GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben. Bernhard Bohnke

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Na ja der, der macht auch keine sorgfältige Arbeit. Und ist überhaupt ein ziemlich ungehobelter Mensch.

      Aber Sie sind noch ein Kavalier der alten Schule.

      - Sagen Sie das nicht. Wenn ich alleine bin, fluche ich manchmal furchtbar.

      - Aber bestimmt nicht in Gegenwart einer Dame. So ein gutaussehender Herr wie Sie.

      - Ich bin doch leider viel zu dick.

      - Aber gar nicht. An so einem hageren Mann ist gar nichts dran. Sie haben eine Traumfigur.

      - Da haben Sie wohl recht, Frau Redlich.

      Bei diesem wunden Punkt konnte Stefan sich einfach nicht zu einem Widerspruch durchringen.

      - Sehen Sie! Aber sagen Sie doch nicht immer Frau Redlich zu mir. Einfach Elfriede.

      Erst jetzt wurde Stefan völlig klar: Elfriede Redlich hatte sich in ihn verliebt. Es lief ihm kalt über den Rücken. Was wollte diese Frau von ihm? Erstens, sie war wohl wesentlich älter als er. Ihr genaues Alter hatte sie verheimlicht, die Schätzungen im Büro gingen von 43 bis 49, Alf tippte sogar auf 53. Zweitens war sie absolut nicht sein Typ. Und wie konnte diese spröde Frau sich über Nacht in ihn verlieben? Das konnte doch kein Zufall sein. Plötzlich durchzuckte es ihn wie ein Blitz. Natürlich, es lag am Positiven Denken, an seiner neuen Ausstrahlung. Aber was war da schief gelaufen? Die Kraft sollte ja auf Nicole wirken, an Elfriede hatte er nun wirklich nicht gedacht. Immerhin zeigte es ihm, dass das Positive Denken doch wirkte, überhaupt etwas veränderte. Nur die Ausrichtung seiner Strahlen war leider voll daneben gegangen.

      Frau Redlich kam an diesem Tag mehrfach unter irgendwelchen Vorwänden in Stefans Zimmer. Das fiel natürlich auch seinem Zimmerkollegen Alfred auf. "Na, eine neue Eroberung gemacht?" höhnte er. "Gratuliere. Volltreffer! Der Candidus hat 100 Punkte. Ihr passt bestens zusammen. Ein echtes Traumpaar." Stefan schluckte. Aber er wusste nicht, wie er dieses Lästermaul stopfen konnte. So litt er schweigend heroisch, bis ihn der Feierabend erlöste.

      Heute eilte er noch schneller als sonst nach Hause, zu seinem "Denk-Sessel", wie er ihn inzwischen nannte. Wie konnte er den Nachstellungen von Elfriede - nein, er wollte sie nicht beim Vornamen nennen -, von Frau Redlich entkommen? Ihm fiel das Mega-Computer-Buch ein. Er musste das Redlich-Programm schnellstens löschen, das war klar. Aber über die richtige Vorgehensweise fühlte er sich unsicher. Wenn der Erfolg bei Frau Redlich auch unerwünscht war - Stefan schüttelte sich -, es blieb doch ein Erfolg. Also brauchte er einen Misserfolg. Aber konnte man mit dem Positiven Denken überhaupt einen Misserfolg erzielen?

       Oder brauchte er dafür ein Negatives Denken? Wie auch immer. Er würde sich eine Szene mit Frau R. - am liebsten sprach er nicht einmal den Nachnamen aus - ausmalen, in der sie sich entsetzt von ihm abwandte. Gesagt getan bzw. gedacht. Stefan stellte sich vor, er führte mit Alf ein richtig fieses Machogespräch, von dem Frau R. Zeugin wurde.

      Alf legte los:

      - Na Alter, sag bloß, du grabschst jetzt an der Redlich rum. Willst du diese Ziege etwa bumsen?

      (Frau R. will gerade in die halb geöffnete Tür treten, schreckt aber zurück.)

      - Gott bewahre, ich bin doch kein Mumienschänder. Es macht mir nur Spaß, die Olle was hochzunehmen.

      (Frau R. läuft rot an.)

      - Trotzdem, du ruinierst dir deinen Mackerruf, wenn du dich mit dieser Schreckschraube abgibst.

      (Frau R. hält die Luft an. Sie zittert.)

      - Aber ich habe spitz gekriegt, die hat ordentlich was auf die hohe Kante gebuttert.

      Da will ich richtig absahnen, Kassenmann machen, und dann heißt es "Bye, bye, Baby".

      (Frau R. platzt vor Wut und platzt ins Zimmer. Mit schriller, überschnappender Stimme schreit sie.

      "Mit mir nicht, Sie amoralisches Subjekt! Welch ein Abgrund von Schlechtigkeit!

       Sie sind meiner Zuneigung nicht wert!")

      Stefan atmete tief durch. Das war anstrengend gewesen, schon im Kopf. Real könnte er diese Szene sowieso nicht inszenieren und durchstehen. Aber vielleicht reichte es ja, sie nur zu denken. Das Telefon klingelte. Es würde doch wohl nicht sie sein, Elfriede? Ob seine Gedankenübung genau die umgekehrte Wirkung ausgelöst hatte, die Redlich - sogar telepathisch - angezogen, anstatt abgestoßen hatte? Aber sie würde wohl doch nicht so weit gehen, ihn zu Hause anzurufen, da er ihr, zwar durch die Blume, dennoch deutlich klargemacht hatte, dass er ihre Gefühle keineswegs erwiderte.

      Er raffte sich auf und ging ans Telefon. Es war Marius, der männliche Teil eines befreundeten Ehepaares, Maria und Marius. Die beiden sahen aus wie das Traumpaar des deutschen Films: er ein schwarzhaariger, muskulöser Beau, sie eine blonde Schönheit mit Idealmaßen. Leider nur passten ihre Charaktere gar nicht zu den Vorstellungen von einem Traumpaar. Marius war meistens deprimiert und jammrig, außer wenn er seine Fotos, Dias, Videos und seit neuestem DVDs aus dem Urlaub vorführte; da ging er wirklich aus sich raus. Allerdings gingen spätestens nach zwei Stunden die entnervten Zuschauer raus, aus dem Vorführraum. Maria sah zwar aus wie ein Engelchen, hatte aber Haare auf den Zähnen. Sie kritisierte bissig an allem herum, am liebsten an Marius.

      "Tag Stefan, geht's dir auch so schlecht wie mir? Wir haben lange nichts mehr voneinander gehört." Das stimmte. Seit der Trennung von Angela hatte er sich von seinen Freunden und Bekannten etwas zurückgezogen, um mitleidigen oder nur Mitleid vortäuschenden neugierigen Fragen zu entgehen. Und jetzt im Moment war er eben ganz auf sein großartiges Positiv-Programm konzentriert, da mussten Kontakte einfach zurückstehen. Einen Augenblick überlegte er, Marius vom Positiven Denken zu erzählen. Wenn es einer gebrauchen konnte, dann der. Und Maria ebenso. Aber dann ließ er das doch lieber. Denn er war leider Gottes noch wenig versiert und erfolgreich im Positiven Denken, so dass ihn abfällige Bemerkungen darüber verunsichern konnten.

       Auch in den Büchern wurde gewarnt, überhaupt oder jedenfalls zu früh das eigene Positiv-Programm auszuplaudern. Montag schrieb: "Denke Gutes, aber sprich nicht darüber!" Stefan entschuldigte sich daher am Telefon mit beruflicher Überlastung, versprach jedoch, sich bald wieder zu melden. Er ließ sich in den Sessel zurückfallen und sann noch einmal über seine bisherigen Erfahrungen mit dem Positiven Denken nach:

      Von Erfolgen kann ich wirklich kaum sprechen, allenfalls von unerwünschten, wie bei der unglückseligen Elfriede Redlich. Offensichtlich genügt es bei mir einfach nicht, nur die eigene psychische Kraft zu aktivieren, sondern ich muss die gewaltige kosmische Urkraft anzapfen. Mit der Allmacht des Alls werde ich alles erreichen, allzeit und überall.

      Wichtiger als alles zu erlangen, war ihm aber erst einmal, Nicole zu erlangen. Ohne Kraftschub von oben traute er sich nur nicht, sie nochmals anzuquatschen. Doch mit der universalen Kraft im Rücken bzw. im Kopf würde er bestimmt mühelos eine erstklassige Anmache abliefern.

      4 DER KOSMOS GEHÖRT MIR

      Am nächsten Tag hatte Stefan sich frei genommen. Er brauchte eine Büro-Pause, d. h. eine Redlich-Pause. Schon morgens um 9 Uhr ging er zu der Buchhandlung Harmonia, wo er seine ersten Positiv-Bücher gekauft hatte. Die Buchhändlerin erkannte ihn sofort wieder.

      Mit leicht verschwörerischem Blick fragte sie leise: "Na, hat es Ihnen schon etwas gebracht mit dem Positiven Denken?"

      "Es

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