Ein Prinz für Movenna. Petra Hartmann

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Ein Prinz für Movenna - Petra Hartmann Movenna

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wo im Abstand von einer Armeslänge an der Reling einige Stricke verknotet waren, deren anderes Ende ins Wasser hing.

      Orh hatte am Morgen beobachtet, wie der Schiffsjunge hier ein halbes Dutzend Krüge über Bord geworfen hatte. Warum, das hatte er nicht fragen wollen. Wortlos sah er zu, wie Sparrow die Leine einholte. Mit schnellen, gleichmäßigen Bewegungen schoss er das Tau auf, ohne den Blick von der Wasseroberfläche zu wenden. In langen, sauberen Buchten hing die Leine über seiner linken Hand, während die Rechte sie Windung um Windung herumführte. Ein letzter Ruck, und der bauchige Tonkrug durchbrach die Wasserfläche.

      „Jetzt drück die Daumen, Großer“, rief Sparrow aus. Er hievte das Gefäß mit beiden Händen über die Reling. Wasser triefte heraus und klatschte aufs Deck, doch Sparrow ließ sich nicht abschrecken. Beherzt griff er in die dunkle Öffnung hinein, und sofort breitete sich ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht. „Ja, da ist einer drin.“

      Orh beugte sich neugierig über den Krug, fuhr jedoch zurück, als ein langer, dünner Tentakel aus der Öffnung herausglitschte. Sparrow zog die Hand zurück und hielt sie dem Riesen unter die Nase. Eine faustgroße, gummiartige Masse lag dort auf seiner Handfläche, acht Arme wanden sich schlangengleich in einem wild auf und ab zuckenden Knäuel. Doch was den Riesen am meisten entsetzte, war der Blick der starr auf ihn gerichteten Augen.

      „Was – was ist das?“, fragte er mit schlecht gespielter Gleichmütigkeit und trat von einem Fuß auf den anderen. Die Augen des Tieres folgten jeder seiner Bewegungen, und fast hatte er das Gefühl, dass ihm aus den talergroßen, leicht hervorgewölbten Goldscheiben eine fremdartige Intelligenz entgegenblickte, die bis auf den Grund seiner Seele hinabschaute. Wie hypnotisiert starrte er in die schwarzen, spaltförmigen Pupillen, ein tiefer, senkrechter Graben, hinter dem irgendwo ...

      „Großer, träumst du?“ Sparrow lachte. „Hast wohl noch nie einen Kraken gesehen, wie?“

      Er schüttelte den rotbraunen Klumpen in seiner Hand, um den das Schlangennest der Tentakeln noch immer auf und ab wogte.

      Orh fuhr zusammen. Entsetzt sog der Riese die Luft ein. Sparrow beugte sich mit dem Kopf über das Tier und biss zu, spuckte dann in hohem Bogen eines der Goldaugen über die Reling. Der Krake krümmte sich zusammen, dann erschlafften seine Arme, hingen wie nasse Stricke von Sparrows Hand herab. Die zuvor kräftige, rotbräunliche Färbung verblasste. Wo eben noch das rechte Auge den Riesen angestarrt hatte, trat Blut aus, eine wässrige, leicht bläulich schimmernde Flüssigkeit.

      „So machen es die Fischer am Sharkenthökk-Riff“, lächelte der Schiffsjunge und fügte nach einer kurzen Pause beruhigend hinzu: „Du musst dir keine Sorgen machen. Er hat nicht lange leiden müssen. Und heute Abend kannst du dich auf ’ne echte Delikatesse freuen.“

      Der Riese nickte stumm. Als Sparrow die nächste Leine einholte, wandte er den Kopf ab. Er sah aus dem Augenwinkel, wie ein Tonkrug die Wasseroberfläche durchbrach. Er betete zu allen seinen Göttern, dass ...

      „Wäääääh!“

      Wütendes, forderndes Babygebrüll ließ die Lachmöwe erzittern.

      „Weor sei Dank“, glaubte Sparrow den Riesen sagen zu hören. Als er aufblickte, war Orh bereits vom Bug verschwunden und hatte sich über die Wiege gebeugt, um den Kleinen zu trösten.

      Goldauge II

      Ein markerschütternder Schrei gellte über das Deck der Lachmöwe. Orh schoss in die Höhe und hatte bereits im Sprung sein Schwert gezogen. Die breite Klinge beschrieb einen Halbbogen und blieb vibrierend auf Höhe des Großbaums in der Luft stehen. Breitbeinig stand der Hüne vor dem weinenden Säugling, bereit, jedem Angreifer den Schädel zu spalten, der sich dem Prinzen nähern würde. Dann sah Orh das Untier.

      Ein fast oberschenkelstarker Tentakel glitschte über das Deck auf ihn zu. Orh sprang zur Seite und hechtete über die Wiege Varelians hinweg. Im Abrollen umschlang er das Kind mit dem linken Arm, kam wieder auf die Füße und riss das Schwert hoch. Die Waffe sirrte durch die Luft, kappte die Spitze des gummiartigen Kampfarms und richtete sich erneut auf die dunkelbraune Schlange, die sich auf ihn zu wand. Hoch über ihm schrie Sparrow um Hilfe. Der Schiffsjunge hing von einem Tentakel umklammert in der Luft, in der Hand noch immer den Tonkrug, den er als Krakenfalle ausgelegt hatte. Orh hieb wie ein Besessener auf die Arme der Seebestie ein, die nun in immer dichter fallenden Hieben über die Lachmöwe heran glitschten.

      Neben ihm tauchte Löwener auf. In wahrer Berserkerwut ging er mit der Axt auf die baumdicken Tentakeln los, und wo seine Hiebe fehlgingen, blieben tiefe Kerben in den Planken zurück.

      Wieder schnellte einer der zuckenden Schlangenarme heran. Orh, von dem zappelnden Kind behindert, strauchelte, stürzte. Das Schwert wurde ihm von einem Tentakel aus der Hand geprellt und ins Meer geschleudert, als wüsste die Tiefseekreatur ganz genau, welche Gefahr von dieser Waffe ausging. Schlangengleich glitt ein weiterer Tentakel heran, umschlang das Knie des Riesen und hob ihn mit fast spielerischer Mühelosigkeit in die Höhe. Mit dem Kopf nach unten hängend, umklammerte Orh noch immer das Kind, während das Deck der Lachmöwe in schwindelerregende Tiefen unter ihm zurücksank.

      „Hilfe! Hilfe!“, schrie der verzweifelte Sparrow noch immer. Aus dem Augenwinkel sah Orh den Schiffsjungen an sich vorbeifliegen. Dem Maul der Bestie zu. Mit fliegenden Fingern nestelte der Riese an seinem Gürtel herum. Die schwere Streitaxt ruckte aus der Schlaufe und fuhr in den zähen Krakenarm, wieder und wieder. Vergebens. Wie tausend Blutegel hatten sich die furchtbaren Saugnäpfe in die Wade des Bernländers verbissen. Schmatzend saugten sie das Blut aus ihm heraus. Jetzt senkte sich der Tentakel wieder zur Meeresfläche hinab. Als sich der mächtige Krakenarm krümmte, tauchte unter ihnen das gigantische Maul des Seeungeheuers auf. Ein gewaltiger Hornschnabel klappte mit wütendem Schaben auf und zu – eine Schere, die alles zermalmen würde, was sich ihr näherte. Über ihm wimmerte Sparrow. Langsam, unaufhaltbar senkte sich der Tentakel. Kopfunter schwebte Orh über dem Abgrund. Mit wilder Verbissenheit hieb er noch immer auf den Krakenarm ein. Dichter und dichter trieb er die Kerben in die zähe Masse, die von der Klinge doch kaum Schaden zu nehmen schien. Da, endlich! Ein dünner Blutstrahl rann aus dem Spalt, wässriges, durchsichtiges Krakenblut tropfte herab auf das Gesicht des Akkatossers und hinterließ einen metallischen Geschmack auf seiner Zunge. Wieder hieb er zu, und noch einmal.

      Da schwang der Arm herum. Vor dem Riesen tauchte ein gewaltiges Auge auf. Eine goldene, leicht nach außen gewölbte Scheibe, die fast die Größe eines Bernländers hatte. Der senkrechte, schwarze Pupillenspalt richtete sich auf den schwebenden Krieger. Fast verwundert musterte das Tier den winzigen Menschling, der sich dem Unausweichlichen mit solch verzweifelter Kraft entgegenstemmte. Wieder hieb Orh auf den Arm ein. Das Tier schien keinen Schmerz zu spüren, obwohl sich zu dem ersten noch ein weiterer Blutstrom gesellt hatte. Eine schier unendliche Anzahl an Fangarmen wogte unter dem Bernländer im Wasser. Schaudernd erwiderte Orh den Blick des Tieres, aus dem Neugier und die unendliche Rätselhaftigkeit des Ozeans zu ihm sprachen, dann schlug er zu, ein letztes Mal, durchtrennte den Arm und stürzte aus gut zwei Mannslängen Höhe auf den Kopf des Ungeheuers. Mit Macht schleuderte er die Axt ins Meer, dann sprang er über den wild schnappenden Hornschnabel hinweg und grub seine Zähne tief in den goldenen Augapfel des Tieres hinein. Dann schwanden ihm die Sinne.

      Als er wieder zu sich kam, waren Sparrow und Löwener gerade dabei, ihm die schwere Eisenrüstung abzunehmen. Orh schob ihre Hände nachdrücklich beiseite.

      „Wo ist ...?“, fragte er und spuckte einen Schwall aus Blut und Salzwasser aus.

      „Dem kleinen Hosenscheißer geht es gut“, versicherte Sparrow. „Aber du wärest beinahe ertrunken, wenn wir dich nicht

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