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Wir verbrachten den Maitag zwischen Römern und Germanen, im wiederauferstandenen Nachhall eines jener Schlechtwettergemetzel, die die Geschichte durchziehen wie die Speckwürfel das Rauchbrot - ewiges Drama der Eroberer, ob Kalkriese, Little Big Horn oder Stalingrad, die Vernichtung aller großmannsüchtigen Hoffnung in Regen und Schlamm. Wie verlorene Kampfschilde lagen die rostigen Metalltafeln im Gras, versehen mit Zitaten römischer Geschichtsschreiber, die die VORAHNUNGEN der vermeintlich Unbesiegbaren, so einer der Titel, festgehalten haben:
»Die Nacht war aus ganz verschiedenen Gründen unruhig, da die Barbaren bei festlichem Mahl mit fröhlichem Gesang oder wildem Lärm die Talniederung und die widerhallenden Waldhöhen erfüllten, während bei den Römern nur matte Lagerfeuer zu sehen, abgerissene Laute zu hören waren und sie selbst verstreut am Lagerwall herumlagen, schlaflos mehr, als wirklich hellwach …«
Es berührte mich, das zu lesen, an diesem sonnigen Tag auf einem gemähten Rasen, und diesen hinter der Schranke von 2000 Jahren als unwirtliches, fremdes Land zu sehen, als Morast, durch den die römischen Legionäre mit 40 Kilo Gepäck marschiert sind, 25 Kilometer am Tag, um vier Uhr früh aufgestanden, zwischen sechs und sieben Abmarsch, und am Nachmittag ein ganzes neues Lager errichtet, mit Wall und Palisaden. Ein Beutel Hirse oder Weizen der Proviant für eine Woche, oft keine Wege, schon mal gar keine Straßen. In dieser Herbstnacht zu Beginn unserer Zeitrechnung, da war schon viel verloren, Ein bizarrer - und bei GOD falscher - Vorgeschmack auf unsere eigene kleine Reise, die am heutigen Tage nach kurzem Frühstück in Claras carnivor geprägter Küche begann.
Wir stiefelten, die Rucksäcke geschultert, die Wanderstäbe eingehängt, zum Startpunkt, zum Dom, dahin, wo wir uns tags zuvor wiedergesehen hatten und die Shintobuddhistische Gesellschaft der Meinung ist, der Dom zu O sei »kein schlechterer Ausgangspunkt für einen Walkabout als jeder andere Ort der Welt«. Und wie der Zufall es wollte - der Weg führte uns am Rathaus vorbei -, trafen wir die Bedienung von gestern wieder, auf ihrem Weg zur Arbeit; und sie einen Small Talk begann, uns sofort wiedererkannte, wie ich erst annahm, und mir vor lauter Glotz die Augen aus den Höhlen fielen, und erst dann begriff ich, dass sie sich mitnichten an uns erinnerte, denn sie stellte dieselben Fragen wie gestern, als sie uns beim Abkassieren auf die Spazierstöcke angesprochen hatte. Ich sah es ihr nach; man muss sich die Anzahl der Gäste, mit denen so eine Bedienung im Laufe eines Bedienungslebens zu tun bekommt, nur einmal hochrechnen.
Wir sprachen über das Rathaus, und den Dom, und diese unselige Geschichte, und altes Mädchen Clara packte sogar ihren Fotoapparat aus und bat das junge Mädchen Kellnerin um ein Bild von uns, vor der Altstadt von O. Es müsse aber doch eben dieser Dom mit drauf, wandte jene ein, und ich, ob das nicht zu viel verlangt wäre, sie jedoch meinte, den kleinen Umweg schon verkraften zu können, es wäre noch Zeit, bis man sie bräuchte, und so hatte ich Gelegenheit, ihr binnen weniger Minuten voll und ganz zu verfallen: Oh, diese einem japanischen Manga entsprungenen Mandelaugen! Vogelfedern von Wimpern! Lippen aus flüssigem Kupfer, gebettet in ein makelloses Gesicht; ein perfektes, weich gerundetes Dreieck aus Elfenbein, mit hoher, von einem blauschwarzen cleopatraischen Pony gesäumter Stirn und zierlich schmalem Kinn mit einem winzigen Mittelgrübchen. Das Mädchen war so überirdisch schön, dass schon die Kategorie 'Mädchen' zu kurz greift; die weite, schlichte Kleidung aus grobem hellen Leinen - langärmeliges Shirt und pluderweite Hose - ließ keinen echten Rückschluss auf den Grad der Weiblichkeit ihrer schlanken, wenn nicht sogar ausgesprochen dünngliedrigen Körperformen zu; sie war so weiblich wie zugleich androgyn, es war auch etwas Jungenhaftes oder Metasexuelles an ihr. So eine kommt aus dem himmeL, dachte ich.
Claras Kamera, ein Schwergewicht aus jener Prähistorie, aus der auch wir selbst stammten, faszinierte sie, diese ganze Mechanik zum Drehen und Drücken, und dass man in den Kasten echte analoge Kleinbildfilme einlegen müsse, die heutzutage nur noch in einem einzigen nordkoreanischen Joint-Venture-Kloster produziert werden, das hätte das Zeug zu einem echten Retrokult, wie seinerzeit die Vinylplatte, die Postkarte oder der Röhrenfernseher (von Letzteren besaß Clara tatsächlich ein Exemplar aus den 1980ern!).
Der fleischgewordenen Schönheitsexplosion war schwerlich beizubringen, dass wir nur ein einziges Foto wollten, höchstens zwei, weil die Filme so kostbar waren und jedes Bild ein analoges Original. Für sie gab es das nicht mehr, ein Foto kann man mit jedem Lidschlag aufnehmen und wie einen Schwarm Pusteblumenschirme in alle Welt versenden, sie bot uns sogar an, mithilfe ihres FRIEND oder eines herbeigerufenen Nanoschwarms oder eben tatsächlich mit den kleinen Diamanten, die auf ihren Augenlidern saßen, das Foto zu machen und uns zuzufunzen, fragte, ob mein »Ding« das empfangen könne und sah mich mit Blick auf Clara zweideutig an, als wäre ihr das unheimlich, dass da ein Mensch, eben Clara, in keiner registry zu finden sei. Aber Clara wollte selbstverständlich IHR Foto und zeigte dem Mädchen geduldig, wie so eine Kamera einzustellen sei, wo hindurchzuschauen, wo der Auslöser, und bitte wirklich nur einmal usw.
Und dann, bedankt und verabschiedet, begann unser Walk. Zuerst gingen wir noch ein Stück durch die pittoreske Altstadt von O, deren mittelalterliche Grundrisse die Bauformen vorgaben, schmal, schiefwinklig und nur so hoch, wie das vor fünfhundert oder tausend Jahren technisch möglich war. Überall Sandstein, Fachwerk und blattgoldverzierter Stuck, die spitzen Giebel bogen sich über das Klinkerpflaster der Straße, die Kaufleute der Hanse hatte jeden Kubikmeter Luftraum ausgenutzt. Von sentimentaler Schönheit, diese Häuser, und auch wenn sie sich so glichen, gab es doch Unterschiede, die sie individuell werden ließen, so individuell, wie es menschliche Wesen einst waren, 'German Houses', deren Nachbauten in Nordafrika inzwischen mehr als 20- oder 30-fach zu finden sein sollen, mitten in der Wüste von schwerreichen Tuareg nachgebaut; ganz zu schweigen von den zahllosen Repliken, wie sie in den Lifes des himmeLs zu finden sind, den second, third etc., soviel zum Thema 'Original' … was Clara nicht davon abhielt, drei dieser Gebäude auf diese ursprüngliche Art zu fotografieren - und mich nicht, ihr mithilfe meines ENDs zu jedem das passende dies und das zu erzählen.
19.
Alberich, der in die, was man Gesellschaft nennt, inkludierte Außenseiter, der - ohne das zu müssen - sein sogenanntes Brot erwirbt mit sogenannter ehrlicher Arbeit, der eine voll durchelektronisierte Mietwohnung seine eigene nennt, der Wohlfahrtsleistungen in Anspruch zu nehmen das unbeanstandete Recht genießt - was im Übrigen ein aus der Ära der Menschenrechte verbliebenes Relikt ist (wenn auch niemand, wirklich niemand ohne sich hinter vorgehaltener Hand zu verstecken von der Ära der Menschenrechte in der Vergangenheitsform zu sprechen wagen würde) -, der im Rahmen dieser Wohlfahrtsleistungen eine vergünstigte und obendrein besonders breitbandige und vor allem exzeptionell privatsphärengeschützte Connexion in den himmeL hat, der Zwerg Alberich also alles, alles hat, was man in der Mitte des 21. Jh.s mit einer amtlich anerkannten Devianz rechnerisch an Zuwendung überhaupt erwarten darf, dieser Zwerg Alberich ist und bleibt ein Straßenjunge. Ein Herumtreiber aus Überzeugung, einer, der es in geschlossenen Räumen so wenig aushält wie in seinem eigenen Körper, ein deshalb selbst gewählter Tagelöhner, der mitnichten darauf angewiesen wäre, für höhere Einkommen niedere Arbeiten zu verrichten, der im Gegenteil ein beinahe diebisches Vergnügen darin findet zu wissen, wie sehr die höheren Einkommen oftmals von seiner, Zwerg Alberichs himmeL'schen Gnade abhängen, und es mithilfe seiner - Stichwort diebisch - legal, illegal oder scheißegal aus einem pseudosicheren Datensafe gesaugten AAA-Certifizierung nur einiger weniger imaginierter Klicks bedarf, um deren Zahnbürsten, Rollläden oder Kühlschränke in widerspenstige kleine Monster zu verwandeln, oder deren Kontostände unmerklich und doch wirkungsvoll so zu desastrieren, dass es vorbei ist mit den höheren Einkommen und allen damit verbundenen Annehmlichkeiten, oder auch, wenn er nur will, der Alberich, der böse, böse Alberich, oder auch die innere Intelligenz ihrer GOD-gelenkten Fahrzeuge mit gewissen alberich'schen Manipulationen so zu modifizieren, dass deren Mortalitätsindex unvorhergesehenermaßen sprunghaft anstiege.
Alberich liebt den Himmel wie den himmeL, und während sein um diverse Gartenarbeitsfunktionen erweiterter, auf Dieselantrieb umgerüsteter und im Übrigen bis an die sich täglich