ich du er sie es. null DERHANK

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ich du er sie es - null DERHANK

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Aber so totaldeformiert, wie er da vor bzw. unter ihr sitzt oder hockt, sieht der Kerl aus wie der Fehldruck einer missglückten Tool-Replikation. Sein hinter, über ihm aufkragender metallischer Greifarm winkt ihr nach, als sie weitergeht, was nicht weniger aufdringlich ist als ihr Starren zuvor, aber alles noch im Rahmen, man kann sogar zurückwinken, ohne dass das was hieße. Sie winkt also zurück; der schachtelhalmartige Greifarm ist noch eindrücklicher als der Kerl selbst.

      »Yukiko ist der Meinung, keinen Gärtner zu brauchen …«, sagt Yukiko, als sie außer Hörweite des Wesens ist. Andere Anwendungen könnten sie hören, tun das aber nicht, weil sie selbst konversieren, und weil deren eigene FRIENDs schon für alles sorgen.

      Stimme antwortet nicht. Yukiko vergisst den Zwerg und betritt die Ratsschänke.

      12.

      Der Zwerg. Der persönlichkeitsverschränkte, der mit bürgerlichem Namen Albin heißende Zwerg Alberich ist weder ein klassizistischer der Wagner-Literatur, noch medizinisch ein typisch Zwergenwüchsiger. Das offensichtliche Fehlen der meisten Knochen macht ihn eher zu einem gefüllten Hautsack, einem dabei nicht einmal hautfarbenen, sondern mit einem PG von unter eins albinoiden, zugleich aber auch schwarzbunten Klumpen, von hand- bis tellergroßen Muttermalen übersät, mit lokalen PGs größer 99, und Kopf und Rumpf sind zulasten eines artikulationsfähigen Mundes halslos miteinander verwachsen und die Extremitäten verdienen die Bezeichnung nicht. Der Zwerg Alberich ist so etwas wie Gottes Resteverwertung; überlebensfähig nur, wenn mit seinem prothetischen Multifunktionsrasenmäher verschraubt und aufs Engste über ein Netzwirrwarr komplizierter Überwachungs- und Kommunikationssensorik mit dem verkabelt und verdrahtet, was man die Welt nennt und deren informationelle Essenz - sprich: den himmeL - meint. Er beherrscht die Klaviatur dieser himmeL'schen Welt, IDENTIFIZIERT SICH, nennt hunderttausend Freunde seine und jeder Lidschlag ist ein Befehl, der ihn eintauchen lässt in ihre Leben.

      Der Zwerg Alberich lässt seine Tochter ziehen, ohne sich erkennen zu geben, natürlich ohne das: a) was soll sie denken, dass ihr Daddy kein stattlich gebauter Dottore ist, sondern eine Missgeburt, die sich augenscheinlich als Tagelöhner verdingt, und b) verfolgt Alberich ganz andere Ziele mit ihr. Unter anderem.

      13.

      Beim Kaffee, den Thomas schwarz trinkt und den deinen milchschaumkakaobepuderten er mit einem dich ärgernden süffisanten Schmunzeln registriert, zeigt er dir den Weg, die geplante Wanderroute, auf einem Faltplan in seinem Handy oder Computer, was schon lange nicht mehr 'Handy' oder 'Computer' heißt, auf etwas, das man aufklappen, vielmehr ausrollen kann, wie eine Wanderkarte, aber was einen Bildschirm hat, nein, was ein Bildschirm IST, und was darüber hinaus alles, alles, was der Mensch braucht, bereithält, ein Spielzeug, das man heutzutage 'Freund' nennt und Thomas offenbar ein wahrer Freund ist.

      Diese Selbstverständlichkeit, mit der er es auf dem Tisch glättet, als wäre es Papier, und wie er mit seinen Fingern darüber wischt und huscht, gleitet und drückt, spreizt und streckt und krümmt und dehnt, das ist ein bisschen wie Liebe machen oder Klavierspielen, wie die jungen Leute macht er das, er, der Alte, doch schon während du eingeschüchtert sagst, dass du dieses neumodische Zeug nicht verstehst, ahnst du, dass dieses Ding alles andere als neu ist. Abstrakt weißt du, dass es längst viel neuere solcher Geräte gibt, du siehst, dass das, was Thomas dir da hinlegt, schon viele Jahre hinter sich hat, übersät mit Kratzspuren, und in den abgerundeten Ecken hat sich der Leim, oder was immer es zusammenhält, gelöst, sodass diese nun aussehen wie die abgegriffen Kanten eines Stücks Pappe, oder wie Hunderte übereinandergeklebte Folien, zu einer einzigen verpresst und sich nun allmählich voneinander wieder lösend, das ganze Ding zwar einrollbar, aber sperrig und zäh, Blasen werfend und die Transparenz ist milchig geworden. Aber du weißt, dass auch dieses nicht mehr neue Gerät vollgestopft ist mit winziger, fürs menschliche Auge unsichtbarer Elektronik, du weißt, dass es dich hören, sehen, riechen und sogar fühlen kann - und sogar mit dir sprechen.

      Mein Baby, sagt Thomas, hab' ich schon über zehn Jahre, aber im Gegensatz zu den Kids hole ich hier noch Sachen raus, die die mit den besten FRIENDs nicht hinkriegen. Vaterhafter Stolz.

      Tatsächlich gehören die fingerfertigen Kids inzwischen selbst zu den alten Erinnerungen, die Zeit rast, und die Kids heutzutage fingern nicht mehr, sie brauchen nur noch zu brabbeln, auf der Straße, in der Bahn, überall vor sich hinbrabbelnde Menschen; etwas, was man früher für eine psychische Störung gehalten hat, Verrückte, die Selbstgespräche führen. Es gab Zeiten, du erinnerst dich an einen Mann mittleren Alters, der sich im Bus mit niemandem, dafür umso lautstärker, über Bilanzen und Aktienkurse unterhielt - in zerrissenen, zusammenhangslosen Halbsätzen, als hörte man nur die eine Hälfte eines lebhaften Dialogs. Ein gut gekleideter Mann war das gewesen, zwar unrasiert, der Trenchcoat knittrig, das Haar zerzaust, alles nicht picobello, aber auch nicht verwahrlost, äußerlich also noch ganz nah dran an der realen Welt, vielleicht erst vor zwei, drei Tagen rausgefallen, abgetaucht, ein Mann wie nur wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche, dieser Mann hat immer wieder erschrocken aufgesehen, einmal dich sogar angesehen, womöglich von einer vorübergehenden Wachheit darauf aufmerksam gemacht, dass er irre geworden war, ER, nicht du, irgendwann während eines Lebens, in dem es vielleicht tatsächlich einmal um Bilanzen oder Kurse gegangen war. Für einen winzigen Zeitfunken der Erkenntnis war der singuläre Brabbler mit der öffentlichen Gemeinschaft - mit dir und den anderen Fahrgästen - darin einig gewesen, dass ER verrückt geworden war, ein Verrückter, der durch die Stadt geisterte, Gefangener eines Traums, den er mit niemandem teilen konnte.

      Träume, hast du immer gedacht, sind das am wenigsten Teilbare des Menschen, Träume sind ein urpersönlicher Zugang zum Ewigen, zu Gott oder auch zu seinem Kontrahenten, Träume und alle den Träumen verwandten Wahnvorstellungen sind das nicht Teilbare der Persönlichkeit - doch heutzutage bist du dir da nicht mehr sicher. Diese GERÄTE scheinen das geändert zu haben, und wenn heute einer irritiert aufsieht, weil da ein anderer vor sich hinbrabbelt, dann ist der, der aufsieht, der Verrückte, nicht der Brabbler. Der Stille ist der Nichtdazugehörige einer brabbelnden Gemeinschaft sich ihre Träume Teilender.

      Du lächelst über das 'Baby', auch wenn dir Thomas' Art des Darüberstreichens nicht geheuer ist, und dann fragst du ihn, ob das ein 'Handy' sei. Er sieht dich an, ist das Mitleid?, Ein Handy, ein … Telefon? Er lacht, gerade noch so, dass es nicht überheblich ist, schlägt dir etwas grob und ungelenk vor die Schulter, Ja, früher war so was mal ein Telefon, aber heute, und dann will er dich provozieren, er senkt die Stimme, sieht dich schelmisch und ein bisschen diabolisch an und raunt: Heute ist das der Zugang zu Gott …! Er haucht, zischt, und lacht sofort wieder, wie er deinen ehrlich erschrockenen Blick bemerkt, noch mal so ein Schlag vor die Schulter, Das ist ein uraltes END, sagt er, Und davor, das waren auch keine Handys, sondern Smartphones, und Telefon heißt das schon ewig nicht mehr.

      Du wehrst dich: Immerhin hast du es geschafft, mich anzurufen!

      Du musst an DEIN Telefon denken, das mindestens ein halbes Jahrhundert alt ist oder älter, das Telefon deiner Mama, das ihr nie gegen ein neues ausgetauscht habt, schon aus einem trotzigen Prinzip nicht, du und Willi, ihr habt euch das sozusagen geschworen, das zu behalten, den milchgrauen Kasten mit Wählscheibe und einer eingebauten Glocke, deren Reparatur dich kürzlich 250 Yen gekostet hat - bei einem Antiquitätenmechaniker, verrückt, DAS ist verrückt.

      Damals, als diese Brabbler im Bus das erste Mal ein Massenphänomen geworden waren, da haben sie wirklich telefoniert, mit kleinen, immer kleiner werdenden Handys, die sie sich ans Ohr hielten. Und Verrückte wie jener eine damals haben sich irgendwann nicht mehr von denen unterschieden, die sich mit diesen kleinen Telefonen unterhielten. Bis das eines Tages wieder vorbei war, bis es in der U-Bahn wieder still wurde, und die Menschen nicht mehr telefonierten, sondern nur noch in ihre Telefone hinein SCHAUTEN, sie befingerten und sich damit gegenseitig unsichtbare Botschaften zusandten, oder einfach nur darin lasen, jedes Telefon war eine ganze Bibliothek

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