GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben. Bernhard Bohnke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben - Bernhard Bohnke страница 5
Also gut, ein zweiter Anlauf. Diesmal würde er es ernsthaft angehen und sich mehr Zeit lassen. Wer glaubte denn auch schon einem lächelnden Tiger? Wenn es noch ein rosaroter Panther wäre ...
3 ICH DENKE POSITIV, ALSO BIN ICH POSITIV
Am Abend machte Stefan es sich mit dem Buch "Die Superkraft Positiven Denkens" bequem. Der Autor hieß "Montag". Das war ein bisschen enttäuschend. Für den Autor eines solchen Werkes hätte besser der Name "Sonntag" gepasst, oder "Samstag", notfalls auch "Freitag". Aber "Montag"? Da dachte man spontan: "Schade! Das Wochenende ist vorbei." Doch davon durfte man sich nicht abhalten lassen.
Montag begann mit dem Satz: "Wenn Sie sagen: Dieses Buch bringt mir Erfolg, sprechen Sie die Wahrheit. Und wenn Sie sagen: Dieses Buch bringt mir keinen Erfolg, sprechen Sie ebenfalls wahr." Stefan schüttelte den Kopf. Das klang reichlich widersprüchlich. Aber Montag lieferte sofort die Erklärung. Entscheidend ist, dass man an den Erfolg des Positiven Denkens glaubt, nur dann funktioniert es. - Wenn das so ist, sagte sich Stefan, dann glaube ich doch lieber an den Erfolg als an den Misserfolg, denn ich will ja erfolgreich werden.
Der Autor erläuterte weiter: Positives Denken bewirkt positive Gefühle und Handlungen, negatives Denken bewirkt negative Gefühle und Handlungen. Und Montag gipfelte in der Behauptung:
"Der berühmte Philosoph Descartes sagte: 'Ich denke, also bin ich.'
Ich aber sage. 'Ich denke positiv, also bin ich positiv.'
Das ist viel positiver als Descartes' Ausspruch."
Die meisten Menschen denken negativ, schalt Montag. Um Unglück gegen Glück einzutauschen, brauchen Sie aber nur ihre negativen Gedanken durch positive zu ersetzen. So einfach ist das.
Nun kam eine Überraschung: Das wirklich Wichtige am sogenannten Positiven Denken ist gar nicht das Denken. Denn des Gedankens Blässe reicht nicht aus, um irgendetwas zu verändern. Erst muss der graue Gedanke versinnlicht werden, durch eine Vermählung mit der Phantasie, indem er durch bunte innere Bilder anschaulich und plastisch wird. Positive Vorstellungen sind gefragt.
Es genügt zum Beispiel nicht, einfach zu denken: Ich werde glücklich. Sondern man muss sich in allen Einzelheiten vor seinem inneren Auge ausmalen, wie man als glücklicher Mensch lebt: strahlendes Lächeln im gut gebräunten Gesicht, körperlich vor Gesundheit strotzend, von freundlichen oder gar bewundernden Menschen umringt, am besten noch neben einem Nobelschlitten.
Das schlichte deutsche Wort "Vorstellung" reichte allerdings kaum für ein solches farbenprächtiges inneres Gemälde. Gottseidank gab es ein wohltönendes Fremdwort: Imagination. Dieser Wortklang beflügelte von sich aus schon die positiven Gedanken.
Zwar fühlte Stefan große Lust, die Glücks-Imagination sofort auszuprobieren. Aber er hatte sich ja die Finger oder besser den Mund schon einmal dadurch verbrannt, dass er zu früh und zu schlecht vorbereitet in die Praxis gesprungen war; diesmal wollte er sich erst genauer und umfangreicher informieren. Neugierig griff er daher zu dem nächsten Buch, obwohl er mit Montag noch nicht ganz fertig war.
Er wählte: "Mind Power" von einem Autor namens Pill. Mr. Pill war unverkennbar Amerikaner und sein Buch unverkennbar amerikanisch. So amerikanisch, dass der Verlag auch in der deutschen Übersetzung viele Amerikanismen stehen gelassen hatte. Das fing schon mit dem Titel an: "Mind Power" statt "Geisteskraft". Oder z. B. "Visualisation" für "Vorstellung" und natürlich auch "Positive Thinking“ anstatt „Positives Denken“.
Pill forderte den Leser auf: "Don't worry, be happy!" Es ist sinnlos, sich Sorgen zu machen, das führt zu nichts. "Take it easy!" Jeder kann Erfolg haben - "the american dream". Allerdings muss man schon etwas für sein Glück tun, nämlich positiv denken. So wird man vom Tellerwäscher zum Millionär, so erreicht man den "american way of life".
Stefan blieb etwas skeptisch, ob der amerikanische Lebensstil wirklich verlange oder sogar darin bestehe, Millionär zu sein. Schließlich war bekannt, dass Millionen Amerikaner an oder unter der Armutsgrenze lebten. Aber solche Ausführungen passten wohl nicht in ein Positiv-Buch. Da las sich doch viel besser die "Story" von Herrn N. V. aus L. in N. Herr N. V. war der personifizierte Misserfolg: miese Gesundheit, mieser Job, miese Laune, mieses Auto und auch miese Ehefrau. Kein Wunder, dass er da auch selbst ein Miesling war! Dann lernte er durch ein Buch von Pill, seine "mind power" einzusetzen. Er "visualisierte", wie er bei bester Gesundheit, als Chef eines Unternehmens, in strahlender Laune, einen Super-Cadillac fuhr, neben sich seine (neue) bildhübsche, charmante Gattin.
Und jede dieser Visualisationen ging in Erfüllung, wie Pill in einer Vorher-Nachher-Gegenüberstellung demonstrierte. Vorher, vor dem Positiven Denken, vor dem Lesen des Buches von Pill, war N. V. in allem am Ende. Aber nachher, nach dem positiven Denken und Lesen, da galt: Ende gut, alles gut. Dabei war von großer Bedeutung, dass N. V. sich die gewünschten Veränderungen mit äußerster Genauigkeit und Detailfreude vorstellte. Es hätte
keineswegs genügt, wenn er nur an irgendeinen Cadillac gedacht hätte. Sondern er berücksichtigte jede Einzelheit, z. B. die Länge der Antenne, die Farbe der Sicherheitsgurte, die Auswahl der Stationstasten am Radio usw. usw. Und nach Ratschlag von Pill beschränkte er sich auch nicht auf optische Imaginationen. Er phantasierte, wie sich das Zuschnappen der Türen anhörte, wie sich der Lack mit den Fingerspitzen anfühlte, ja sogar, wie edel die wertvollen Lederpolster rochen. Denn Mind Power arbeitete nur, wenn es genaue Informationen erhielt; nur dann konnte es die inneren Bilder in äußere Wirklichkeit umsetzen.
Stefan rauchte der Kopf von so viel Positivem Denken. Trotzdem wollte er wenigstens noch einen Blick in "Die unendliche Megastärke des Megabewusstseins" werfen, so gespannt machte ihn der Titel. Aber das Buch gab sich reichlich kompliziert, fast wie ein Computer-Lehrbuch. Er kapierte zunächst nur soviel, dass man negative Gedankenprogramme löschen musste und neue, positive einspeichern.
Dieser staubtrockene Stoff ließ seine Müdigkeit zu einem unüberwindbaren Monster anwachsen, die Augenlider hingen ihm schwer wie Kohlensäcke runter. Er beschloss, für heute genug getan zu haben und ging zu Bett.
In der Nacht träumte er, in einem riesigen offenen Cadillac zu fahren. Die Straßen standen voll von Menschen, die ihm zujubelten und ihn als "Mr. Happy" feierten. Auf dem Nebensitz saß Pill und forderte ihn unablässig auf, allen Leuten zuzurufen, dass er den Erfolg allein dem Lesen von seinen, Pills Büchern verdanke. Schweißgebadet wachte Stefan am nächsten Morgen auf und fühlte sich halb enttäuscht, halb erleichtert, dass dieser Wunsch-Alptraum vorbei war.
Sein Mund hatte inzwischen wieder völlig zur Normalform zurückgefunden, und so fuhr er ins Büro, ohne Spott oder - noch schlimmer - Mitleid befürchten zu müssen. Lästermaul Alf ließ es sich natürlich nicht nehmen, ihn dennoch mit "Hallo Schiefmaul" zu begrüßen. Blitzschnell kam Stefan der Gedanke: "Sei selbstbewusst, sei mutig!" und er antwortete "Hallo Ekel". Alf fiel die Kinnlade runter, denn so direkt hatte ihn noch keiner mit seinem Spitznamen angeredet. Anscheinend war er im Austeilen viel besser als im Einstecken; jedenfalls verstummte er erst einmal, was Stefan als Sieg für sich buchte. So hatte er den Eindruck, mit der Methode des Positiven Denkens erstmals einen Erfolg errungen zu haben. Natürlich war das nur ein Minierfolg, keine "klassische", keine bedeutende Anwendung des Positiven Denkens, aber immerhin. Befriedigt ging er zu Dr. Locke herüber. Der starrte auf Stefans Mund und schaute dann seinerseits sehr zufrieden.
"Aha, wieder alles geschlossen."
Ja, ich hatte eine ... " - Stefan wollte nichts einfallen