Die Prüfung. Ralf Wider
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Prüfung - Ralf Wider страница 5
"Na ja, es war gross und unbekannt… du weisst, wie das ist. Lieber auf Nummer sicher gehen…", murmelte er schliesslich.
"Und um auf Nummer sicher zu gehen, schicken sie EINEN Mann? EIN IFO, um den "Zerstörer" zu stoppen? Nimmst du mich auf den Arm, Youssef?" Ferrys Ton war schärfer geworden. Man konnte die Ungeduld in seiner Stimme hören.
Der drahtige Araber schüttelte den Kopf und zeigte stumm an Ferry und Laura vorbei. Sie drehten sich um und entdeckten zu ihrem Erstaunen eine gesamte kleine Armada von IFOs, die hinter der Hafenmole aufstiegen. Es waren an die zwanzig Jets, die gesamte Grüne Flugstaffel! Sie mussten sich angeschlichen haben, als sie ausgestiegen waren, sonst hätte Laura sie schon vorher auf dem Radar entdeckt gehabt.
"Maria und Joe sind auch unterwegs, sie müssten in Kürze auftauchen… Ich werde mal kurz einen Lagebericht funken und Entwarnung geben!", sprach's, und rannte zu seinem IFO hinüber. Mit Maria und Joe hatte er die Staffelführer Gelb und Indigo gemeint. Damit war fast das ganze Grüne Kommando für diesen Auftrag aufgeboten worden. Das war ziemlich heftig. Die Grösse der Queen schien das Corps wirklich in Panik versetzt zu haben.
Kopfschüttelnd tauschten Laura und Ferry wiederum Blicke aus, die sowohl Unverständnis als auch Ratlosigkeit zeigten. Beiden schien das Tamtam, welches hier veranstaltet wurde, total absurd.
Sie bemerkten, wie die Grüne Staffel abrückte. Der Staffelführer war aus seinem IFO geklettert und dematerialisierte es. Er winkte ihnen zu.
"Alles klar. Ich habe das Überfallkommando nach Hause geschickt. Maria und Joe kommen aber trotzdem rasch vorbei, um euch zu begrüssen.", rief er.
"Um uns zu begrüssen, oder um zu checken, ob wir wirklich koscher sind?", raunte Ferry. Auch Laura hatte eine skeptische Miene aufgesetzt. Doch es blieb ihnen nicht viel Zeit, darüber nachzudenken: schon preschten Maria Moosbauers Glaskugel und Joe Sakutas pfeilförmiges Geschoss heran.
Die beiden Staffelführer sprangen aus den IFOs und begrüssten die Zurückgekehrten freundlich, wenn auch etwas wortkarg und distanziert. Auch sie nahmen die Queen of Atlantis unter die Lupe und nickten anerkennend. Dann verabschiedeten sie sich auch schon wieder mit ein paar Floskeln, dass man sich sicher bald sehen werde und dass sie los müssten. Auf dem Weg zu ihrer Glaskugel flüsterte Maria Youssef etwas zu. Dieser nickte nur stumm, doch sein Lächeln schien zu gefrieren.
"Wir sollten los.", meinte er. "Meine Toilette ist gleich da hinten, bei den ersten Häusern." Er zeigte über einen Platz, der den Hafen von der Stadt trennte. Von dem Platz führten mehrere Gassen und Strassen ab; irgendwo dort musste seine Türe stehen.
Die Zweier-Besatzung kletterte zurück in die Queen, um ihre Sachen zu holen. Ferry fühlte sich plötzlich unendlich müde. So hatte er sich ihre Rückkehr nicht vorgestellt. Auch Laura schien bedrückt zu sein. Schweigend griff sie nach ihrem Rucksack und tätschelte vor dem Aussteigen noch einmal kurz die Armaturen der Queen. Unten angekommen, holte Ferry den Saphir heraus und zu zweit dematerialisierten sie ihr glänzendes, neues Zweier-Schiff.
Sie beeilten sich, Youssef nachzulaufen, der vorausgegangen war. Kaum waren sie in eine der Gassen eingebogen, sahen sie auch schon die weisse Holztüre. Sie führte zu einer geräumigen Toilette, die mit wunderschönen, handbemalten Kacheln mit Mauresken verziert war. Die Armaturen waren vergoldet. Offensichtlich keine HQ-Toilette. Auf Ferrys fragenden Blick antwortete ihr Gastgeber knapp: "Das ist meine Toilette! Wir gehen erst einmal zu mir nach Hause… Ich wohne gleich hier, in Essaouira." Das erklärte, warum er als Erster zur Stelle gewesen war. Youssef drückte den Home-Button und nach wenigen Sekunden meldete das System, dass sie angekommen waren.
Youssef öffnete die Tür und führte die beiden Piloten in sein Haus. Es war ein altes Haus, weitläufig, zweigeschossig, es hatte einen Innenhof mit Wasserfläche, auf der Rosenblätter trieben. Es duftete herrlich nach Weihrauch, Amber und orientalischen Gewürzen. Überall lagen und hingen bunte Teppiche. Youssef führte sie zu einer Nische im Patio, die mit bequemen Liegen und bunten Kissen ausgestattet war. Eine grosse Holzschale, übervoll mit Orangen, stand auf einem kleinen Beistelltisch. Der Gastgeber bat sie, sich zu setzen. Er klatschte in die Hände und rief etwas auf arabisch in Richtung einer der reichverzierten und geschnitzten Türen, die von dem Innenhof abgingen.
Überwältigt von der plötzlichen Farbenpracht, nach so vielen Tagen in grauer und matter Umgebung, liessen sie sich in die Kissen fallen. Ferry sog gierig die süsse Luft ein und Laura seufzte genüsslich.
"Schön hast du's hier!", staunte sie anerkennend, an Youssef gewandt. Dann zögerte sie einen Augenblick und ihre Züge wurden ernst. "Aber ich denke, wir sollten schnellstmöglich ins Hauptquartier…"
"Erst gibt es Tee und Gebäck, das schreibt die Gastfreundschaft vor… Paris holt euch ab.", erwiderte der Marokkaner.
Eine hübsche junge Frau in einer altmodischen Dienstmädchenuniform hatte süssen Tee und klebriges Gebäck gebracht. Laura und Ferry waren hungrig und durstig, und die gereichten Dinge waren eine Wohltat. Youssef war immer noch nicht gesprächiger. Sie hatten noch einmal nachgebohrt, was los sei, doch er hatte nur wiederholt, dass Paris auf dem Weg hierher sei und er ihnen alles erklären könne. Um die peinliche Stille, die darauf folgte, zu überwinden, führte er sie in seinem Haus herum. Im oberen Stockwerk führte er sie durch ein gemütlich eingerichtetes Zimmer auf einen Balkon, der zur Strasse hin ging.
Draussen war es laut, das bunte Treiben der Stadt drang zu ihnen herauf und sie merkten erst jetzt, dass man von dem Hupen der Autos und Mofas, dem Geschrei der Händler und dem allgemeinen Brummen der Stadt in dem Innenhof nichts gehört hatte.
Fasziniert betrachteten sie das Gewusel in der engen Gasse unter sich. Alles war voller Farben und Gerüche, Männern in langen Gewändern und Frauen mit Kopftüchern. Die Leute lachten, redeten, tranken Tee oder kauften ein. Ferry und Laura verliebten sich sofort in diese Stadt, die so lebensfroh und bunt war. Nach der Zeit der Isolation, versteckt in Höhlen, ständig auf der Flucht, schien ihnen dieser Ort dem Paradies sehr nahe zu kommen.
Das hübsche Dienstmädchen mit der dunklen Haut und den markanten Gesichtszügen des Berber-Volkes hatte ihnen nochmals Tee und Gebäck gebracht, auf den Balkon; Youssef hatte sich entschuldigt und war verschwunden. Aneinander gelehnt standen sie auf dem Balkon und genossen die Aussicht, während sie den süssen, duftenden Tee schlürften.
"Ihr seid also zurück...", tönte ein Bass hinter ihnen; sie fuhren erschrocken herum. Paris war gekommen.
"Paris!", riefen sie gleichzeitig und strahlten ihn an. Ferry ging mit weit ausgebreiteten Armen auf seinen langjährigen Freund zu, um ihn zu umarmen. Dieser jedoch verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Ferry prüfend an. Sein Gesicht schien in Stein gemeisselt zu sein. Keine Regung. Keine Freude, sie wiederzusehen.
"Commander.", nickte er eine minimalistische Begrüssung. Sehr offiziell. Zu offiziell. Gar nicht freundschaftlich. Paris schaute zu Laura hinüber und bedachte auch sie mit einem Kopfnicken.
"Hidalgo." Laura erstarrte zur Salzsäule. Normalerweise nannte er sie Laura, oder Squad Leader. Wenn er den Grad wegliess, konnte das nur heissen, dass sie gefeuert war! Ein Kloss bildete sich in ihrem Hals und Tränen schossen ihr in die Augen: ihr schlimmster Alptraum schien gerade Wirklichkeit geworden zu sein.
Ferry zog die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts. Er musterte seinen Vorgesetzten eingehend: Paris war gealtert. Sein früher fast pechschwarzes Haar war von vielen silbrigen Streifen durchzogen. Wie war das möglich? Sie waren doch gerade mal vielleicht zehn Tage