DIE GABE. Michael Stuhr

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DIE GABE - Michael Stuhr

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Leute etwas für ihre unfreiwillige Spende: Einen Abend, den sie wohl ihr - ein wenig verkürztes - Leben lang nicht vergessen würden. Das war die Logik der Darksider, von der auch Diego sich nie ganz hatte freimachen können.

      Im großen Salon erklangen die ersten Takte der Musik und das Deck leerte sich. Diego spürte, wie jemand neben ihn trat.

      „Wie geht es Sochon?“, sprach Caetan ihn an. „Man hört, er schreibt an einem Buch.“

      „Sein Opus Magnum“, bestätigte Diego. „Die Geschichte unseres Volks, so wie er sie erlebt hat.“

      „Geschichte?“ Caetan lachte auf. „Was soll denn da drin stehen? Wer soll es lesen?“

      „Ich glaube, er macht es mehr für sich selbst.“ Diego hob die Schultern und sah Caetan an. „Auf jeden Fall darf niemand das Manuskript sehen.“

      „Niemand?“ Caetan hob erstaunt die Augenbrauen. „Auch du nicht? Immerhin bist du sein Neffe.“

      „Niemand!“ Mit einer verneinenden Geste machte Diego klar, dass es sinnlos war, ihn über den Inhalt von Sochons Werk aushorchen zu wollen.

      Es war Caetan anzusehen, dass er gerne mehr gewusst hätte, aber mit einem lässig hingeworfenen: „Na, wen interessiert schon die Vergangenheit?“, beendete er zu Diegos Erleichterung von sich aus das Thema. Er wäre aber nicht Caetan, der König des Pazifischen Raums gewesen, wenn er nicht sofort seine Fühler in eine andere Richtung ausgestreckt hätte.

      „Wie alt bist du jetzt eigentlich?“ Caetan lächelte Diego an und legte ihm mit väterlicher Geste eine Hand auf die Schulter. „Entschuldige meine Neugier, aber in deinem Alter darf man das doch noch fragen, oder?“

      „Kein Problem“, winkte Diego ab. „Ich werde in ein paar Tagen Zwanzig.

      „Erdenjahre, richtig?“

      „Richtig!“, lächelte Diego. Im Glauben seines Volkes gab es ja auch noch die Planetenjahre, die jeweils vier Erdenjahre lang dauerten. Da war es schon von Bedeutung, welche Zählweise man anwandte.

      „Ein schönes Alter.“ Caetan wandte sich von Diego ab und sah auf das Meer hinaus. „Ich habe mir meine erste Frau genommen, als ich Zwanzig war. Das war eine tolle Zeit. – Wirklich ein schönes Alter!“

      Ah, darum ging es also. Caetan hatte das Gespräch mit Diego gesucht, um ihm eine seiner Töchter aufzuschwatzen. Jetzt musste Diego schnellstens die Notbremse ziehen, bevor sich in Caetans Kopf etwas verfestigte, was nicht sein konnte. „Hast du eigentlich von der Affaire um Dolores Del Toro gehört?“ fragte er, um Caetan abzulenken.

      „Wer hat das nicht?“ Caetan schnaufte unwillig. „Dolores! Sie hat sich Lebenskraft von irgendeinem Touristenmädchen geholt, aber sie hat sich nicht beherrschen können. Sie hat sie fast umgebracht und jetzt gibt es da diese Siebzehnjährige, die aussieht wie eine Greisin. Wie kann man nur so dämlich sein, sich bei so was erwischen zu lassen?“

      Ah, so war das also: Die Sache selbst war für Caetan nicht so schlimm. Das Mädchen war ihm nicht wichtig. Es war gesichtslos, namenlos. Nur dass Dolores mit ihrer Tat aufgefallen war, behagte ihm nicht. Diego spürte, wie sich in ihm etwas anspannte. „Ich habe dieses Mädchen gekannt. Sie nannte sich Felix.“

      „Ich weiß!“ Caetan sah Diego ernst an. „Du warst es, der dafür gesorgt hat, dass Dolores verurteilt wurde. Du warst der Ankläger, hat Richter Gomez mir erzählt, als er vor einer Woche hier durchgekommen ist. Warum hast du dich so für diese Felix eingesetzt? Sie hat doch sowieso nichts davon.“

      „Weil es so richtig ist, und ich war es meiner Freundin schuldig.“

      „Diese Felix war deine Freundin?“ Caetan sah Diego erstaunt an.

      „Nein, aber Lana hat sie auch gekannt.“

      „Wer ist Lana?“

      „Meine Freundin. Dolores wollte sie übrigens umbringen. Sie wollte sie mit ihrer Yacht überfahren. Ich konnte sie gerade noch retten.“

      „Deine Freundin? Mit der Yacht überfahren? Du bist mit einer Fremden befreundet? Mit einer Luftatmerin?“

      „Sie ist fantastisch!“ Diego gab seinen sowieso schon strahlenden Augen noch ein wenig Extraglanz.

      „Ach so! Glückwunsch!“ Caetan klopfte Diego kräftig auf die Schulter und wandte sich wieder dem Meer zu. Wenn er enttäuscht war, ließ er es sich nicht anmerken, aber Diego spürte, dass das Thema für den König des Pazifiks noch nicht abgeschlossen war. Caetan konnte sehr zäh sein, wenn es um seine Interessen ging. Mit Sicherheit würde er auch weiterhin versuchen, Diego mit einer seiner Töchter zu verheiraten.

      Die Band hatte eine kleine Pause gemacht, aber jetzt erklang wieder Musik im Salon. Caetan drehte sich zu Diego um. „Lass uns reingehen“, sagte er. „Die Band ist ziemlich teuer. Wäre schade, wenn wir noch mehr versäumen würden.“

      Diego war es nur recht, dass das Verhör beendet war und gemeinsam drängten sie sich durch die Menschen, die vor der Tür in der warmen Abendbrise standen und sich unterhielten. Es waren natürlich viele Fremde dabei: Luftatmer von den Motoryachten, die hier zu Dutzenden herumfuhren.

      Diego sah, dass einige Leute seines eigenen Volks schon dabei waren, sich zu bedienen. Sie standen nah bei den Fremden und nahmen ohne viel Umschweife Körperkontakt auf. Jeder von ihnen hatte seinem Nachbarn einen Arm auf die nackten Schultern gelegt, oder sonst eine Möglichkeit gefunden, um die Lebenskraft von Haut zu Haut fließen zu lassen. Manche von ihnen hatten sich diskret in schummrige Winkel zurückgezogen, während andere sich in aller Öffentlichkeit bedienten. Niemand nahm Anstoß daran. Keiner der Gäste wunderte sich über die Distanzlosigkeit der Gastgeber, so sehr standen sie unter dem Einfluss der Darksider.

      Die Musik und die genau kalkulierte, sanfte Decksbeleuchtung verbreiteten eine gemütliche Atmosphäre, Alkohol und sonstige Drogen taten ein Übriges, und natürlich setzten die Darksider auch ihre hypnotischen Fähigkeiten ein, um die Wachsamkeit ihrer Opfer zu mindern.

      Auch Caetan blieb plötzlich stehen und nahm ohne zu zögern mit einer freundschaftlichen Geste eine Frau in die Arme. Die Fremde lachte geschmeichelt auf. Es gefiel ihr, dass sie vom Gastgeber dieser prächtigen Party beachtet wurde, während jemand, der nur ihr Mann sein konnte, schafsmäßig grinsend daneben stand.

      Diego drängte sich an der Gruppe vorbei. – Wie viel Lebenskraft mochte Caetan der Frau wohl nehmen? Tage, Wochen oder Monate? Vielleicht sogar Jahre?

      Die Erinnerung an das Kind, das er ohne es zu wollen getötet hatte, drängte sich in Diegos Bewusstsein. Als Fünfjähriger hatte er ein kleines Mädchen umarmt, um es zu trösten, und plötzlich war da diese Gier gewesen. Er hatte die Lebenskraft aus ihr herausgesaugt, bis sie völlig verbraucht war. Diego hatte sich nicht unter Kontrolle gehabt, und die Kleine war in seinen Armen gestorben. Jahrelang hatte er es nicht gewagt, andere Menschen auch nur flüchtig zu berühren und noch heute lehnte er es ab, sich auf diese Art seine Jugend zu erhalten. Der Gedanke, dass auch seine Eltern sich bestimmt gerade ihr Quantum Jugend für die nächsten Tage holten, gefiel ihm nicht, aber schließlich machten sie das schon seit hunderten von Jahren. Es war nicht seine Sache, sie dafür zu verurteilen, dass sie so lebten, wie sie es gewohnt waren.

      Diego betrat den Raum, der ganz den Eindruck eines kleinen Ballsaals machte. Er lehnte sich nahe beim Eingang an das Geländer, das Tanzfläche und Sitzbereich trennte. Caetan kam schon nach und verschwand

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