Ein Prinz für Movenna. Petra Hartmann

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Ein Prinz für Movenna - Petra Hartmann Movenna

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nur mit seiner Unterhose bekleidet, in der eisigen Winterkälte neben ihm stand. „Danke“, sagte er zu dem Seemann, der den Sprung in die Tiefe gewagt hatte.

      „So einen Kampf habe ich noch nie gesehen“, flüsterte der Schiffsjunge ehrfürchtig. „Dass jemand einem Riesenkraken einfach so ein Auge ausbeißt ...“

      „Ach“, brummte Orh und rappelte sich mühsam auf. „Die Fischer vom Sharkenthökk-Riff machen das immer so. Mach dir keine Gedanken, er hat nicht lange leiden müssen.“

      Wulfrics Schwert

      Ein eisiger Windstoß pfiff über das Deck der Lachmöwe. Doch Kapitän Harrod zögerte noch immer, die Segel zu setzen. Dort vorn am Bug stand unbewegt der Riese. Die Wolken, die um seine Stirn lagerten, waren noch dunkler als die Reste des schwarzen Schuppenpanzers, die wie ein nutzlos gewordenes Spielzeug über Brust und Schultern des Bernländers hingen. Orh Jonoth starrte vor sich ins Wasser, und fast schien es, als habe er alles um sich herum vergessen. Das Meer war hier kaum einige Faden tief, und doch – unerreichbar weit dort unten, irgendwo auf dem dunklen Krakengrund, verloren, auf ewig versunken ruhte das Schlachtschwert des Bernländers.

      Harrod wusste um die enge Bindung, die zwischen manchen Kriegern und ihren Schwertern bestand. Die Klingen trugen klangvolle Namen, beinahe jede hatte ihre eigene Legende, und man erzählte sich wahre Wunderdinge von ihnen. Manchmal hatte er verwegene Söldner an Bord gehabt, raue Kerle, die sich vor nichts und niemand fürchteten, aber wenn sie allein an Deck saßen und sich unbeobachtet glaubten, dann flüsterten sie leise und zärtlich mit ihrer Klinge wie ein kleines Mädchen, das mit seiner Puppe spielte. Wie er selbst, wenn er mit der Lachmöwe redete, dachte Harrod. Und nun lag Orhs Waffe auf dem Meeresgrund. Und der Held stand am Bug, finster und brütend wie ein massiger schwarzer Todesgott, und starrte ins Wasser.

      „Orh?“

      Der Riese reagierte nicht. Erst als Harrod hinter ihn trat und ihm die Hand auf die Schulter legte, hob der Mann aus Akkatossa den Kopf, starrte den Kapitän aus blutunterlaufenen Augen an. „Orh, wir müssen Segel setzen“, sagte Harrod. „Wer weiß, ob wir noch lange den günstigen Wind ausnutzen können.“

      Als Harrod den Befehl zum Segelsetzen gab, stand der Hüne noch immer mit glasigem Blick an der Reling, die Augen auf irgendeinen, nicht einmal für ihn selbst erkennbaren Punkt unter der von tausend kleinen eisgrauen Wellenrissen verkratzten Spiegelfläche des Meeres gerichtet. Einen winzigen, dunklen Punkt, der unbarmherzig kleiner wurde, bis er schließlich ganz verschwand. Ein Punkt, der ein Schwert war. Wulfrics Schwert.

      Endlich stapfte Orh hinüber zum Mast und setzte sich eine halbe Armeslänge von der schaukelnden Wiege Varelians nieder. Mit der Hand stupste er gedankenverloren das kleine Holzfässchen an und brachte es zum Hin- und Herschwanken. Der Prinz schrie nicht. Doch gab der Säugling auch keine Geräusche des Wohlgefallens oder der Begeisterung von sich, wie er es tat, wenn Sparrow die Konstruktion in Bewegung versetzte. Ahnte das Kind, was dort unten in den Wellen versunken war? Orh glaubte es fast.

      Wulfrics Schwert, die Waffe, die seit Urzeiten stets von dem mächtigsten und tapfersten Krieger Movennas geschwungen wurde. So lange noch ein Kämpfer Wulfrics Schwert führen konnte, so hieß es, werde auch das Heer nicht unterliegen. In alten Zeiten hatten die Könige ihren Stolz daran gesetzt, selbst die Klinge in der Schlacht tanzen zu lassen. Ja, das war ruhmreich. Doch Lorman und Orsan hatten diese Würde wohlweislich dem Akkatosser verliehen. Orh lehnte den schwer gewordenen Kopf auf seine Knie. Seine Gedanken waren bei dem Schwert. Und bei König Wulfric, der es geschmiedet hatte.

      *

      Der Geselle hatte die Daumen lässig hinter den Gürtel gehakt und blickte geringschätzig auf den schmalen Burschen herab. Auch die beiden Lehrlinge ließen keinen Zweifel daran aufkommen, was sie von dem Neuankömmling hielten. Einzig Meister Marten blieb ernst. Der Schmied hatte die breiten Arme vor der Brust verschränkt und blickte prüfend in die Augen des jungen Mannes, der kaum das Gewicht eines Vorschlaghammers zu haben schien. Wulfric hielt der Musterung gelassen stand und schwieg. Endlich nickte Marten. „Gut, wenn es dein Wunsch ist, dann wollen wir es einmal miteinander versuchen“, entschied der Meister. „Aber ich warne dich: Eine Waffenschmiede in Ira ist nicht der Königshof von Pol Movenn.“

      Wulfric nickte ernst. „Das weiß ich, Meister. Deshalb bin ich hergekommen.“

      Marten deutete mit einer Kopfbewegung zu dem Gesellen hinüber. „Du kannst bei Moran schlafen. Er wird dir sagen, was zu tun ist. Doch nun: An die Arbeit mit dir.“

      Wulfric schob sein Bündel in eine Ecke und legte seine Jacke ab. Die dünnen Oberarme nötigten den drei jungen Burschen um ihn herum ein mitleidiges Grinsen ab, doch Wulfric schien nicht darauf zu achten. „Also?“, fragte er unternehmungslustig. „Womit fangen wir an?“

      Wenn der Junge geglaubt hatte, seine Lehre bei Ambossmeister Marten mit dem Schmieden eines Metallgeräts zu beginnen, so hatte er sich gründlich getäuscht. Der Geselle Moran ließ ihn Wasser heranschleppen und Kohle schippen, Schaufel für Schaufel, und befahl ihm schließlich, den großen ledernen Blasebalg zu betätigen. Auf und nieder, auf und nieder zwang Wulfric das widerborstige Ding. Rolf und Goric, die beiden anderen Lehrlinge feixten. Mit seinem Eintritt in die Schmiede waren sie diese lästige Pflicht losgeworden. Und Wulfric spürte bald, dass seine dünnen Arme ermüdeten. Den hölzernen Griff fest umklammert, pumpte er weiter und sah, wie mit jedem Luftstoß die Flamme in der Esse aufloderte und mit jedem Atemholen des Gerätes wieder in sich zusammenfiel. „Schneller“, kommandierte Moran unbarmherzig. Wulfric biss die Zähne zusammen. Er wandte bereits jetzt all seine Kraft auf, und doch schaffte er es, noch ein wenig schneller zu werden. Der nackte Oberkörper beugte und hob sich, immer wieder, unaufhörlich, während der Geselle mit der Zange die schwarzgebrannte Eisenklinge eines Kurzschwertes in die Flammen hielt. Wulfric starrte wie gebannt auf das dunkle Werkstück und konnte den Blick kaum davon losreißen. Moran grinste. „Ja, das möchtest du wohl gern haben, was?“ Wulfric nickte, vergaß einen Moment das Pumpen. Mit voller Wucht traf ihn die Rechte des Gesellen, und für einen Augenblick glaubte er, sein Trommelfell sei geplatzt. Sein Ohr brannte wie Feuer, vor seinen Augen tanzten Sterne. „Untersteht dich, noch einmal mit dem Pumpen aufzuhören, wenn ich ein Werkstück im Feuer habe“, fuhr Moran ihn an. Wulfrics Hand fuhr zur Seite, dorthin, wo Krieger ihr Schwert tragen, doch seine Finger griffen ins Leere. Er besann sich kurz, zuckte dann die Achseln. „Entschuldige“, sagte er und packte erneut den Blasebalg an. Sein Kopf brummte wie ein Bienenkorb, doch der Junge verbiss sich jedes weitere Wort. Auf und nieder, auf und nieder presste er den Ledersack und bemühte sich zu lächeln. Moran starrte ihn wütend an.

      Fasziniert blickte Wulfric in die Flamme, die bei jedem Luftstoß des Blasebalgs aus der Kohle in die Höhe schoss. Helles, rot und golden glosendes Licht, dazwischen der dunkle Schatten der Schwertklinge. Moran wandte das Eisen gleichmütig im Feuer hin und her, legte es schließlich ganz in die Kohlen und baute sich neben dem neuen Lehrling auf. „Ein wenig schneller, Bürschlein. Hast wohl das Arbeiten nicht gelernt bei den feinen Stadtfatzkes am Königshof, wie?“, fragte er anzüglich. Wulfric biss die Zähne zusammen und antwortete nicht. Obwohl ihm Rücken und Arme bereits schmerzten, als sei er in eine Folterkammer der Moglàt geraten, ließ er sich nichts anmerken und presste weiter Luft in die Esse. Die dunkle Eisenklinge begann zu glühen. Erst glomm nur ein dunkles Rot zwischen den Kohlen, dann ein helles Gelb. Moran achtete nicht darauf, er ließ den Lehrling keine Sekunde aus den Augen. Als Wulfric sich erneut aufrichtete, sah er das Eisen weiß aufglühen. Wieder beugte er sich vor und zwang den Blasebalg zusammen. Da – weiße Sterne sprühten aus der Klinge, das Eisen knisterte und prasselte, es schrie.

      „Moran, du Nichtsnutz!“, brüllte der Meister. Er schlug so fest nach dem Gesellen, dass dessen Ohr in glühroten Eisenfarben aufbrannte, und riss das

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