Project Mercury. Hans Müncheberg

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- dreißig - fünfundzwanzig ... " Hawker legte die Hand auf den Schalter, der den Zündstrom zur Rakete jagen würde. Grandle zählte weiter: "Neun - acht - sieben - sechs - fünf - vier - drei - zwei - eins - Zündung!"

      "Zündung!"

      Hawker hatte es unbewusst zugleich mit Grandle ausgerufen und dabei den Schalter herumgedreht.

      Bruchteile einer Sekunde später schossen weiße Dampfstrahlen aus den Öffnungen der Raketentriebwerke, brachen sich in einem wassergekühlten Betonschacht unter dem Starttisch und jagten seitwärts ins Freie. Wirbelnde Wolken hüllten den Starttisch ein und nahmen immer neue Farben an. Fast sah es so aus, als wollte eine brodelnde Masse die Rakete verschlingen. Doch dann klappte das Startkabel zur Seite, und leicht vibrierend erhob sich der schlanke Körper von der Plattform. Zögernd, langsam stieg er auf. Es schien, als ob die Kraft der Triebwerke nicht ausreichte, um die Erdanziehung zu überwinden. Doch dann ließ die Rakete die Dampfwolken unter sich. Jetzt war der grelle Feuerstrahl zu sehen, der sie höher und höher stieß. Noch konnte man lesen, was auf dem weißen Leib der Redstone geschrieben stand: "UNITED STATES - NASA".

      Eastburn sprang auf. "Sie ist in der Luft! Sie liegt richtig auf Kurs!" rief er erregt.

      Grandle stand neben dem Zeitgenerator. Die grünen Lichter waren erloschen. Das Elektronenhirn hatte seine Arbeit getan. Andere Geräte überwachten den Flug. Grandle prüfte die Skalen der Messapparaturen.

      Hawker beugte sich über den Oszillographen. Mit beiden Händen stützte er sich auf die Kanten des kleinen Tisches. Unverwandt schaute er auf die pulsierenden Zacken der grünlich leuchtenden Lichtkurve.

      In Pearsons Arbeitszimmer herrschte atemlose Stille, die nur ab und zu durch die nüchterne Stimme eines Messtechnikers unterbrochen wurde, der die jeweils erreichte Flughöhe der Rakete durchgab. Die Blicke der drei Männer hingen unverwandt an dem großen Bildschirm, auf dem das fliegende Projektil noch zu sehen war. Mit überstarken Teleobjektiven wurde der Flug verfolgt.

      Schließlich konnte sich der Verwaltungsmann McGuire nicht mehr halten: "Alles läuft glatt! Es scheint zu werden!"

      Sein spontaner Ausruf löste die Spannung. General Kingsberry sagte zu Pearsons: "Es würde mich ehrlich für Sie und für uns alle freuen. Wir hätten einen Erfolg verdammt nötig!"

      Pearsons nickte. Die Hoffnung langer Monate, immer wieder mühsam über alle Rückschläge hinweg erhalten, konzentrierte sich schließlich auf diesen Versuch. Er durfte nicht scheitern. Die Konsequenzen wären unabsehbar und könnten für ihn persönlich das Ende seiner Laufbahn bei der NASA bedeuten. Von ihm würde man Rechenschaft über die investierten Millionen Dollar fordern. Mit äußerster Konzentration verfolgte er das Geschehen auf dem Bildschirm und überprüfte die Messskalen.

      Im Kommandoraum der technischen Zentrale waren alle Gespräche verstummt. Jeder stand auf seinem Platz. Hawker zuckte plötzlich zusammen. Die Zacken der grünlichen Lichtkurve waren abgerissen. Mit einem Sprung stand er neben Grandle. "Was ist mit der Steuerung los?"

      "Das Ding bricht aus!" antwortete Grandle. Hastig drückte er zwei Knöpfe nieder, doch nichts geschah. Er drehte sich zu Hawker um. "Flugbahnkorrektur nicht mehr möglich."

      Nun stand auf einmal Eastburn bei ihnen. "Was wird mit der Kapsel? Wenn wir sie retten, haben wir doch einen Teilerfolg!"

      Hawker war mit drei schnellen Schritten am Kommandopult. "Wir sprengen die Kapsel ab."

      "Gut - der Rettungsmechanismus reagiert dann automatisch."

      Hawker legte einen Hebel herum und wandte sich an Grandle. "Nun, was ist?"

      "Nichts, gar nichts!" Wütend steckte sich Grandle die erloschene Pfeife in den Mund. "Die Notraketen zünden nicht."

      Eastburn stand einen Augenblick starr. Dann ließ er sich in einen Sessel fallen. "Aus!" Mehr sagte er nicht.

      Hawker und Grandle sahen sich schweigend an. Grandle nahm die Pfeife aus dem Mund und klopfte mit ihr einmal hart auf die Handfläche.

      Hawker nickte. Er nahm eine kleine Plexiglashaube von einer schwarzen Taste. Einen Moment zögerte er noch, und er drückte die Taste herab.

      Wer in dieser Sekunde irgendwo vom Versuchsgelände oder vom weiter südlich gelegenen Badeort Cocoa Beach aus den Flug der Rakete verfolgt hatte, oder wer zufällig in südöstlicher Richtung zum strahlend blauen Himmel emporschaute, sah plötzlich einen grellen, orangefarbenen Feuerball aufleuchten. Immer größer wurde die Glutwolke; sie verlosch aber ebenso schnell, wie sie entstanden war. Verwehende schmutzige Rauchschleier, mehr blieb nicht von diesem großangelegten Test der NASA. Winzige Splitter regneten weit draußen, aber noch innerhalb des Sperrgebietes, auf die Wellen des Atlantiks.

      Pearsons war aufgesprungen. Jetzt stand er dicht vor den Messgeräten. Es sah aus, als ob er vergeblich versucht hatte, durch persönliches Eingreifen diesen katastrophalen Misserfolg abzuwenden. Mit gesenktem Kopf wartete er auf den Detonationsdonner der Notsprengung. Nach einigen Sekunden rollte ein dumpfes Dröhnen heran und ließ die Fensterscheiben erzittern. Pearsons drehte sich um und ging mit müden Schritten zu seinem Schreibtisch. Mit beiden Armen musste er sich aufstützen, bevor er den Kopf hob und den General ansah, der nun auf ihn zukam, Pearsons fühlte sich unendlich leer. Er besaß nur noch die niederschmetternde Erkenntnis, dass dies wahrscheinlich der letzte Versuch war, dessen Leitung in seinen Händen gelegen hatte.

      Kingsberry konnte gut verstehen, was in Pearsons vorging. Er kannte den NASA-Direktor lange genug. Er schätzte ihn wegen seiner drängenden Unduldsamkeit, die immer wieder von der Zivilistentruppe höchste Leistungen gefordert hatte, Leistungen, die dem Namen Amerikas Ehre machen sollten. Es war bestimmt nicht das persönliche Verschulden dieses Mannes, der nun alle Kraft aufbieten musste, um angesichts der Katastrophe sein Gesicht zu wahren. Kingsberry nickte ihm aufmunternd zu. "Kopf hoch, Mr. Pearsons. Jede Pechsträhne, jede Misserfolgsserie muss einmal zu Ende gehen."

      Pearsons raffte sich zu einem schwachen Lächeln auf. "Bloß, ob ich das noch erleben werde? Morgen fahre ich nach Washington zu Chefdirektor Webster. Ob er die Lage auch so beurteilt wie Sie?"

      Nicht weit vom Judiciary Square in Washington lag das wuchtige Gebäude, in dem im August 1960 noch die National Aeronautics and Space Administration, kurz NASA genannt, untergebracht war. Ein eigenes repräsentatives Gebäude sollte 1961 für die rund tausenddreihundert Angestellten in der 4. Straße Ecke Maryland Avenue gebaut werden. Dann könnte man das Regierungsviertel im Zentrum der Stadt mit seinem lauten Verkehr verlassen.

      Stuart Pearsons war mit gemischten Gefühlen nach Washington geflogen. Drei Tage nach einem so bedeutenden sowjetischen Raumschifferfolg einen erneuten Rückschlag melden zu müssen, war nicht angenehm. So hatte er sich auf einen frostigen Empfang vorbereitet. Doch er war freundlich begrüßt worden.

      James Webster kannte die Lage sehr gut. Er verfolgte die Arbeiten auf Cape Canaveral aufmerksam und konnte einschätzen, was zu erreichen war und was nicht. Er war auch Menschenkenner genug, um zu wissen, wie sehr Pearsons in der Arbeit aufging und wie sehr ihn dieser erneute Misserfolg getroffen haben musste. Es lag ja nicht am guten Willen der Männer auf dem Cape. Schon im Herbst 1957, als es darum ging, den Schock abzufangen, den der Start der ersten beiden sowjetischen Sputniks ausgelöst hatte, war ihm die ganze Misere der amerikanischen Raketentechnik klargeworden. Seitdem dachte er persönlich milder, wenn er immer wieder von Fehlschlägen hörte. Hartnäckig kritisierte er die Industrie wegen der mangelhaften technischen Qualität der Raketenbauelemente und beharrte auf den festgelegten Terminen.

      Webster ging in dem großen Raum auf und ab. Er skizzierte nüchtern

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