Alltagsattraktionen. Jan Lipowski

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Alltagsattraktionen - Jan Lipowski

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Grillen zirpten auf einer höheren Frequenz und ein orangefarbener Mond leuchtete knapp über dem Bodden.

      In den Folgetagen besuchten wir Kunstausstellungen, die kleine Inselbibliothek, wo Vater bald Aquarelle zeigt, das Zeltkino, sämtliche Häfen der Insel – drei an der Zahl – und natürlich den vom Wetterbericht bestens bekannten Leuchtturm auf dem Dornbusch, der, wie sich am Jahresende herausstellen sollte, 2004 mit genau zweitausendvier Sonnenstunden der sonnigste Ort Deutschlands war.

      Beim Abendspaziergang zur »Heiderose« kam uns ein älteres Pärchen mit tief gebräunten Gesichtern und weißem Haar entgegen – vor dreißig Jahren war dies bei den beiden sicher farblich umgekehrt. Auf dem Rückweg trieben plötzlich dichte Nebelschwaden über die Heidelandschaft. Trotzdem wurden wir von gierigen Mückenschwärmen gefunden, die ebenfalls über die Heide zogen. Unter leichtem Blutverlust gelangen mir einige Fotos vom Schauspiel der Nebelbänke.

      Wir genossen Tage voller Entspannung und Beschaulichkeit. Idylle, Ruhe und beste Luft umgaben uns – von unserem Zimmer einmal abgesehen. Morgens krähte es überall im Dorf – besonders laut der Hahn gegenüber unserem Quartier. Durch das stets sperrangelweit offen stehende Fenster hörten wir Pferdefuhrwerke und Fahrräder auf dem Sandweg knirschen und abends späte Heimkehrer. Auch Gesprächsfetzen drangen dann herauf. »Der Vorteil solcher Gläser ist doch, dass man nicht bis zum Eichstrich…« »Ja, ja – aber so war das doch schon zu Ostzeiten…« »Othello-Keks mit viel Butter und dann noch einen Keks obendrauf!« »… nein, morgen mal wieder ein Frühstücksei…«, hörte ich als Letztes bevor ich einschlief.

      Und am nächsten Tag fand ich vor unserem Haus ein Ei. Tatsächlich! Ein makellos weißes Hühnerei, das auf der Wiese direkt neben dem Weg lag. Die dicken Hennen scharrten abseits. Freudig hob ich es auf.

      Ich: »Oh, guck mal, ein Ei. Das kochen wir uns.«

      Die Liebste: »Nein, lass das liegen. Das kann man nicht so einfach mitnehmen und essen.«

      I.: »Wieso? – Das kochen wir uns morgen zum Frühstück.«

      D. L.: »Nee.«

      I.: »Heute Morgen wolltest du sogar den Hahn in den Topf stecken!«

      D. L.: »Komm, das frühe Herumgekrähe hat dich doch auch gestört!«

      I.: »Ja, dann nehmen wir das Ei eben als … Wiedergutmachung mit.«

      D. L.: »Der Hahn wird es ja wohl kaum gelegt haben!«

      I.: »Mag sein … aber so ein frisches Ei haben wir noch nie gehabt! Ist vielleicht eine Viertelstunde alt, quasi noch legewarm.«

      D. L.: »Ha – es lag doch in der Sonne! Außerdem ist das noch viel zu frisch, so schnell darf man das gar nicht essen.«

      I.: »Wie? Zu frisch? Das versteh’ ich jetzt echt nicht.«

      D. L.: »Na ja, eben zu frisch. Habe ich mal gelesen.«

      I.: »So was habe ich noch nicht mal gehört. Willst du es nun morgen zum Frühstück?«

      D. L.: »Nein.«

      I.: »Warum nicht?«

      D. L.: »Da kommt ein Küken raus.«

      I.: »Morgen noch nicht.«

      D. L. »Iiiih, bist du eklig!«

      I.: »Hmm. Aber überleg doch mal: ein makelloses und kostenloses Hühnerei zum Frühstück! Und morgen ist es auch nicht mehr ganz so frisch.«

      D. L.: »Nein!«

      I.: »Aber du hast doch sonst immer Appetit auf ein Frühstücksei?«

      D. L.: »Ja. Sonst.«

      I.: »Ja?«

      D. L.: »Ja, aber nur auf ein richtiges, eins mit Stempel und so… Und wer weiß wie l-a-a-n-g-e-e dieses Ei hier schon so herumliegt!«

      I.: »!?«

       Ich habe nicht mehr herausbekommen, was an frischen Eiern nicht stimmen sollte, außer dass sie nicht schon ewig in der Sonne gelegen haben konnten. Aber es war mir nun auch irgendwie suspekt und ich legte das Ei wieder ins Gras zurück. Es hatte also doch einen entscheidenden Makel: Es lag einfach so auf der Wiese herum.

      Erst am letzten Urlaubsmorgen wünschte sich die Liebste wieder ein Frühstücksei. Im Gras lag natürlich keins und sonntags hatte der Dorfladen zu. Aber immerhin erfuhr ich vom Nachbarn, der leider keine Eier übrig hatte, weil seine Hühner neuerdings kaum noch legten (zumindest fand er kaum noch Eier im Stall), dass bis vor kurzem ein Marder unter dem Dach unseres Quartiers sein Unwesen getrieben hatte. Vor etwa drei Wochen wurde das Loch entdeckt und sogleich zugemauert.

      Vielleicht hätte man den Marder vorher herauslassen sollen…? Oder wenigstens die Eier entfernen, von denen er scheinbar eine ganze Anzahl unter dem Dach gehortet hatte…? – Von wegen faulendes Reetdach!

      Die wilde Geschichte von Garik

       Garik weilt nicht mehr unter uns. Sein Leben war kurz und wild und international. Er trug einen kaukasischen Namen, stammte aus St. Petersburg und starb in Deutschland. Die Frauen liebten ihn und er liebte die Frauen. Er war kein Kostverächter, immer hungrig und mochte Katzen sehr. Auch Männer hatten bei ihm Chancen, zumindest wenn sie ihn fütterten, denn Garik war eine norwegische Waldkatze, zumindest mehrheitlich. Doch das sah ihm Flink nicht an, als er sich den winzigen Kater für ein paar Rubel in einer dunklen St. Petersburger Seitenstraße aufschwatzen ließ. Ein niedliches Kätzchen, welches Flink letztlich aber aus rein strategischen Gründen erwarb…

      Als deutscher Austauschstudent im 16. Semester, der lieber Frauen als Betriebswirtschaft studierte, hatte er bereits so einige Rückschläge erlebt: Das Arbitrage-Fiasko durch die plötzliche Abwertung des Rubels, welche die 5.000 Kondome quasi unverkäuflich machte, die er vermeintlich günstig in Deutschland beschafft hatte, seine somit klamme Kasse und die davon in Mitleidenschaft gezogenen Erfahrungen mit russischen Frauen, die auch seinen Kondom-Eigenverbrauch auf dem Nullpunkt einfroren. Von den Sprachschwierigkeiten ganz zu schweigen, jedenfalls hatte er ja auch erst in der 11. Klasse verstanden, warum bei den Kosmonauten CCCP statt UdSSR auf dem Helm stand. Und auch sein zweites erhofftes Finanzierungsstandbein gab keinerlei Halt. Dabei fand er die Idee zur Partnervermittlung genial! In Deutschland hatte er eine Annonce aufgegeben: »Für das Geld, was Sie einer deutschen Emanze für ein Abendessen sinnlos in den Rachen werfen, bekommen Sie bei uns eine russische Frau fürs ganze Leben!« Und umgekehrt wollte er nun in einer russischen Gazette inserieren: »Wohlsituierte deutsche Männer mit ehrbaren Absichten suchen liebevolle russische Partnerinnen. Bildzuschriften bitte an die Partneragentur Garik.« – Hatte er die erste Anzeige etwa nicht peppig genug formuliert oder hat sie die EMMA vielleicht nur noch nicht abgedruckt? Bisher traf jedenfalls keine einzige Zuschrift ein.

      Nun besaß Flink also einen kleinen Kater, den er ersatzweise Garik taufte. Wie erwähnt, leitete ihn ein von niederen Instinkten getriebenes Kalkül, welches stark gekürzt auf Folgendes hinauslief: Zum Tee eingeladene Frauen streicheln Garik und er, Flink, darf dann die von seiner Tierliebe tief gerührten und vertrauensseligen Frauen streicheln, worauf die St. Petersburgerinnen ihre Heiligkeit nebst Kleidung ablegen sollten… So viel zur Theorie. Doch in praxi ließ Garik immer nur den ersten Teil zu! Die Frauen durften ihn streicheln, aber Garik beanspruchte sie ganz für sich allein. Denn schon

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