Der dritte Versuch Elfen und Menschen. Norbert Wibben

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Der dritte Versuch Elfen und Menschen - Norbert Wibben Der dritte Versuch

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nicht nur durch die Türöffnung hereinfällt. Mehrere Fensteröffnungen lassen ebenfalls genug davon herein, so dass am Tag keine zusätzliche Beleuchtung notwendig ist. Da der Abend aber nahe ist, sind vorsorglich mehrere Kerzen angezündet, die eine warme Helligkeit spenden. Die Elfe schließt die Tür und schaut sich um. Der glatte Steinfußboden ist mit Stroh und Kräutern bestreut. Es duftet leicht nach Pfefferminze und Rosmarin, die eine antiseptische Wirkung haben, wie Cloe weiß. Eine Reihe von Liegen stehen im Raum verteilt, wobei sie der Ausdehnung des Gebäudes in Längsrichtung folgen. Heute wird nur das erste Bett genutzt. An ihm hält offenbar ein Betreuer Wache, der sich von seinem Sitz neben der Liege erhebt. Cloe grüßt den Pfleger, der einen sauberen Kittel trägt und tritt näher. Obwohl es nicht zu dunkel ist, nutzt sie eine Lichtkugel, die sie über dem Kranken in der Luft schweben lässt.

      »Magie! Das … das kann ich auch.« Die zittrige Stimme des alten Mannes ist kaum zu verstehen, dafür erscheint eine zweite Kugel neben der ersten. Cloe betrachtet das zerfurchte Gesicht, vergleicht es mit der Beschreibung, die sie von Kayleigh erhalten hat und aus ihrer Erinnerung aufruft. Die silbrig-grauen Haare passen ebenso wie die buschigen Augenbrauen. Sie dreht sich zu Arawn um.

      »Es ist Cian!«, stellt sie mit Überzeugung fest.

      »Cian? Bin ich das?« Das blasse Gesicht des Elfen zeigt ungläubiges Staunen. »Ich wollte etwas Wichtiges erledigen, was war das nur? – Immer höre ich ein Raunen in meinem Kopf. – Die Stimmen verwirren mich. Sie rufen dauernd diesen Namen. Was bedeutet das?« Die Augen des Elfen sind weit aufgerissen. Er wälzt sich jetzt unruhig hin und her. Der Pfleger schiebt sich sofort zwischen Cloe und das Bett.

      »Er braucht dringend Ruhe. Ein weiteres Gespräch verbiete ich!« Er stützt die Hände auf seine Hüften und schiebt den Unterkiefer etwas nach vorne. Er ist offenbar bereit, zum Wohle des Patienten notfalls eine Auseinandersetzung mit seinem Herrscher zu beginnen. Sofort zieht sich die Elfe ein paar Schritte zurück.

      »Du hast recht. Ich wollte den Patienten auch nicht aufregen.« Soweit sie es bisher erkennen konnte, gibt es an der Versorgung Cians nichts zu bemängeln. Sein Gesicht und die Haare sind gewaschen und er ist sogar ordentlich gekämmt worden. Die Wunde am Hinterkopf ist unter einem sauberen, weißen Verband verborgen, der teilweise um sein Kinn herum verläuft, damit er nicht verrutscht. Welche Versorgung mit Kräutertees und Salben er erhalten hat, weiß Cloe nicht, aber etwas ihrer Zauberkraft will sie zusätzlich nutzen. »Ich beherrsche Magie, die ihm helfen wird. Wenn du damit einverstanden bist, werde ich sie anwenden. Ist das in Ordnung?« Sie blickt in das jetzt entspannte Gesicht des Mannes.

      »Das darfst du gerne. Wir haben seine Wunde gereinigt, genäht und eine entzündungshemmende und heilungsfördernde Salbe aufgetragen. Essen wollte er nichts.« Sein Blick wandert zu einem separaten Tisch, auf dem eine Schüssel und ein Becher zu erkennen sind. »Flüssigkeit hat er aber zu sich genommen, weshalb wir ihm Baldriantee mit einigen Tropfen Mohnsaft zur Beruhigung geben konnten. Trotzdem scheint er noch sehr aufgewühlt zu sein. Er spricht immer wieder von »Draco«. Dann lacht er plötzlich und ruft mit energischer Stimme: »Mein Drache!«. Was das bedeuten soll, ist mir nicht klar. Ich denke, der Schlag, den er abbekam, hat ihn derart verwirrt.« Cloe nickt zu den präzisen Erläuterungen. Dieser Mann hat offenbar sein Mögliches getan, Cian zu versorgen.

      »Ich werde ihn in einen heilsamen Schlaf versetzen, der bis morgen andauern wird. Ein Zauberspruch wirkt zuverlässiger als der Tee, auch wenn der Mohnsaft ihn eigentlich in eine tiefe Entspannung schicken müsste. Wenn er seelisch zu angespannt ist, kann die Wirkung durchaus verzögert einsetzen oder ganz aufgehoben werden. Am morgigen Vormittag komme ich wieder her, um ihn näher zu untersuchen«, erläutert sie ihre Absicht. Der Pfleger nickt Zustimmung und beobachtet dann interessiert, was sie macht. Cloe tritt näher zur Liege und breitet beide Arme über den Liegenden, der ihr mit seinen Augen folgt. Zuerst murmelt sie »Addormito«, worauf Cian sofort in einen ruhigen, tiefen Schlaf fällt. Gleichzeitig erlischt die zweite Lichtkugel, die dieser herbeigerufen hatte. Dann folgt »Cum ri buidseachd«, was ihm helfen soll, einem möglichen dunklen Fluch zu widerstehen. Zum Abschluss spricht die Elfe »Salvus«, was sofort ein goldenes Gleißen von ihren Händen auf den Verletzten fließen lässt. Mit »Beatha« ruft sie erneut das Flirren hervor. Nach einiger Zeit hebt Cloe das auf, um sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben. Sie erinnert sich gut daran, wie es ihr erging, als sie nicht aufhören wollte, Lebensenergie auf ihre Mutter zu übertragen. Das hätte auch ihr beinahe das Leben gekostet. Der Pfleger blickt sie verständnislos an, weshalb sie ihr Tun erläutert.

      »Cian wird jetzt tief schlafen und erst durch einen Gegenzauber wiedererwachen. Die anderen Sprüche dienen seiner Heilung. Morgen wissen wir, ob ich ihm helfen konnte. Du musst heute Nacht nicht am Bett wachen. Er wird friedlich darin liegen.«

      »Er wird nicht aufstehen und herumlaufen? In seiner Verwirrtheit könnte er sich schlimm verletzen, weil er ja nicht weiß, wo er sich befindet.« Die Besorgnis des Pflegers ist deutlich zu hören, doch die Elfe beruhigt ihn so weit, dass er sich darauf einlässt, nur jede Stunde nach dem Patienten zu schauen.

      »Auch wenn du von deiner Magie überzeugt bist, sicher ist sicher!«, fügt er hinzu.

      Cloe folgt nun Arawn, der sie mit in die Bibliothek nimmt. Diese befindet sich in der ersten Etage des großen Turmes, und ist der ganze Stolz seines Besitzers.

      »Schau dir diese Vielzahl an!«, fordert er, wobei die Hände auf die rundherum in hohen Regalen angeordneten Büchern deuten. »Nur der Herrscher der Darkwings besitzt auch eine Sammlung, die aber nicht halb so umfassend ist.« Die Elfe dreht sich um ihre Achse.

      »Das ist wirklich beeindruckend«, stellt sie fest. Dass die Bibliothek Kayleighs im geheimen Wald noch umfangreicher ist, sagt sie nicht. Sie möchte den freundlichen Fairwing nicht in seinem harmlosen Stolz verletzen. »Auf der Insel der Elfen gibt es also sonst keine Bücher?«, fragt sie erstaunt.

      »In manchen Haushalten mag es ein paar geben, aber richtige Büchersammlungen sind es nicht. – Wenn du magst, darfst du gerne darin stöbern, nachdem wir unsere Abendmahlzeit in der Halle eingenommen haben.« Sie verlassen den Raum und den Turm, um zu einem großen Gebäude zu gehen. Innen erblickt Cloe vier lange Tischreihen, auf denen Tabletts mit Fleisch, Körbe mit Brot und Tonkrüge mit Getränken stehen. Die Menschen auf den Bänken unterhalten sich während des Essens miteinander. Der glatte Steinboden ist mit Stroh und trockenen Binsen ausgestreut. Kräuter befinden sich nicht darunter.

      »Damit sie nicht von den Düften der Speisen ablenken«, vermutet die Elfe. Das Stimmengewirr der vielen Menschen verstummt, sobald der eingetretene Herrscher bemerkt wird.

      »Willkommen daheim«, wird er sofort aus allen Munden gegrüßt. Er verbeugt sich lächelnd und stellt Cloe vor.

      »Sie ist eine der letzten Südelfen und beherrscht Magie! Wie ihr sicher schon gehört habt, liegt in unserer Krankenstation ein Mann, den sie gesucht hat. Er ist ebenfalls ein Elf, der zaubern kann. – Diese junge Frau hat mich und meine Begleiter vor einem großen Rudel Wölfe beschützt!«, stellt er sie als seine Retterin vor. Cloe ist verlegen.

      »Ich habe dich nur gewarnt und euch dann lediglich unterstützt. Ihr wärt ohne meine Hilfe sicher nicht unterlegen.« Trotz oder gerade wegen ihrer Bescheidenheit erschallt lauter Beifall. Mit rotem Kopf folgt die Elfe Arawn, der ihr in die Seite stößt.

      »Sei nicht so bescheiden, du hast dieses Lob mehr als verdient!«

      Das Abendessen dauert länger, als Cloe gedacht hätte. Der Herrscher wechselt oft seinen Platz, um mit allen Anwesenden zu sprechen und manchmal kurz mit einem Becher Wein anzustoßen. Viele Kinder sind auch vertreten, die je nach Alter und Temperament entweder brav bei ihren Eltern auf Bänken sitzen oder spielend herumrennen. Mit ihnen tauscht Arawn kleine Scherze aus oder streicht über deren Haare, wenn sie an ihm vorbeilaufen. Die Elfe folgt ihm verwundert.

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