Name unbekannt. J. B. Hagen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Name unbekannt - J. B. Hagen страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Name unbekannt - J. B. Hagen

Скачать книгу

scharf. »Du musst nicht denken, dass ich dumm bin und keine Augen im Kopf habe. Du bist also unzweifelhaft guter Hoffnung. Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Ein dickes Trampel ist mir in meinem Haushalt nicht von Nutzen. Ganz zu schweigen von dem Kindergeschrei, wenn das Baby erst da ist. Und die Leute werden tratschen und vermuten, der Geheimrat sei der Vater. Der Skandal wäre unbeschreiblich.«

      »Aber er ist es doch. Ich habe keinen anderen Mann an mich herangelassen«, begehrte Josefine verzweifelt auf.

      »Du wagst es, deinen Frevel offen zuzugeben?«

      »Was hätte ich denn machen sollen? Der Herr Baron ist der Herr, und ich habe mich nicht getraut, Widerstand zu leisten.«

      »Ach, Papperlapapp. Mir ist nicht entgangen, dass du ihm von Anfang an schöne Augen gemacht hast. Und er ist eben auch nur ein Mann, der der Versuchung nicht widerstehen konnte. Was hast du dir da in deinem Spatzenhirn zusammenfantasiert? Dass er mich fortschickt und du die neue Frau an seiner Seite wirst?«

      »Nein, an so etwas habe ich überhaupt nicht gedacht.«

      »Wie könntest du auch. Mein Gatte braucht eine Frau an seiner Seite, die mit ihm die gesellschaftlichen Pflichten wahrnimmt. Eine mit Geist und Kultur. Eben so jemanden wie mich. Ein unbedeutendes Stubenmädel aus der Gosse ist für ihn nur ein Stück junges Fleisch.«

      »Meine Eltern sind rechtschaffende Leute. Ich stamme keineswegs aus der Gosse.«

      »Aber dort wirst du landen. Oder glaubst du, du findest einen Mann, der dich als gefülltes Täubchen nimmt?«

      »Aber es gibt doch Mittel und Wege, um … um das ungeschehen zu machen.«

      »So, du willst uns erpressen? Mein Gatte soll dir das Geld für die Folgen deiner Leichtlebigkeit geben? Das haben schon ganz andere versucht.«

      »Wo soll ich denn hin? Zurück zu meinen Eltern kann ich auch nicht.«

      »In die Gosse, wo du hingehörst. Wenn du Glück hast, nehmen die Dirnen dich bei sich auf. Und irgendeine wird bestimmt auch die Betreuung des Kindes übernehmen, wenn du deiner neuen Arbeit nachgehst.«

      Therese lachte gehässig.

      »Übung hast du ja schon darin, dich ohne Ansehen der Person hinzugeben.«

      »Nein, ich kann das nicht. Ich bin doch keine Hure.«

      »Doch das bist du. Eine, die sich mit ihrem Körper Vorteile verschafft. Davon habe ich viele am Theater kennengelernt. Kaum eine ist dadurch glücklich geworden. Ich will, dass du auf der Stelle mein Haus verlässt. Oder ist es dir lieber, wenn ich deine Eltern informiere?«

      »Nein, bitte nicht. Meine Mutter würde die Schande nicht überleben.«

      »Dann ist alles gesagt. Der Lohn, den du noch zu beanspruchen hast, wird dir als Überbrückung dienen. Und ich bin sogar bereit, noch etwas draufzulegen, wenn du nur aus meinem Blickfeld verschwindest. Na, bin ich nicht großzügig? Und jetzt pack deine Sachen und mach dich davon!«

      Der Grunewald mit seinem geheimnisvollen Friedhof erwies sich als wahrer Magnet für Andreas. Er war geradezu süchtig danach, sich Geschichten zu den namenlosen Gräbern auszudenken. Zusätzlich machte er Fotos mit seiner Digitalkamera von den schönsten Motiven wie dem überirdisch schönen Jesusantlitz auf einem der fast vollständig zugewachsenen Grabsteine. Die Fotos, die er für besonders gelungen hielt, druckte er aus und hängte sie an die Wand, an der sein Schreibtisch stand.

      Edmund, ein rotzfrecher Rockertyp mit wilden Haaren und einer seiner beiden Mitbewohner, fand das mehr als grenzwertig.

      »Bist du jetzt unter die Nekrophilen gegangen, Alter?«, fragte er kopfschüttelnd.

      »Keineswegs. Denn es sind schließlich keine Fotos von Leichen, an denen ich mich aufgeile, sondern besonders schöne Gräber eines verwunschenen Friedhofs. Dieser Ort gibt mir viel. Ich kann dir nicht einmal erklären, warum.«

      »Dann solltest du als Totengräber oder Bestatter jobben. Da hättest du Gelegenheit, das eine oder andere kalte Händchen zu tätscheln.«

      »Red keinen Unsinn. Ich sage doch, es geht mir keinesfalls um die Leichen.«

      »Die Leichenschändung ist keineswegs eine Erscheinung der Moderne. Schon die Ägypter sollen angeblich absichtlich die Einbalsamierung der Leichen verzögert haben, um sich mit diesen sexuell zu vergnügen. Heute wird das allerdings strafrechtlich verfolgt und schwer geahndet.«

      »Kannst du nicht jemand anders mit deinem Halbwissen auf die Nerven gehen?«

      »Oh, da nimmt jemand übel. Leo, komm doch mal! Wie findest du die morbide Sammlung unseres Mitbewohners?«

      Leo rückte seine Hornbrille zurecht und strich seine aschblonden Schnittlauchlocken aus der Stirn, um anschließend interessiert die Fotos zu betrachten.

      »Jedem Tierchen sein Plaisierchen, würde ich sagen. Ich sehe da durchaus ein gewisses Talent. Warum widmest du dich nicht hauptberuflich dem Fotografieren? Oder beteilige dich mal an einem dieser Fotowettbewerbe. Vielleicht springt ein Abo einer Tageszeitung oder einer Illustrierten heraus.«

      »Weil ich es nur als ein Hobby betrachte. Und bevor noch mehr Jobvorschläge von euch kommen, solltet ihr die Tür von draußen zumachen.«

      Edmund und Leo machten sich teils amüsiert, teils pikiert davon und diskutierten in der Küche noch eine Weile. Andreas hielt sie für Ignoranten. Zumindest Edmund, denn Leos Bemerkungen waren ja nicht unbedingt negativ gewesen. Dass beide nicht nachvollziehen konnten, was ihn bewegte, lag womöglich daran, dass sie nicht die einzigartige Atmosphäre des Ortes erlebt hatten. Oder war er wirklich nicht normal? Statt blühender Wiesen oder traumhafter Sonnenuntergänge nahm er Gräber auf von Leuten, die er nicht einmal gekannt hatte. Auch dass er sich in eine Frau verlieben konnte, von der er nichts wusste und die ätherisch wie ein Geist wirkte, fiel ihm jetzt auf. Was, wenn sie wirklich einer war? Ach, Blödsinn. Deshalb war er noch lange nicht nekrophil veranlagt, entwickelte allenfalls einen Hang zum Morbiden.

      Noch am selben Abend machte sich Andreas auf in den Grunewald. Es begann schon zu dämmern, und er musste sich beeilen, dass er nicht bei völliger Dunkelheit auf dem Friedhof ankam oder womöglich gar nicht erst den Weg dorthin fand. Bewappnet mit einer Taschenlampe und seiner Kamera, die auch Nachtsichtaufnahmen zuließ, stieg er über die niedrige Mauer, denn das Tor war schon abgeschlossen.

      Sogleich fiel ihm die völlig veränderte Atmosphäre auf. Die Beschaulichkeit war einer düsteren Ahnung gewichen. Denn er nahm seltsame Energien, flüchtige Schatten und ein unheimliches Flüstern wahr. Dann sah er plötzlich die dunklen Umrisse eines flachen Gebäudes, das bei Tag nicht dort gewesen war. Moment mal, im Internet hatte er gelesen, dass es einmal eine Leichenhalle gegeben hatte, die 1911 aus Backsteinen erbaut und Jahrzehnte später wieder abgerissen worden war. Wie konnte es sein, dass er etwas sah, das nicht mehr vorhanden war? Doch es sollte nur der Auftakt zu einigen Erlebnissen sein, die ihm noch im Nachhinein Gänsehaut bescheren würden.

      In einiger Entfernung bildete sich urplötzlich ein weißer Nebel, aus dem Gestalten einer anderen Epoche hervorkamen. Andreas hätte schwören können, dass ein Soldat mit einer Uniform, wie man sie im ersten Weltkrieg getragen hatte, darunter war. Er hatte nur ein Bein und stützte sich schwerfällig auf eine Krücke. Über dem linken Auge trug er einen schmutzigweißen Verband. Ihm folgte ein abgemagerter Mann in einer

Скачать книгу