Ein Prinz für Movenna. Petra Hartmann
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„Ist das überhaupt möglich?“, fragte Rolf mit nach oben gezogenen Augenbrauen.
„Sicher ist es möglich“, gab Moran großspurig zurück und lehnte sich in Martens Schaukelstuhl nach hinten. Wulfric verschlang ihn fast mit den Augen. „Es ist natürlich ein Geheimnis dabei, und die Meister geben es nicht gern weiter. Aber ich habe einmal gehört, wie der Alte sich mit einem Zunftgenossen darüber unterhalten hat.“ Moran hörte mit dem Schaukeln auf und beugte sich verschwörerisch nach vorn. „Versprecht mir, dass ihr es niemandem verratet.“
„Wir versprechen es“, sagten Goric und Rolf wie aus einem Mund, und auch Wulfric brachte irgendwie ein krächzendes „Versprochen“ über die Lippen. Sein Hals war vor Aufregung wie zugeschnürt.
„Es ist nämlich so, dass nur die mutigsten Schmiede ein solch unzerstörbares Schwert schmieden können. Man muss mit seinem Werkzeug nachts in die Katakomben der alten Ambossmeister gehen. Und dort, wo alle die alten toten Schmiede Iras aufgebahrt sind, dort unten zwischen Särgen und Totenschädeln muss man sein Schwert schmieden. Die alten Schmiede selbst haben an ihrer Begräbnisstätte eine kleine Schmiede gebaut. Und aus dieser Totenschmiede von Ira stammen alle unbesiegbaren Waffen, die unsere Hauptleute im Kampf gegen die Moglàt ins Feld führen. Man muss aber des Nachts dort schmieden. Dann, wenn die Geister der Schmiedeahnen aus ihren Särgen steigen. Denn dann geht ihre magische Kraft auf das Eisen über, und es wird unzerstörbar. Es sind aber schon viele Schmiede nicht wieder lebendig herausgekommen aus Iras Totenschmiede. Manchen haben die Geister bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust gerissen. Und viele, die man am Morgen in den Räumen fand, waren vor lauter Angst gestorben. Sie hatten die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen, und die Gesichter waren zu schrecklichen Grimassen erstarrt. Die Armen liegen jetzt selbst aufgebahrt in den Katakomben, und sie sollen besonders grausam sein, wenn neue junge Schmiede ihr Glück versuchen wollen. Nein, keine zehn Pferde kriegen mich je bei Nacht in diese Totenschmiede, das sage ich euch. Und wenn der Zauber tausendmal unzerstörbare Schwerter schaffen kann ...“
Wulfrics Augen leuchteten. Er strahlte den Gesellen an, als habe Moran ihm soeben ein kostbares Geschenk gemacht. So sah er nicht, dass Rolf und Goric sich gegenseitig feixend in die Rippen stießen.
In dieser Nacht ging Wulfric früh zu Bett und sorgte auch dafür, dass die anderen sich bald zur Ruhe begaben. Es dauerte gar nicht lange, dann verrieten tiefe, regelmäßige Atemzüge, dass Moran eingeschlafen war.
Es war stockfinster, als Wulfric aus dem Haus huschte. Den Hammer in der Rechten, den Rohling der Schwertklinge unter dem Mantel fest an die Brust gedrückt, schlich er wie ein nächtliches Phantom durch die Straßen. Er kannte den Weg zu den alten Schmiedekatakomben. Im Sommer hatte er mit anpacken müssen, als einer der alten Ambossmeister dort aufgebahrt wurde. Er und Moran hatten damals zu den Sargträgern gehört. Und er hatte sich noch gewundert über den urtümlichen Amboss, der in der Mitte der Höhle aufgestellt war.
Der junge Mann schaute sich um. War da ein Geräusch? Einen Augenblick lang hatte er geglaubt, Schritte im Dunkel zu hören. Ärgerlich warf er den Kopf in den Nacken. Ein Held aus Surbolds Stamm durfte keine Angst zeigen. Und schon gar nicht in der königlichen Festung Ira.
Da. Dort vorne musste der Eingang sein. Mit katzengleicher Gewandtheit schlich er auf die dunkle Öffnung zu. Wulfric konnte im Dunkel besser sehen als die meisten der Steppenbewohner, doch als ihn nun die Schwärze der finsteren Gänge entgegenschlug, verzögerte sich sein Schritt. Vorsichtig, einen Fuß vor den anderen setzend, tastete er sich die feuchten Treppenstufen hinab. Klamme eisige Luft hauchte ihm entgegen wie der Atem der alten Totengötter. Ihm fröstelte. Mit den Fingerspitzen an den glitschigen Steinwänden entlangfahrend, erreichte er den Fuß der Treppe. Endlich fanden seine Finger, wonach er suchte. In einer Wandnische ertastete er Zunderschwämmchen und Feuerstein, daneben einige Pechfackeln. Wulfric betete zu allen Schutzgöttern des Feuers und Eisens, dass der klamme Schwamm trocken genug war. Wütend schlug er die Steine aneinander. Funken, wieder Funken, da endlich hatte der Schwamm Feuer gefangen. Wulfric entzündete die Fackel, und warmes, goldenes Licht strömte durch den Raum.
Die Höhlenwände waren schwarz vom Fackelrauch der Jahrhunderte, der Boden glattgeschliffen von den Schritten Tausender Sargträger. Wulfric hatte Mühe, auf dem blanken Stein nicht auszugleiten. Doch als er seine eigenen Schritte durch den weiten Raum hallen hörte, gewann er rasch an Sicherheit und trat entschlossener auf. Seine Ahnen waren mindestens so ehrwürdig wie die Geister der alten Schmiede, die hier wohnten.
Wulfric durchmaß den Vorraum und trat in den dunklen Gang, der zur Halle der Schmiede führte. Der Rauch der Fackel wurde beißend und drang ihm in die Lunge. Hustend erreichte der junge Mann das Ende des niedrigen Tunnels. Vor ihm traten die Höhlenwände auseinander. Wulfric atmete tief ein. Im rötlichen Halbdunkel lag die Geisterschmiede vor ihm.
Drei Mannslängen hoch zogen sich rechterhand die Regale bis weit in den Raum hinein, dorthin, wo sich der Fackelschein verlor. Sorgsam aufgestapelte verwitterte Totenschädel blickten ihm aus schwarzen Augenlöchern entgegen. In einem der Augen sah Wulfric für Sekundenbruchteile ein Licht aufblinken und hob die Hand grüßend an seine Stirn. Es mochte, dem Brauch Iras folgend, eine Münze in dem Schädel liegen als letzte Gabe an den Verstorbenen.
Mächtige Sarkophage standen aufgereiht in der linken Hälfte des Raumes. Auf vielen war als Wappen eine Wolfsmaulzange eingelassen, die von zwei Vorschlaghämmern gekreuzt wurde, das alte Zeichen der Ambossmeister aus Ira. In der Mitte des Raumes aber stand auf einem Holzblock der riesenhafte Amboss der Schmiedeahnen und daneben die Esse.
„Surbolds Sohn grüßt die Ahnen der Schmiede“, sprach er und nickte noch einmal in die Runde der Sarkophage und Schädel. „Möge euren Geistern Frieden beschert und eure Ruhe unangetastet bleiben.“ Mit diesen Worten trat er an die Esse, schaufelte ein wenig Kohle aus dem daneben stehenden Kohleeimer hinein und entzündete das Feuer. Ein leichter Luftzug verriet ihm, dass der gemauerte Kamin noch immer einwandfrei arbeitete. Er griff zum Blasebalg und ließ die Flammen hell aufflackern, legte dann das Eisen hinein. Noch nie hatte er mit solcher Hingabe Luft in die Kohlen gepumpt, wie in dieser Nacht.
Endlich glühte das Eisen weiß auf, und blitzschnell war Wulfric bereits am Amboss. Die Spitze war rasch gefertigt. Mit der flachen Seite des Vorschlaghammers hieb Wulfric an der rechten Kante des Eisens entlang, hundert, tausend Hammerschläge, dicht bei dicht, fielen im schnellen Takt auf den Amboss. Wulfric schlug eine saubere Mittellinie, wendete dann das Eisen, und erneut fielen hageldichte Hiebe mit der Präzision, die er bei Meister Marten gelernt hatte.
Wulfric holte tief Atem. Bei der Arbeit war er gewaltig ins Schwitzen gekommen. Mit dem rußigen Handrücken fuhr er sich über die feuchte Stirn. Doch es war ihm egal, dass sein Gesicht mit Kohle verschmiert war. Stolz hielt er sein Werk in die Höhe und sah zu, wie das rötliche Licht sich auf der rußigen Oberfläche brach. „Du sollst Dellingr heißen“, sprach Wulfric feierlich. „Und so lange Movennas bester Krieger dich führt, soll das Heer unbesiegt bleiben.“
Wulfric stutzte. Ein Geräusch, ein leises Knirschen drang an sein Ohr. Das kam von links, dort von den Sarkophagen her. Da, einer der Steindeckel schob sich zur Seite. Eine Hand wurde sichtbar, ein weißer Schimmer wie von einem Leichenhemd. Ein hohles Stöhnen drang aus dem Dunkel, dann erhob sich eine Gestalt aus dem Schatten und reckte drohend die Hand in Wulfrics Richtung.
„Wä daut is, dä shall ok liggen blieven“, rief Wulfric aus und verfiel