Schlussakt. Joana Goede

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Schlussakt - Joana Goede

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da es mir wenig vertraut erschien, meine Stimme mit so viel Hall zu hören, dass sie völlig fremd wirkte, doch nach einigen Sätzen festigte sie sich und wurde lauter und deutlicher. Jetzt musste Gott mir einfach zuhören. Ich erzählte also alles, was ich von mir wusste, erzählte ausführlich von meinem Problem und davon, nicht zu wissen, wo ich hingehörte und ich erzählte von meiner Pflegefamilie, die ich zwar tolerierte, aber in die ich einfach nicht gehörte. Schließlich berichtete ich von meinen merkwürdigen Kopfschmerzen, von den Träumen und von der Schwäche, die mich nun schon einige Male heimgesucht hatte. Ich endete mit der Bitte, Gott möge sich doch auch dazu äußern, was Er davon hielte, denn Er habe ja immerhin den Überblick und müsse wissen, wie man mein Problem lösen könnte. Mit mehr Essen und etwas mehr gesellschaftlichem Umgang war es sicherlich nicht getan.

      Als meine Stimme in der Kirche verhallte, machte sich Stille breit und ich wartete. Ich wartete auf eine Antwort, egal in welcher Form, völlig gleich, was sie beinhaltete.

      Der Schmerz in meinem Arm pochte ungeduldig, doch ich zog es vor zu schweigen und es Gott zu überlassen, wann Er antwortete und ob Er überhaupt antworten wollte. Immerhin hatte Er mir zugehört, mehr konnte ich eigentlich nicht von einem so viel Beschäftigen erwarten. Trotzdem hoffte ich auf eine Antwort, die mir wenigstens einen Wink geben könnte, in welche Richtung ich als nächstes gehen sollte und ob meine Entscheidung, die Familie zu verlassen und in ferne Lande zu ziehen richtig war. Doch die Stille blieb. Keine mächtige Stimme erfüllte plötzlich den Raum, keine Taube kam aus dem Nichts und flog über meinen Kopf, nur die Kerzen flackerten leise und stumm, als wenn auch sie keine Antwort wüssten.

      Während ich noch wartend verharrte und auf den armen Jesus starrte, der jetzt noch trauriger und verlassener wirkte als vorher (mochte wohl am Zwielicht liegen), hörte ich plötzlich Schritte, die den Gang entlang hallten und immer näher kamen, bis sie plötzlich neben mir verstummten. Der Pfarrer setzte sich neben mich auf die Bank, den Blick ebenfalls nach vorn auf den leidenden Christus gerichtet. „Manchmal braucht Er lange, bis Er antwortet.“, sagte er leise und sanft, wie ein Hirte zu seinen Tieren spricht, um sie zu beruhigen. „Manchmal verstehen wir auch erst nach vielen Jahren, dass Er damals geantwortet hat, weil Er uns nie direkt seine Antwort wissen lässt. Wir müssen die Augen danach offen halten. “ Ich nickte, schwieg aber. Ob der Pfarrer mir wohl zugehört hatte? Natürlich hatte er das, er musste jedes Wort von der Empore aus gehört haben.

      „Aber antworten tut Er immer, darauf kann man sich verlassen, du musst nur etwas Geduld haben.“ Wieder Schweigen. Ich zitterte vor Kälte. Die Wärme war gewichen und meine nasse Kleidung tat nun das Übrige um mich frieren zu lassen.

      „Ich weiß nicht, was ich tun soll“, murmelte ich leise, mehr zu mir selbst, als zu dem Pfarrer, doch dieser nickte verständnisvoll und drehte seinen Kopf in meine Richtung, bis er mich direkt ansah. „Du wirst es bald erfahren.“ Ich sah ihn ungläubig an. Woher wollte er das wissen? Konnte er mehr über mich wissen, als ich selbst? War das möglich? Oder war das nur so ein Spruch, mit dem er mich beruhigen wollte? Ich beschloss, es einfach erst einmal so hinzunehmen. Mir ging es nicht besonders gut.

      „Ich möchte nach Hause“, flüsterte ich, kaum hörbar. Und obwohl ich nicht genauer definierte, welches Zuhause ich meinte, antwortete der Pfarrer: „Du wirst es finden, du wirst es schon bald finden.“ Da ahnte ich, dass ich meine Antwort erhalten hatte. Gottes Wege sind eben doch nicht immer unergründlich. „Was muss ich tun?“, fragte ich den Pfarrer gespannt, doch dieser lächelte nur geheimnisvoll und sagte: „Abwarten.“

      Na gut, dachte ich, dann werde ich warten. Warum auch nicht. Wahrscheinlich löst sich tatsächlich alles von allein. Eine erstaunliche Ruhe breitete sich in mir aus. Ich war plötzlich ganz entspannt. Eine Weile saßen wir noch nebeneinander und betrachteten den Altar, jeder für sich und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Dann stand ich auf, zog vorsichtig meine Jacke an. „Danke“, sagte ich, was sowohl dem Pfarrer, als auch Gott galt. „Leg dich am besten gleich ins Bett, damit du nicht ernstlich krank wirst“, murmelte der Pfarrer. „Und gib acht auf deinen Arm“, rief er mir hinterher, als ich schon ein gutes Stück in Richtung Ausgang gegangen war. Ich lächelte, drehte mich aber nicht mehr um. Gewiss würde ich nicht noch einmal über diesen Zaun klettern, soviel stand fest.

      Draußen regnete es kaum noch, nur wenige, feine Tröpfchen stürzten sich auf die Erde. Selbst wenn es stärker geregnet hätte, wäre es egal gewesen, denn ich war schließlich schon nass. Klitschnass. Der Himmel war noch immer grau und verhangen, doch ich warf keinen Blick hinauf, sondern schlenderte langsam und gelassen am Zaun vorbei und um den großen Parkplatz herum, der nun nicht mehr so voll war. Die Mittagszeit war vorbei, die Autobesitzer waren wieder an ihrer Arbeitsstellte und wartenden auf den Feierabend. Ich aber hatte Zeit. Ich musste warten. Auf meinem Weg betrachtete ich eingehend den Inhalt der Schaufenster, die noch weihnachtlich dekoriert waren, und blieb sogar das ein oder andere Mal stehen. Aber ich betrat kein einziges Geschäft. Das Einkaufen lag mir nicht. Aber trotzdem erwischte ich mich manchmal dabei, wie ich lange vor einem Schaufenster stand und mir die ausgestellten Dinge bewundernd ansah.

      Das Pochen in meinem Arm hatte nachgelassen, doch ich spürte die starke Schwellung und wagte gar nicht nachzusehen, welche Farben mein Arm mittlerweile angenommen hatte. Wahrscheinlich war er mittlerweile gar nicht mehr als Arm erkennbar.

      Als ich mein Ziel erreichte und die Haustür aufschloss, schlug mir angenehme Wärme und der Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen entgegen. Ich zog meine Schuhe aus, hängte Jacke, Mütze und Schal zum trocknen über die Heizung und ging dann durch den Flur zur Treppe, um mich umzuziehen.

      „Ben, bist du das?“, hörte ich plötzlich Madeleines Stimme aus der Küche. Gleich darauf trat sie in den Flur mit einem Handtuch in der Hand. „Wo warst du?“, fragte sie und musterte meine nasse Kleidung. „Ich war in der Kirche“, antwortete ich, nicht bereit, mehr zu erzählen. Madeleine fragte sich wohl einen Augenblick, warum ich denn gerade heute da gewesen sei, wo doch gar kein Gottesdienst war, doch sie wusste, dass sie es vermutlich nicht aus mir herausbringen konnte. Wenn ich es hätte erzählen wollen, hätte ich es sicher schon getan. Dafür kannte sie mich gut genug.

      Ich drehte mich herum und ging nach oben in mein Zimmer. Eigentlich wollte ich Madeleine die Geschichte mit dem Zaun nicht unbedingt erzählen. Vielleicht sollte ich einfach sagen, ich sei gestolpert. Doch im lügen war ich nicht besonders gut. Ich hätte mich verhaspelt und dann hätte ich schließlich doch die Wahrheit sagen müssen. Das wäre dann umso schlimmer gewesen.

      Nachdem ich mich umgezogen hatte, hängte ich mir einen Pullover über den Arm und ging im T-Shirt hinunter, denn wenn Madeleine den Arm verarzten wollte, wäre der Pullover sicher nur hinderlich.

      Ich hatte mich noch nicht getraut, ihn anzusehen und vermied auch jetzt, auf meinem Weg nach unten, jeden Blick in diese Richtung. Wenn er so aussah, wie er sich anfühlte, konnte ich auf den Anblick gut verzichten.

      Madeleine war nun im Wohnzimmer und deckte den Tisch zum Kaffeetrinken. Der warme Apfelkuchen stand bereits auf dem Tisch. Ich setzte mich auf das Sofa und wartete, bis Madeleine sich umdrehte, um Teller aus der Küche zu holen. „Ich bin vom Zaun gefallen.“, sagte ich dann, und bevor Madeleine etwas antworten konnte fuhr ich fort: „Dabei bin ich auf meinem linken Arm gelandet. Ich wollte den Weg zur Kirche abkürzen, weil ich nicht nass werden wollte und da bin ich über den großen Drahtzaun geklettert und abgerutscht.“, ich streckte ihr den geschwollenen linken Unterarm entgegen, in der Hoffnung, dass sie über diesen Anblick vergaß, dass es verboten war, über diesen Zaun zu klettern. Das erwies sich als gute Taktik.

      Tatsächlich setzte sie sich erst einmal neben mich und zog den Arm zu sich heran. Jetzt riskierte auch ich einen Blick. Von meiner aufgeratschten Handfläche an, bis zu dem äußerst blauen und angeschwollenen Ellbogen, strahlte mein Unterarm in allen möglichen Farbabstufungen von gelb über grün zu blau, bis zu einem besonders dunklen Violett.

      Darüber

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