STURM ÜBER THEDRA. Michael Stuhr

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STURM ÜBER THEDRA - Michael Stuhr

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wußte sehr wohl, dass er sein Versteck selbst verraten hatte, als er brüllend vor Angst erwacht war. Da machte es schon nichts mehr aus, dass er bei seiner wilden Flucht vor den Traumgespenstern auch noch ein Regal umgerissen hatte. Kurzum: Die ganze Beobachterei, die Sklaven, die Werkstatt, alles war ihm verleidet. Wie konnte er je König der Stoffmacher werden, wenn seine Sklaven sich schon im Traum gegen ihn erhoben?

      Unwillig gab Llauk es vor sich selber zu: Er hatte Angst vor den Sklaven! Er würde nie mit Sklaven zusammenarbeiten können.

      Niedergeschlagen saß Llauk am Feuer der Wohnstube und starrte trübsinnig in die Flammen. Er hatte verloren. - Verloren, bevor er überhaupt eine Möglichkeit gehabt hatte, zu beweisen, was wirklich in ihm steckte. Angst vor Sklaven - lächerlich! Aber er konnte nichts dagegen tun. Sobald er nur an die Werkstatt dachte, überkam ihn eine tiefinnerliche Unruhe. Immer wieder mußte er an seinen Traum denken - diesen verfluchten Traum.

      "Und los!" Llauks Vater legte sich kräftig ins Geschirr, und der schwere Karren setzte sich zögernd in Bewegung. Neben ihm stemmte Tos eb Far, der Dramile, seine Zehen in den Sand des Weges und zog gleichfalls nach Kräften.

      Widerwillig zerrte auch Llauk ein wenig an den Strängen, die ihn mit dem kleineren Karren verbanden. Amüsiert tat es ihm der zwölfjährige Farrauq, sein Gespannpartner, der jüngste Fronarbeiter seines Vaters, gleich. "Ich glaube, so wird das nichts, junger Herr Llauk", meinte er dann grinsend, "wir werden schon richtig ziehen müssen."

      Mit einem Aufschrei der Wut warf Llauk sich ins Geschirr, dass der Sand unter seinen Füßen aufstiebte. Aufbäumen sollte sich der Karren, einen Satz nach vorn machen. - Zermalmen sollte er diesen unverschämten Sklavenlümmel!

      Aber das tat der kleine Karren nicht. Vielmehr stellte er sich durch den einseitigen Zug quer und es ging überhaupt nicht mehr vorwärts. Erst als Farrauq sich gemächlich vorbeugte und die Kraft seines drahtigen Körpers wohlüberlegt einsetzte, reichte die Zugkraft aus. Langsam und schwankend drehte sich das Gefährt in die richtige Richtung und rollte an.

      "Die Ladung ist zu schwer!", schrie Llauk seinem Vater hinterher, von dem er unter dem vorausgefahrenen großen Karren nur noch die Beine sah. Er erhielt noch nicht einmal eine Antwort. "Zieh!", zischte der Sklave neben ihm.

      Tränen der Wut stiegen Llauk in die Augenwinkel und ein würgendes Gefühl in seiner Kehle wollte ihm die Luft abschnüren. So weit war es also gekommen: Jetzt ging er schon mit einem Sklaven im Gespann!

      Wie sehr hatte er sich darauf gefreut, nach Thedra zu kommen, als sein Vater ihm versprochen hatte, dass er in diesem Jahr erstmals mitkommen dürfe. Seine besten Kleider hatte er herausgeholt und in Ordnung gebracht. Schließlich sollten die Thedraner sehen, dass auch ein Knabe aus der Provinz Idur sich zu kleiden verstand. Seine besten Schuhe hatte er anziehen wollen; die kostbaren, teilweise mit Erdhörnchenfell beschlagenen Holzschuhe, die ihm zwar nicht mehr so recht paßten, es für die Fahrt auf dem Karren und die Kaufmannskontore in Thedra aber noch tun würden.

      Jetzt stampfte er wütend mit seinen Alltagsholzschuhen den Sand und den Schlamm vor dem Wagen platt, und bald würde er auch die ausziehen müssen, weil sie seine Füße wundscheuerten. Barfuß, vor den Karren gespannt, tief vorgebeugt, in seinen guten Kleidern schwitzend, haderte Llauk mit seinem Schicksal.

      Hätte doch nur seine Mutter noch gelebt! Sie war eine echte Stoffmacherin gewesen, die zwischen Herren und Sklaven zu unterscheiden verstand. Nie hätte sie zugelassen, dass ihr Mann oder ihr Sohn selbst die Karren gezogen hätten. Nie hätte sie geduldet, dass der Vater das Haus für die Dauer der Reise in der Obhut der Sklaven ließ. Nie!

      Blind vor Wut legte Llauk sich ins Zeug. Sein Zorn gab ihm ungeahnte Kräfte. Leicht lief der Karren plötzlich, ganz leicht. - Zu leicht!

      "Vorsicht! Zieh doch nicht so!"

      Aus seinen Tagträumen erwachend, sah Llauk, wie Farrauq neben ihm sich verzweifelt gegen den Karren stemmte. Sie waren auf eine abschüssige Strecke geraten. Der Wagen war schnell geworden und kam direkt auf Llauk zu. Der versuchte zur Seite zu springen und riß dabei natürlich stark an der Zugleine. Der Karren drehte sich unkontrollierbar zur Seite.

      Farrauq stemmte sich mit aller Kraft gegen das schwere Gefährt, aber Llauk machte, mit seinem ängstlichen Gehopse und Gereiße an dem Seil, all seine Bemühungen, den Karren zu stoppen, zunichte. Plötzlich streifte Farrauq mit zwei geschmeidigen Bewegungen das Zuggeschirr von seinen Schultern und warf sich aus der Fahrspur.

      Jetzt war Llauk ganz allein vor dem taumelnden, immer schneller werdenden Gefährt. In panischem Entsetzen drehte Llauk sich um und fing an, den Berg hinabzurennen. Dass er dabei wieder das Zugseil unter Spannung setzte, fiel ihm gar nicht auf. Drohend mahlten hinter ihm die Holzräder über den Schotter. Immer schneller wurde der Karren. Llauk rannte um sein Leben.

      Vor Angst laut brüllend raste Llauk in vollem Geschirr den Hügel hinunter, vor dem Karren her, der ihm in wildem Zickzack folgte. - Vorbei an Bäumen und Sträuchern, über Steine und Sand, die Böschung hinauf und hinunter, vorbei am Karren seines Vaters, bis er schließlich weit hinter dem Fuß der Senke zum Stehen kam.

      Immer noch völlig außer Atem kniete Llauk vor dem Karren im Sand, als sein Vater und Tos mit ihrem Wagen vorbeikamen. Farrauq, der die ganze Zeit hinten am Karren gehangen und gebremst hatte, legte sich schon wieder sein Zuggeschirr um.

      Der Vater würdigte Llauk nicht eines Blickes. "Gut gemacht", brummte er nur im Vorübergehen, und dass er damit nicht gerade seinen Sohn meinte, war klar.

      Thedra! Was für eine Stadt! Llauk war begeistert. Natürlich hatte er schon von den Eigentümlichkeiten der `Felsenklippenstadt' wie man Thedra in Idur gerne nannte, gehört. Aber was für ein Unterschied war es, von diesem Wunder der Natur und des menschlichen Fleißes nur zu hören, oder es auch mit eigenen Augen zu sehen.

      Nicht einmal, wohl an die zwanzigmal hatte Llauk Thedra schon betreten, bis die Karren auf dem Platz vor der Stadt endlich entladen waren und die Sklaven damit heimkehren konnten. Zwanzigmal war er, mit Stoffballen bepackt, den schmalen Passweg entlang gestolpert, der an der Stadtgrenze nur aus einem kaum zwei Ellen breiten Felssims an einer überhängenden Felswand bestand. An die zwanzigmal hatte er erlebt, wie das Panorama der großartigsten aller Städte, wie er fand, sich seinen Augen erschloß.

      Tatsächlich war das Bild, das Thedra dem Wanderer, der über den Passweg kam, bot, beeindruckend. Dutzende hoch aufragender Klippen breiteten sich in unübersehbarem Durcheinander vor den Füßen des Ankömmlings aus.

      Durchzogen war dieses Gewirr gigantischer Felsbrocken von kurzen Straßen, engen Gassen und Hunderten von Treppen und Treppchen, auf denen Menschen in bunter Kleidung bald in diese, bald in jene Richtung eilten.

      Immer wieder war Llauk stehengeblieben und hatte in die Stadt hinuntergespäht. Immer wieder tauchten an allen möglichen Stellen völlig unvermutet Menschen aus den Felsen auf. Llauk staunte, wie groß diese Stadt war. Hunderte von Menschen mußten hier wohnen.

      Doch was war das alles gegen den Hafen. Llauk war noch niemals aus Idur herausgekommen und hatte noch nicht einmal ein Flußschiff gesehen. Da lagen sie nun zu seinen Füßen, die Ein-, Zwei- und Dreimaster, die mit der Ware seines Vaters in alle Welt hinausfahren würden.

      Llauk konnte es gar nicht erwarten, zum Hafen hinunterzugehen und sich die Schiffe genauer anzusehen. Wenn doch nur erst diese Schlepperei, diese Sklavenarbeit, zu Ende wäre. Schon hatte die alte Verdrießlichkeit ihn wieder eingeholt. Lustlos und mürrisch trug er Tuchballen für Tuchballen zu dem Depot an der Stadtgrenze, das sein Vater ihm gezeigt hatte.

      Großzügig

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