Die Regeln der Gewalt. Peter Schmidt

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Die Regeln der Gewalt - Peter Schmidt

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infizierte Hände nicht ausstehen konnte.

      Sein Magen drehte sich um, wenn er ungespültes Geschirr im Waschbecken sah. Jede Art von Dreck bereitete ihm physische Pein … und erst recht politischer …

      Noch immer hoffte er, dass es in diesem Staat allein einen großen Besen brauchte, um reinen Tisch zu machen. Nach allen Fehlschlägen der Vergangenheit war es allerdings nur noch eine schwache Hoffnung – eine die mehr glimmte als brannte, wie die Leuchtschrift über der Bar.

      In dem kleinen Raum zwischen der Tür und dem schweren, braunen Filzvorhang mit der Ledereinfassung, an dem zahllose Hände ihren Schweiß hinterlassen hatten, griff sie kurz nach seinem Hosenschlitz.

      «Schon in Fahrt?»

      Er nickte.

      «Gut so.»

      Sie zog ihn zur Theke und ließ sich auf einen Hocker plumpsen. «Wie immer», sagte sie. Und mit einem Seitenblick zu Werders: «Keine Angst, das Zeug geht auf meine Rechnung.»

      Die Wirtin stellte zwei Gläser hin. Es war ein amerikanischer Likör aus Whisky und Früchten. Werders pflegte jede Art von harten Getränken in sich hineinzustürzen. Er war nicht in der Lage, Schnaps oder Likör langsam auszutrinken – er konnte dann nicht mehr damit aufhören, obwohl niemand ihn einen echten Trinker hätte nennen können. Und jetzt war ohnehin nicht die richtige Zeit dazu.

      Er brauchte einen klaren Kopf. Das Licht in der Bar schien aus dem Nichts zu kommen; es hatte einen fahlen blauen Schimmer. Er suchte vergeblich nach einer Lichtquelle.

      «He, wen seh’ ich denn da …?» Sie rutschte von ihrem Hocker. Schon eine Weile hatte sie in das Dämmerlicht einer séparéeartig abgeteilten Tischecke geblinzelt. «Was hältst du von ‘nem flotten Vierer, Langer? Hab da was für uns entdeckt.»

      «Nicht viel, ich würde lieber …» Werders folgte ihrem Blick, als sie zum Tisch ging.

      Dort saß ein ziemlich bulliger Mann in einer abgewetzten gelben Lederjacke. Sein pelziges Haar sah dicht wie das eines Affen aus, seine Handrücken waren stark behaart. Er beugte sich über den Ausschnitt eines hübschen, aber rotgesichtigen Mädchens, das anscheinend zum Inventar gehörte.

      Lummer! Durchfuhr es ihn. Aus Sommers Gruppe. Offenbar hatte der andere ihn beim Eintreten nicht bemerkt, sonst hätte es eine Katastrophe gegeben.

      Werders wartete einen Augeblick ab, bis die Wirtin sich zum Regal wandte, um nach einer Flasche zu greifen. Dann verschwand er sachte hinter dem Filzvorhang.

      Und als er bemerkte, dass niemand seinen Rückzug entdeckt hatte, schob er leise die Tür zu und verließ so unauffällig wie möglich das Lokal.

      Er ging schnell bis zum Ende der Gasse, dann im Schutz mehrerer parkender Reisebusse über den Rathausplatz.

      Lummer galt schneller Schütze. Und er pflegte nicht zu warten, bis jemand ihm diesen Ruf streitig machte. Er hatte Birke auf dem Gewissen. Das Hirn über die Kachelwand neben dem Fahrkartenautomaten verteilt …

      Er benutzte den gleichen Browning-FN, Kaliber neun Millimeter, wie sie. Werders ging durch eine Toreinfahrt, bog in den nächsten Hauseingang und horchte auf Schritte …

      Nichts, dachte er erleichtert. Plötzlich wurde das Bedürfnis nach einem Bett und einem heißen Bad übermächtig.

       Herrgott noch mal. Da ist die Wohnung, und ich steh hier unten wegen einer Gardine, die sich bewegt hat …

      Er trat langsam aus dem Schatten des Hauseingangs und ging weiter. Das Hochhaus lag am Anfang der Parallelstraße.

      2

      Werders fuhr mit dem Lift in die Tiefgarage und ging der Reihe nach jeden parkenden Wagen ab, seine Hand in der Leinentasche versenkt, den entsicherten Browning so in der Faust, dass er jederzeit durch den Taschenrand zielen konnte.

      Keiner der Wagen war besetzt. Er sah jedes Mal auf ihre Fußmatten und die Rücksitze.

      Dann fuhr er mit dem Lift bis zur Etage, in der die Wohnung war.

      Er schlug laut die Fahrstuhltür zu, öffnete die danebenliegende Tür der Abstellkammer, in der sich Reinigungsgeräte und eine Aluminiumleiter befanden, warf sie ebenfalls vernehmlich zu – und öffnete sie sofort wieder einen Spalt weit.

      Dabei horchte er in den Gang hinaus.

      Jetzt hätte sich eigentlich etwas rühren müssen, wenn Gefahr im Anzug war. Meist postierten sie ihre Leute hinter den benachbarten Türen, und wenn sie über Funksprechgerät die Nachricht erhielten, dass er hochkam, würde das Schlagen der Tür ein Signal sein, mit der Waffe in der Hand herauszustürmen.

      Aber nichts geschah …

      Er wartete zehn Minuten ab …

      War wieder mal zu vorsichtig, dachte er und schob die Tür der Abstellkammer auf …

      Die Wohnung besaß einen Vorraum, der durch eine weitere Tür verschlossen war. Als er aufgeschlossen und die Klinke gedrückt hatte, sah er, dass im Zimmer dahinter Licht war … es flackerte bläulich und schien von einem Fernseher zu kommen. Werders erstarrte …

      Ein plötzlicher Schweißausbruch ließ ihn frösteln.

      Jetzt wieder die Nerven behalten, ermahnte er sich. Wenn sie meine Waffe sehen, schießen sie sofort. Also würde er auch ohne Warnung schießen. Falls sie hinter ihm in den Korridoren warteten, war es besser, sich den Weg nach vorn freizuschießen und über die Balkone zu flüchten. Das war seine Chance …

      Er drückte langsam die Tür zum Wohnzimmer auf. Im Fernsehsessel vor ihm schnarchte ein kleiner, graubekittelter Mann. Werders sah seine Goldzähne. Über den Bildschirm flimmerte eine Ballettrevue.

      Der Hausmeister, dachte er erleichtert.

      Als Werders sich bewegte, öffnete der kleine Mann wie durch Gedankenübertragung die Augen. «He … ach Sie sind’s», sagte er; dabei wischte er sich mit zwei Fingern über die Stirn, und Werders bemerkte erstaunt, dass er sich danach bequem wieder in den Sessel zurücksinken ließ. «Es ist nur …, weil so oft niemand da ist, schau ich hier schon mal nach dem Rechten.»

      «Vor unserem Fernsehgerät?»

      «Gehört zum Service.» Er grinste breit.

      Werders fragte sich, woher er diese Frechheit nahm.

      «Ich bin Küppers, der Hausmeister. Mit dem Zentralschlüssel lassen sich alle Türen öffnen.»

      «Und das gibt Ihnen das Recht, hier einfach …?»

      «Setzen Sie sich doch. Da am Sessel steht was zu trinken. Dosenbier.»

      «Danke. Würden Sie jetzt vielleicht …?»

      «Scheußliche Programme. Ganz scheußlich.» Er hob die Fernbedienung, um weiterzuschalten.

      Werders machte ein paar Schritte zum Fernseher und schaltete ihn ab. Dann ging er an den Wäscheschrank, legte ein frisches weißes Hemd heraus (der Geruch

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