Tauziehen am Myrtenkranz. Wilma Burk
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„Christa, meine Cousine, wollte unbedingt mal zum Columbiadamm am Flughafen Tempelhof …“
„Ihr seid doch nicht etwa auf der Flaniermeile gewesen, wo die Ami-Soldaten mit den bereitwilligen so genannten „deutschen Fräuleins“ anbandeln können?“
„Warum nicht? Man kann es sich doch mal ansehen.“
„Und dort hast du …?“
„Ja, dort! Ich war gestolpert, wäre hingefallen, wenn er mich nicht aufgefangen hätte. Der Blick dann aus seinen dunklen Augen, als ich aufsah … das war … ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Sie ließen mich nicht mehr los. War das bei dir und Konrad auch so?“
„Ich glaube, ja.“ Konnte ich mich daran noch erinnern? Ich fühlte mich wie eine alte Ehefrau.
Wie erfüllt sie von ihrer Verliebtheit war, sicher blind gegen jeden Einwand. Sie schwärmte davon, wie er gelacht hatte, mit seinem Akzent ‚Hoppla’ sagte und sie beinahe nicht mehr losließ. „Ich war wie gelähmt, wollte weg und zugleich bleiben. Dabei zog mich sein Blick immer wieder an.“
„Dann hat es dich wirklich erwischt“, stellte ich fest und kam mir dabei sehr erfahren vor.
Zusammen sind sie weitergegangen. Christa mit seinem Freund hinter ihnen. „Es war lustig, wie wir uns verständigten, mit Händen und Füßen“, erzählte sie. „Sie konnten nur ein paar Worte Deutsch und wir nur ein paar Worte Englisch. Nie hätte ich geglaubt, dass man sich trotzdem unterhalten kann. Das kannst du dir nicht vorstellen. Danach haben wir uns fast jeden Tag getroffen. Unglaublich, was wir uns mit den wenigen Worten bereits erzählt haben. Ich glaube, wir verstehen uns auch ohne Worte. Jetzt will er sogar bald meine Eltern besuchen.“
„Geht das nicht ein bisschen schnell?“
Da lachte Brigitte. „Und wie war das bei Konrad und dir?“
Weiter kam sie nicht. „Was gibt’s?“, erklang die ungeduldige Stimme von Fräulein Krause, von einem missbilligenden Blick begleitet. Lange genug hatte sie uns tuscheln lassen. Monika und Waltraud hoben ihre Köpfe und sahen neugierig zu uns herüber.
Ehe wir uns der Arbeit zuwandten und in die Tasten der Schreibmaschine griffen, deutete Brigitte noch auf ihre Beine. Sie trug Nylonstrümpfe, die in diesen Tagen begehrten „Nylons“. Das war sicher ein Geschenk von Jonny.
Einen amerikanischen Freund zu haben, war in dieser Zeit etwas Besonderes – oder aber auch etwas Zweifelhaftes, wie wir das bei Monika und Waltraud beurteilten. Und Brigitte? Was wollte Jonny von ihr? Konnte er es überhaupt ehrlich meinen? Brigitte schien sich darum keine Sorgen zu machen.
Ich lernte Jonny bald selbst kennen. Er war ein lieber Kerl, der ständig Kaugummi kaute. Wie er Brigitte ansah! Es war nicht zu übersehen, wie verliebt er in sie war. Es amüsierte mich, wie sie sich verständigten, mal ein Wort in Englisch, dazu ein Wort in Deutsch und viel Zeichensprache. Damit schafften sie es tatsächlich.
Schon kurze Zeit später berichtete mir Brigitte aufgeregt: „Stell dir vor, der Vater von Jonny hat eine Lampenfabrik in Amerika.“
So, wie sie das sagte, erwartete sie Bewunderung von mir. Doch „Hoffentlich hast du ihn richtig verstanden“, sprach ich meine Zweifel aus.
„Na, hör mal!“, empörte sie sich. „Ich weiß genau, was Jonny sagen will. – Und weißt du was?“ Sie machte es spannend. „Seine Großeltern sind aus Deutschland. Darum soll er möglichst eine deutsche Frau mit nach Hause bringen.“ Bedeutungsvoll kicherte sie dabei. „Na, was sagst du?“
„Du denkst doch nicht, du könntest das sein?“
„Ja!“, frohlockte sie. „Noch hat er nur Andeutungen gemacht. Aber warum nicht?“
„Du müsstest nach Amerika gehen.“
„Wäre das so schlimm? Was ist Deutschland heute noch? Ein besiegtes Land in seinen Trümmern. Das dauert, bis das einmal beseitigt ist. Amerika, das ist Freiheit, Reichtum, und Lebensfreude.“
„Doch du wirst immer eine Deutsche bleiben.“
„Na und? Wie viele Amerikaner stammen aus Deutschland?“ Nein, Brigitte wollte in ihren rosaroten Träumen kein Gegenargument gelten lassen.
*
Es tat gut, abends zu Konrad nach Hause zu kommen. Atemlos lief ich die Treppe hoch. Meistens war er bereits zu Hause und ich fiel ihm in die Arme, als hätten wir uns ewig nicht gesehen. Mit jedem Tag aber lernte ich auch mehr und mehr seine Eigenarten kennen.
Zuerst bin ich oft über seine Schuhe neben der Zimmertür gestolpert. Irgendwann bemerkte ich, dass er die Augenbrauen missfällig hochzog, wenn er sie sich danach zusammensuchen musste, um sie wieder exakt ausgerichtet neben die Tür zu stellen. Von da an holte ich sie lieber selbst zurück und bemühte mich, sie genauso ordentlich neben die Tür zu stellen. Albern fand ich das zwar, aber was tut man nicht aus Liebe. Als Konrad bemerkte, wie ich mich seiner Gewohnheit anpasste, sagte er nichts, doch er nahm mich so liebevoll in den Arm, als wäre das ein Dankeschön.
Dabei blieb uns nicht viel Zeit zum Schmusen nach Feierabend. Auch die Arbeit in unserem kleinen Haushalt wollte gemacht sein – und natürlich von mir. Ich tat mich schwer damit. Wie schafft man das, eben war man noch ein umsorgtes Kind im Elternhaus und nun sollte man eine selbstständige, möglichst perfekte Hausfrau sein?
Die Blockade dauerte an. Weiterhin donnerten die Flugzeuge ohne Unterbrechung über die Stadt und brachten alles, was die Menschen zum Leben brauchten heran. Jetzt gab es Kartoffeln in Dosen, oder Trockenkartoffeln, Milchpulver, Eipulver. Wie sollte ich damit umgehen? So stand ich also in der Küche der Witwe Willinger - in einer mir fremden Küche - und versuchte, damit fertig zu werden. Oh, wie ich es hasste, wenn sie hereinkam und mir verstohlen zusah! – Doch bald änderte sich das. Sie hatte eine freundliche leise Art. Ohne dass ich es richtig merkte, begann sie mir zu helfen.
„Sie sind wirklich sehr geschickt“, lobte sie mich.
Ich wurde rot, weil das nicht stimmen konnte.
„Doch, doch, Kindchen“, beteuerte sie, ,,Ihnen fehlt nur etwas Routine. Und Sie haben einen genauso geduldigen Mann, wie es mein Paul am Anfang unserer Ehe gewesen war.“
Von diesem Paul sollte ich in der nächsten Zeit viel hören. Er musste ein Engel gewesen sein. Oder verklärte die Witwe Willinger ihn nur in ihrer unermüdlichen Erinnerung dazu?
Dass Konrad kein Engel war, sondern ein lebendiger Mensch, wurde mir mit jedem Tag mehr bewusst. Wenn er abends nach Hause kam, stellte er nicht nur seine Schuhe genau ausgerichtet neben die Tür an den Platz, wo bis dahin die Hausschuhe gestanden hatten, sondern auch seine Aktentasche wurde von ihm ordentlich auf das Regal abgelegt - dort hatte auch nichts anderes zu suchen. Und danach machte er es sich auf der Couch bequem, nahm die Zeitung und vertiefte sich in die Neuigkeiten des Tages. Hier saß er und wartete darauf, dass ich das Abendessen auftrug. Er tat eben nur alles das, was Männer seit Ewigkeiten tun. Ich kannte es ja von zu Hause auch nicht anders.
Manchmal jedoch wurmte es mich, wenn ich am Abend nicht wusste, was ich zuerst machen sollte und Konrad Zeit für Müßiggang fand. Waren wir nicht eine andere Generation als Mama und Papa? Früher waren die Frauen in der Regel am Herd und bei den Kindern, wie man