam ins Zimmer gerannt und versuchte Großvater zu beruhigen, als dieser bereits mit hängenden Schultern und kopfschüttelnd den Raum verließ.

      Vater war von seinem Vorhaben nicht abzuhalten.

      Es war gegen neunzehn Uhr fünfundvierzig, draußen wurde es bereits dunkel.

      Nun endlich wurde mir klar was Vater vor hatte und Großvater weise bereits vorausgesehen hatte.

      Vater nahm all meine, mir so lieb und teuer gewordenen Bücher vom Regal.

      Mit leeren und bösen Augen blickte er mich an, wie ein Adler der sein Opfer ausgespäht hatte, „es wird Zeit, dass du endlich erwachsen wirst!“ schnaubte er mich in kaltem, herzlosen Ton an.

      Ich wollte ihn aufhalten.

      Ich versuchte zu schreien, doch ich konnte nicht, so gelähmt war ich.

      Meine Mutter nahm mich in den Arm und ließ Vater gewähren.

      Ich schluchzte in mich hinein.

      Mehr konnte ich in diesem Moment nicht tun.

      Großmutter stand da.

      Fassungslos.

      Und sagte kein Wort.

      Schließlich waren alle meine Bücher im Karton verschwunden.

      Zufrieden richtete sich mein Vater auf.

      „Diesen Schund brauchen wir in einem deutschen Haushalt nicht!“

      Er nahm den Karton und verließ das Haus.

      Zurückblieben meine Großeltern, Mutter und ich.

      Allen saß ein Kloß im Hals und die bittere Ahnung, dass die Welt nicht mehr so sein wird, wie sie einst war.

      „Was macht Vater mit meinen Büchern?“ traute ich mich schließlich zu fragen.

      Traurig drehte sich Großmutter mit gesenktem Blick zu meiner Mutter, welche mich noch immer im Arm hielt, und sagte leise, „die Nazis vernichten unser Erbe und unsere Geschichten, so dass nichts mehr bleibt von der Erinnerung.“

      Dann wusste ich Bescheid.

      Wochen später hatte ich erfahren, dass die Männer, welche bei der Veranstaltung vor der Nepumukkapelle wütend predigten, es den Parteifreunden aus Berlin gleichmachen wollten und alles, ihrer Meinung nach nicht lesenswerte verbrannten.

      Schundliteratur nannten sie es.

      Großvater saß auf seinem Stuhl, sein Blick war leer. Leise sprach er, und nun weiß ich wie recht er hatte, doch an diesem Abend waren seine Worte, wohl nur für ihn selbst gedacht, „Wo man Bücher verbrennt, da verbrennt man am Ende auch Menschen...“

      Kapitel 2

      Umzug nach München

      Ich hatte seit dem Vorfall im Mai nicht mehr gelesen und verbrachte meine Zeit viel im Freien und noch mehr Zeit verbrachte ich mit meinem Vater, welcher mich auf jede „Veranstaltung“ mitnahm.

      Ich hatte gelernt, dass es meinem Vater Freude

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