Briefe an Lisa. Björn Haid
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Das kann nicht sein.
Das darf nicht sein.
Ich warf das Telegramm auf den Tisch
Ich schrie meine Mutter an, welche meine Worte, derer ich mich nicht mehr erinnern möchte, nicht zu hören schien.
Dann stand sie auf, nahm ein Glas Wasser und trank daraus.
Ohne ein Wort zu sagen.
„Großvater ist tot!“ schrie ich auf sie ein.
„Tot!“, schrie ich immer und immer wieder.
„Und wir sind schuld! Du bist schuld!“
Mutter sagte noch immer kein Wort.
„Wir hätten bei Ihnen sein sollen, wir hätten ihnen helfen sollen! Und wir haben nichts getan, gar nichts!“
Ich musste mich setzten.
Mutter stand noch immer an der Küche, mit ihrem Wasserglas in der Hand und sagte kein Wort.
Dann, ich konnte es an ihrem Mund erkennen, schluckte sie erst den Schluck Wasser, den sie genommen hatte und kam auf mich zu um sich neben mich zu setzten.
„Es tut mir so leid.“ sagte sie leise.
„Es tut mir so leid, Jakob.“
Mehr sagte sie nicht.
In Ihrem Blick erkannte ich, dass sie meine Worte verletzte hatten und das tat mir nun leid.
Ich nahm sie in den Arm und wir weinten beide.
Wir weinten sicherlich eine Stunde, oder noch länger, ich hatte jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Ohne ein Wort zu sagen.
Plötzlich sprang die Türe auf.
„Jetzt kommt Polen!“ schrie mein Vater, siegessicher, im Türrahmen mit hoch erhobenem Haupt und noch höher erhobener Faust.
Wortlos stand meine Mutter auf, keine Freude war auf ihrem Gesicht zu sehen, das erkannte auch Vater bald.
Das Telegramm in der Hand ging sie auf ihn zu, als dieser gerade die Türe hinter sich zuzog.
In ihren Augen konnte ich Zorn sehen.
Zorn, Verzweiflung und Wut.
Sie hielt dann doch einigen Abstand zu Vater und warf ihm das Telegramm vor die Füße. Dann drehte sie sich auf dem Fuße, ging langsam in ihr Zimmer und schloss die Türe hinter sich zu. Das mechanische Türschloss klackte bei der Umdrehung und wir wussten Beide, dass dies das Zeichen war, dass meine Mutter nun mit sich und ihrer Trauer alleine sein wollte.
Vater nahm das dünne Papier und las was darauf stand.
Sein Blick senkte sich und es schien als wisse er nicht was er sagen solle, denn er blickte, noch immer an derselben Stelle angewurzelt stehen, zuerst zu mir, dann zur Schlafzimmertüre, die verschlossen war.
Ich war entschlossen ihm in die Augen zu blicken, um seine Emotionen zu sehen, doch sein Blick war stets abgewandt. Kein Funkeln war zu sehen, keine Emotion, keine Regung.
Sein Blick blieb abgewandt und er wirkte niedergeschlagen.
Ich riss die Türe zum Hausflur auf, durch meine tränennassen Augen konnte ich kaum sehen wohin ich stolperte, fand dann aber gleich links neben mir das Treppengeländer, woran ich mich festhielt und den Hausflur nach unten rannte.
Unterwegs begegnete mir Herr Stoss, unser unfreundlicher Vermieter, welcher mir irgendwelche Beleidigungen auf dem Weg nach unten nachrief, da ich ihn nicht gegrüßt hatte, und noch viel schlimmer, da ich ihn beinahe überrannt hatte.
Ich beachtete ihn nicht und stürmte hinaus in die Nacht.
Es blies ein kalter Wind und der Himmel war dunkel.
Auf den Straßen war kaum ein Mensch zu sehen. Doch auch, wenn es betriebsam gewesen wäre, so hätte ich dies vermutlich in diesen Stunden nicht bemerkt.
Meine Gedanken kreisten nur um Eines.
Nur um eine Person.
Großvater.
Er war immer für mich da gewesen.
Seine Weisheit und die Wärme meiner Großmutter hatten mir oft Mut gegeben.
Sie gaben mir den Willen durchzuhalten.
Sie gaben mir die Freude, die mir oft, wegen meiner instabilen Gesundheit genommen worden war.
Sie gaben mir Halt.
Ich weiß nicht mehr genau wie weit ich an diesem Abend gelaufen oder gerannt war.
Ich wollte nur weg, weg von unserem neuen Zuhause, das mir all das genommen hatte, was meine Großeltern mir in Bregenz, in meiner wahren Heimat über all die Jahre gegeben hatten.
Ich wollte nur weg!
Am liebsten wäre ich bis nach Bregenz gerannt um meine liebe Großmutter in den Arm zu nehmen, um zu erfahren was tatsächlich passiert war.
Doch irgendwann, nach unzähligen Metern, oder Kilometern ging mir die Luft aus.
Meine Augen waren nass, voller Tränen.
Mein Herz lag mir schwer in der Brust und ich konnte kaum mehr atmen.
Ich setzte mich auf die Treppen des Eingangs eines doch recht nobel wirkenden Hauses.
Die Wände waren nicht beschmiert und es sah in diesem Moment einfach nur friedlich aus.
Ich saß nur da, eine ganze Weile.
Ich blickte in den Himmel und versuchte die Sterne zu sehen, doch dieser war vollkommen bedeckt, so als ob auch die Engel ihren Schmerz spürten und keine Freude zeigen konnten.
Und genau in diesem traurigen Augenblick geschah etwas das ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde.
Kapitel 4
Erste Liebe
„Was machst du hier?“ fragte mich eine Stimme, dicht hinter mir.
Erschrocken drehte ich mich um und sah das wunderschönste Wesen, das ich in meinem ganzen bisherigen Leben je gesehen hatte.
Doch ich konnte nicht antworten, vielmehr entkam mir nur ein Husten, oder etwas Sonderbares in der Art.
„Wer bist du?“ fragte das Mädchen mit den pechschwarzen, schimmernden glatten Haaren hinter mir.
Noch immer konnte ich keine akkurate Antwort liefern, auf eine so einfache Frage.
Ich starrte sie nur an, sitzend im Eingang