Schlussakt. Joana Goede

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schlussakt - Joana Goede страница 20

Автор:
Серия:
Издательство:
Schlussakt - Joana Goede

Скачать книгу

und legte mich dann zurück ins Bett. Mein Kopf fühlte sich heiß an, doch ich wusste, dass es kein Fieber war, sondern nur der ganz normale Vorgeschmack auf eine fiese Erkältung, die einen zwar nicht schwer krank machte, aber unfähig, irgendetwas konzentriert zu tun.

      Deshalb hatte ich auch keine Lust zu lesen. Während Felicitas und Balthasar in einer Ecke des Bettes mit dem Deckenzipfel spielten, hatte Figaro sich auf meinem Bauch zusammengerollt, starrte mich aber aus tief blauen Babyaugen an. Als würde er etwas erwarten.

      Der warme Apfelkuchen strömte einen angenehmen Duft aus, dem ich mich bald nicht mehr entziehen konnte, doch kaum hatte ich den Teller in der Hand, als ich mich schon umringt von drei kleinen, immer hungrigen Mäulern sah, die den Kuchen hypnotisierten, als wäre er Beute. Es dauerte nicht lange, bis wir zu viert den Kuchen aufgegessen und in still schweigendem Einverständnis beschlossen hatten, zu dösen. Eigentlich war ich nicht müde und erschöpft fühlte ich mich auch nicht, nur nicht so ganz wohl. Ich lag auf dem Rücken und starrte meine Augenlieder von innen an, ein angenehmes Dunkelrot, durchzogen von vielen kleinen Lichtblitzen.

      Als ich meine Zimmertür aufgehen hörte, öffnete ich sie langsam und erblickte Bernhard, der wohl auch seinen Teil zur Krankenpflege beitragen wollte. Heuchler, dachte ich, da ich genau wusste, dass ich ihn nicht im Mindesten interessierte. Es ging ihm einzig und allein um Madeleine. Er kam auf uns vier Dösende zu, kraulte die Kätzchen nacheinander hinter den Öhrchen und strich in väterlicher Manier schließlich auch mir einmal durch die wirren Haare. „Du müsstest mal zum Friseur“, sagte er und grinste. Bei mir kam der Friseur sogar noch vor dem Arzt, was meine Abneigung an Besuchen betraf. Bernhard zog den Schreibtischstuhl neben das Bett und setzte sich darauf, er nistete sich hier ein, plante wohl ein längeres Gespräch. Ich wusste, dass es nicht Bernhards Art war, mich auszufragen, so wie Madeleine es oft versuchte. Damit hatte man bei mir eben keinen Erfolg. Was wollte er denn nun? Sich bei mir einschmeicheln? Hatte Madeleine ihn gebeten, etwas Nettes zu mir zu sagen? Als wenn ich das aus seinem Munde glauben könnte.

      „Ich glaube, sie übertreibt ein bisschen mit dem Psychologen“, meinte Bernhard und fuhr fort: „Aber sie macht sich eben Sorgen. Ich habe in deinem Alter auch nicht viel mit meinen Eltern gesprochen, das tut man eben nicht.“ Er schwieg eine Weile, als warte er auf eine Bestätigung. Ich starrte nur durch ihn hindurch. „Es ist nur so, dass du wirklich gar nichts erzählst. Nichts von der Schule. Oder von Freunden. Und wir sehen, dass dich etwas bedrückt, kriegen aber nicht heraus was es ist.“

      Ich starrte Bernhard an. Dieser unmissverständliche Appell hatte irgendwie den Drang in mir geweckt, mich zu verteidigen.

      „In der Schule ist es immer gleich“, murmelte ich und begann Figaro intensiv zu streicheln. „Und Freunde brauche ich nicht. Was soll ich da denn erzählen?“ Bewusst verzichtete ich auf die Stellungnahme zu Bernhards letzten und wichtigsten Aspekt. Bernhard starrte mich an. „Ist es ein Mädchen?“, fragte er, als wäre das das einzige Problem, dass er sich für einen siebzehnjährigen Jungen vorstellen könnte. Ich sah ihn ungläubig an, erwiderte aber nichts. Sollte er das doch glauben, wenn er fand, dass das ein angemessener Grund war, Gespräche mit seinen Eltern zu verweigern. Ich würde ihm da nicht widersprechen, vielleicht beruhigte ihn das ja. Ich wendete seinen Blick zur Decke. Das Gespräch war für mich beendet. „Mein Gott, Benvolio! Ich habe wirklich alles versucht, Madeleine zur Liebe, um dich in diese Familie zu integrieren und dir eine zweite Chance zu geben. Aber du willst sie ja nicht. Du hast es ja nicht nötig dich dafür dankbar zu zeigen. Du hast diese Familie überhaupt nicht verdient!“

      Bernhard seufzte und verließ das Zimmer. Die Tür schlug er hinter sich zu, wie nach einem Streit. Ich zuckte bei dem unerwarteten Knall zusammen. Wieso ließen sie mich nicht einfach so, wie ich war? War ich so unausstehlich, dass man mich unbedingt ändern musste?

      Der Wecker, eine scheußliche Erfindung, klingelte um halb neun. Der durchdringende Piepton riss mich aus halbwegs angenehmen Träumen und war geradezu haarsträubend motiviert dazu, mich zum Aufstehen zu bewegen. Fluchend versenkte ich meinen Kopf im Kissen und versuchte das aufdringliche Piepen zu überhören. Es war aber unmöglich. Ich hätte Lärmschutzwälle errichten oder mich sonst wie von dem Foltergerät abschirmen müssen, um dessen Weckruf zu entgehen. Schließlich gab ich doch nach, da ich begriff, dass ich gegen diese Form der modernen Technik nicht gewinnen konnte, und schaltete den Wecker aus. Draußen war es tief grau, doch es regnete nicht. Immerhin ein Fortschritt. Von Regen hatte ich auch wirklich die Nase voll. Ein Blick aufs Thermometer zeigte mir, dass es noch viel kälter war, als gestern. Also vermutlich auf dem Thermometer -1 Grad und gefühlte -10 Grad. Wie immer. Wenigstens zu kalt für Regen. Ich zwang mich dazu, aufzustehen, obwohl ich kaum geschlafen hatte. Ich schlief immer spät ein und musste dann aufstehen, wenn der Schlaf gerade am allerschönsten war. Furchtbar war es besonders im Winter, wenn es auch noch stockfinster war und man den Morgen von der Nacht nicht unterscheiden konnte. Mein Körper zeigte sich in diesen Monaten ständig verwirrt. Auch in den Ferien.

      Als ich schließlich den Fuß auf den Teppichboden setzte, trat ich auf allerlei Dinge, die ich wohl im nächtlichen Halbschlaf ziellos auf den Boden gepfeffert hatte. Er war nämlich übersät mit Taschentüchern, Socken und einigen Schmerztabletten, die leider nicht mehr so viel halfen. Auf dem Nachtisch lag Aspirin. Das musste eine ereignisreiche Nacht gewesen sein, kein Wunder, dass ich mich wie überfahren fühlte. Langsam trottete ich durch mein Zimmer und sammelte diverse Kleidungsstücke auf, die ich gestern Nacht nacheinander durch das ganze Zimmer geworfen hatte. Sie lagen überall verteilt. Mein linker Arm fühlte sich an, als hätte ihn jemand mehrere Stunden lang in eine Schraubzwinge geklemmt. Alles in allem war es also ein durchaus übler Morgen, an dem ich mich besser hätte sofort wieder ins Bett legen und weiterschlafen sollen, bevor der Schlamassel die Gelegenheit dazu bekäme, noch größere Ausmaße anzunehmen. Ich stand trotzdem auf.

      Müde schleppte ich mich ins Bad und schloss die Tür hinter mir ab. Eine Weile stand ich da und versuchte mich zwischen der Badewanne und der Dusche zu entscheiden. Eine schwierige Entscheidung angesichts der misslichen Lage, in der ich mich befand. Ich war schließlich so müde, dass warmes Wasser meine Sinne wohl noch mehr trüben würde.

      Schließlich warf ich meine Kleider auf den Fußboden und meinem Spiegelbild einen bösen Blick zu. Mein T-Shirt flog in hohem Boden in den Wäschekorb. Ein Wunder, dass ich ihn traf, denn normalerweise neige ich auch bei geringer Entfernung nicht dazu, mein Ziel zu erreichen. Nachdem ich ein großes Handtuch aus dem Schrank gezupft hatte, registrierte ich mehrere blaue Flecken an meiner linke Seite, an meiner Schulter und ein aufgeschürftes linkes Knie. Das war mir gestern gar nicht aufgefallen. Gegen meinen kaputten Arm waren das allerdings Kinkerlitzchen. Wobei mein Knie schon ab und zu ganz schön weh tat.

      Widerwillig machte ich mich nun daran, den Verband von meinem Arm zu entfernen, der an diesem Morgen noch bunter, aber dafür nicht mehr ganz so dick war. Jedenfalls bildete ich mir das ein.

      Da ich keine Zeit dazu hatte, mich eine Stunde in die Badewanne zu legen, verschob ich das auf den Abend und drehte den Duschhahn auf. Das heiße Wasser spritze heraus und ich entledigte mich meiner restlichen Kleidung. Ich hoffte, dass ich nach der Dusche etwas frischer und weniger zermatscht aussehen würde, damit der Psychologe mich nicht gleich als Dauerpatienten einwies.

      Das heiße Wasser war sehr angenehm, nur das Shampoo und das Duschgel brannten in den aufgeschürften Stellen. Trotzdem blieb ich noch eine ganze Weile in der Dusche stehen und hörte so auch nicht das ungeduldige Klopfen Madeleines an der Tür, die nicht zu spät kommen wollte. Ich ließ mir Zeit und als ich schließlich fertig angezogen und gekämmt das Badezimmer verließ, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Das heiße Wasser hatte Farbe in mein blasses Gesicht gezaubert und ich bemühte mich um ein sorgenloses Lächeln. Das war meine neue Taktik. Madeleine schaute mich an, als habe sie mich noch nie gesehen. Ich frühstückte Müsli, trank ein Glas Saft und stand schlussendlich warm angezogen und aufgesetzt fröhlich vor der Haustür. Madeleine enthielt sich jedem Kommentar, als wir in das Auto stiegen, doch auf der Fahrt löcherte

Скачать книгу