Die Leiden des Henri Debras. Maike Braun

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Leiden des Henri Debras - Maike Braun страница 11

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Leiden des Henri Debras - Maike Braun

Скачать книгу

ein paar Tagen werde er wiederkommen. Wenn noch jemand im Haushalt erkranke, solle sie ihm unverzüglich Bescheid geben.

      „Herr Doktor, wie stellen Sie sich das vor? Jede halbe Stunde. Ich bin jetzt schon hinterher. Hundert Sträuße hätte ich heute Morgen abliefern sollen. Die Kiste steht auf der Kommode und es sind nur fünfzig Sträuße darin. Und jetzt, wo das Kind mir nicht helfen kann, fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.“

      „Machen Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Dann wird Rosalie auch bald wieder gesund und kann Ihnen helfen.“ Die Schrunden an den Fingern des Mädchens waren ihm nicht entgangen.

      Madame Debra richtete sich auf. „Wir sind arme Leute. Da muss jeder mithelfen.“ Trotz lag in ihrer Stimme.

      „Ich weiß, wie das ist, mit knurrendem Magen einschlafen zu müssen“, sagte er. Er hatte sich als Waise das Schulgeld selbst verdienen müssen und oft genug am Essen gespart.

      „Das sieht man Ihnen jetzt aber nicht mehr an“, sagte sie und boxte ihn in die Seite.

      „Wann kommt eigentlich Ihren Schwager zurück?“, fragte Tisson und wuchtete die Arzttasche zwischen sich und die Frau, um das Stethoskop darin zu verstauen.

      Madame Debra legte den Kopf schräg. „Nicht vor dem Abendessen, wieso?“

      „Nimmt er regelmäßig seine Arznei?“

      „Das kommt noch dazu“, begann Madame Debra, erneut zu lamentieren, und eine Schläue schlich sich in ihr Gesicht. „Das Geld für die Arznei. Den Armen nimmt man’s, wo es nur geht. Aber wem sage ich das, Herr Doktor. Sie wissen ja offensichtlich selbst, wie das ist.“ Sie sah Tisson auffordernd an.

      Wortlos legte der eine Münze auf den Tisch, obwohl er wusste, dass sie die Arznei umsonst erhalten hatte.

      „Ich danke Ihnen, Herr Doktor. Ich danke Ihnen. Sie sind ein wahrer Freund der Armen. Ich werde Henri Bescheid sagen, dass Sie hier waren.“ Sie ließ die Münze in ihrer Rocktasche gleiten. „Soll ich ihn ins Hospital schicken, wenn er kommt?“

      „Das ist nicht nötig. Aber für das Kind gezuckerten Wein, jede halbe Stunde, und etwas Brot. Haben Sie verstanden?“

      „Ja, doch, ja“, sagte sie und brachte Tisson zur Tür.

      Am nächsten Morgen stellte Tisson gerade sein Véloziped im Schuppen unter, als ihm der Stallbursche entgegenkam und sagte, er solle zum Professor, „Sofort!“

      „Wann wollen Sie denn den Professor schon gesehen haben?“, fragte Tisson und zog seine Uhr aus der Rocktasche. „Morgens um kurz nach acht?“

      Der Stallbursche stützte sich auf seine Mistgabel und sagte: „Der Herr Professor und ich, wir unterhalten uns jeden Morgen über die Pferde. Er liebt Pferde. Um acht Uhr morgens genauso wie um acht Uhr abends.“ Er kniff die Augen zusammen. „Er schätzt meinen Rat, was Pferde betrifft.“

      „Schon gut. Hat er gesagt, worum es geht?“

      „Er hat vor allem gesagt: sofort“, erwiderte der Stallbursche und kippte Tisson eine Gabel Mist vor die Füße.

      Tisson sprang zur Seite und hastete in das Gebäude. Hatte Aupy etwa erfahren, dass er Henri zu Hause aufgesucht hatte? Und wenn schon, er hatte dessen Nichte behandelt. Aupy konnte ihm nichts vorwerfen.

      Tisson wischte sich die Locken aus dem Gesicht, klopfte an und betrat Aupys Arbeitszimmer.

      Aupy schlug sein Notizbuch zu, fixierte Tisson. „Ich habe es schon einmal gesagt: für die Patienten mögen Sie Arzt sein, für mich nicht. Und solange Sie das nicht sind, geben Sie sich auch nicht dafür aus. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

      „Ich versichere Ihnen, Herr Professor, ich habe nichts dergleichen getan.“

      „Man hat Sie mit diesem portugiesischen Armenarzt gesehen“, schnitt ihm Aupy das Wort ab. „Ich nehme nicht an, dass Sie ihn begleitet haben, um nach Hysterischen Ausschau zu halten?“

      Der Blumenstrauß, der Rotschopf. Deswegen war der ihm bekannt vorgekommen.

      „Was auch immer man Ihnen berichtet haben mag, Herr Professor, ich schaue Dr. Laçao lediglich über die Schulter. Es geht mir um die praktische Anschauung.“

      „So, so. Praktische Anschauung. Dann kommen Sie mal mit.“

      Tisson folgte ihm ins Nebenzimmer, wo Arlette, das Mädchen mit dem Kirschmund, auf einem Stuhl saß, die Beine übereinander geschlagen.

      Aupy zog einen Stab aus seiner Rocktasche hervor und reichte ihn Tisson.

      “Hier! Demonstrieren Sie mir Ihre praktischen Fähigkeiten.“

      Tissons Blick wanderte zwischen dem Stab und Aupy hin und her.

      „Was ist? Worauf warten Sie?“, fragte Aupy.

      Tisson gestand, er wisse nicht, was es mit dem Stab auf sich habe.

      „Aha! Hier zögern Sie.“ Aupy nahm ihm den Stab wieder weg. „Aber mit einem Messer glauben, sie hantieren zu können, nur weil es sich um einen Gebrauchsgegenstand handelt. Damit, glauben Sie, können Sie an wehrlosen Patienten herumschnippeln.“

      Woher wusste Aupy von der Ausschabung? Hatte sich die Kunde von der Diphtherie im ganzen Viertel ausgebreitet?

      „Sie sind hier nicht auf einem Schiff, wo sie nach Belieben an irgendwelchen Wilden Ihre Kunstfertigkeit üben können“, fuhr Aupy fort. „Sie befinden sich in Bordeaux. Sie sind ein Mitglied der Medizinischen Fakultät. Sie haben einen Ruf zu vertreten.“

      Tisson wollte sein Handeln rechtfertigen, als ihn Arlettes Kichern aus dem Konzept brachte. Sie zog einen Schmollmund und bewegte den Zeigefinger hin und her. Tisson zwang sich geradeaus zu blicken.

      „Dr. Laçao nahm die Ausschabungen vor. Ich habe nur zugeschaut“, sagte er schließlich.

      „Es gab keine ... Komplikationen?“

      „Nein, wie kommen Sie darauf? Es handelte sich um einen einfachen Fall von Diphtherie.“

      Dann müsse er seine Quellen überprüfen, murmelte Aupy. „Wie dem auch sei“, sprach er mit lauter Stimme weiter. „Wenn Ihnen praktische Anschauung fehlt, dann kommen Sie zu mir. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“

      Tisson nickte. Aus den Augenwinkeln nahm er war, wie Arlette Grimassen schnitt.

      Was ihm zum Thema Hypnose einfalle, wollte Aupy wissen.

      Er habe sich damit bisher noch nicht befasst, antwortete Tisson und konzentrierte sich auf seine Schuhspitzen.

      Dann werde er ihm jetzt praktischen Anschauungsunterricht geben und die Patientin hypnotisieren, erwiderte Aupy.

      Er trat vor Arlette, zog den Stab wieder hervor und hielt ihn vor ihr Gesicht. Nach wenigen Sekunden fielen ihre Augen zu. Er wies Tisson an, Arlettes Arm anzuheben.

      Der legte Zeigefinger und Ringfinger unter das linke Handgelenk des Mädchens, hob seine Hand und damit ihren Arm und ließ ihn dann los. Der Arm klatschte auf den Rock. Er wiederholte das Gleiche

Скачать книгу