Mordsriecher Tatort Böblingen. Heinrich Düllmann

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Mordsriecher Tatort Böblingen - Heinrich Düllmann

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bückte sich zu seiner Tochter hinunter.

      »Ja, was ist Papa?«

      Sie schaute ihn gespannt an.

      »Eben bei Mama, habe ich mich gefragt, ob du dich an den Sturz erinnern kannst?«

      Er stockte, weil sie den Kopf senkte. Gert fasste sie an die Schultern, worauf sie ihn betrübt ansah und schleppend antwortete:

      »Nein, Papa! Ich kann mich an nichts erinnern!«

      »Vielleicht ist das ganz gut so«, rutschte es ihm heraus, was ihn ärgerte. Er nahm seine Tochter in die Arme, um seine Verlegenheit zu überspielen. Danach spazierte er wie vorher unruhig und getrieben im Wartezimmer umher und drehte seine Runden. Er war dermaßen in seiner Angst und seinen Befürchtungen gefangen, dass er Linda nur noch vernebelt wahrnahm, die verstört den mal hastigen und dann wieder schleppenden Schritten ihres Vaters folgte. Sie musste etwas tun, dachte sie und stellte sich kurzerhand mit Friedi in seine Laufbahn.

      »Papa, nicht traurig sein. Mama wird wieder gesund. Wir besuchen sie oft!«

      Überrascht und erstaunt zugleich blickte er seine Tochter an. Bevor er reagieren konnte, sprach sie ihn erneut an:

      »Vorwärts leben, Papa!«

      Das Mädchen nahm ihren Vater an die Hand und zog ihn aus dem Zimmer, was er sich widerstandslos gefallen ließ. Er ging mit Linda wie ferngesteuert aus der Klinik und registrierte erst am Ausgang, dass sie ohne Auto gekommen waren. Ein herbeigerufenes Taxi brachte sie augenblicklich nach Hause.

      Kapitel 3

      Sehnsüchtig wartete Gert auf einen Anruf aus dem Krankenhaus. Linda schlief in ihrem Zimmer. Er hatte versucht, auf dem Sofa einzuschlafen, doch ohne Erfolg. Sitzend oder liegend hielt er es nicht aus, er brauchte Bewegung, sodass er unruhig durch die Wohnung ging. Der Fernseher lief als Geräuschkulisse. Als er die Balkontür öffnete, um zu rauchen, stockte ihm der Atem. Er starrte auf das Geländer, das er durch das Wohnzimmerlicht in Umrissen wahrnahm. Bewegungslos, fast ehrfürchtig, verharrte er in dieser Stellung, die Zigarette im Mund und das Feuerzeug in der Hand. Kurz darauf schloss er die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Es war wie bei einem Tischtennismatch, in dem der Ball hin und her geschossen wird: Ich kann nicht gehen ... Clara, Clara ... Hätte ich es doch nur verhindert ... Die Schuldgefühle zerreißen mich ... Clara, es tut mir leid ... Wie soll ich weiterleben? Er gab sich Backpfeifen, um die quälenden Gedanken zu vertreiben.

      Erneut öffnete er die Tür und spürte den Widerstand, den Balkon zu betreten. Dieses Mal hielt er ihn aus. Er zündete sich - noch in der Tür - eine Zigarette an. Die frische Luft wehte ihm sanft und wohltuend ins Gesicht. Er traute sich nicht, direkt zum Geländer zu gehen. Einen Schritt trat er vor. Die wenigen beleuchteten Fenster der Hochhäuser und die Straßenlaternen warfen etwas Licht in die Dunkelheit der Nacht.

      Zentimeter für Zentimeter näherte er sich der Brüstung. Hastig zog er an der Zigarette. Alles, was er machte und dachte, war von Hektik getrieben: Wie das ständige Zurückblicken oder das Herauskramen des Handys aus der Hosentasche, das er nach einem kurzen Blick aufs Display sofort wieder zurücksteckte. Er wollte auf gar keinen Fall den Anruf aus der Klinik verpassen!

      Mittlerweile war er nur noch eine Armlänge vom Geländer entfernt. Zaghaft berührte er die Stange mit der linken Hand, um gleich die rechte nachzuschieben. Er umklammerte fest mit beiden Händen die Abschlussstange des Geländers. Es schien, als müssten jetzt die Arme den widerspenstigen Körper ans Geländer ziehen, denn es dauerte sehr lange, bis er am Geländer stand. Er fühlte sich unsicher. Die Zigarette fiel ihm aus dem Mund, was seinen Blick ungewollt nach unten lenkte. Durch das Licht der Straßenlaternen sah er die weißen Markierungen auf der Grünfläche. Er starrte auf die Umrisse einer Person. Da hatte Clara gelegen. Er spürte, dass das Leben aus ihm wich. Ohne nachzudenken, setzte er sich auf den Boden, um ein plötzliches Umfallen zu vermeiden. Wie ein Häufchen Elend kauerte er am Geländer. Nach einer Weile krabbelte er zur Balkontür, erhob sich mühsam und torkelte zur Couch, auf die er sich platschen ließ. Gierig leerte er das auf dem Tisch stehende Glas Wasser. Zum Sich-sammeln kam er nicht mehr, denn das Handy klingelte. Blitzschnell hatte er es am Ohr.

      »Ich höre, Herr Doktor«, antwortete er ohne Gruß.

      »Ihre Frau hat die Operation gut überstanden. Wir haben einige Stents eingesetzt. Es ist alles stabil. Dennoch bleibt ihr Zustand unverändert kritisch. Aber im Moment brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!«

      »Egal, ich komme«, sagte er, ohne sich genauer zu erkundigen.

      »Das ist möglich, aber nicht nötig. Schlafen sie sich lieber aus! In einigen Stunden ist es die gleiche Situation.«

      »Nein, ich komme!«

      »Nein, Papa. Du musst ausruhen!«, schaltete sich unerwartet Linda ein, die aufgewacht war.

      Verwirrt sah er sich um.

      »Meinst du?«

      Der Arzt, der Lindas Vorschlag offenbar mitbekommen hatte, sagte am anderen Ende der Leitung:

      »Hören Sie auf Ihre Tochter!«

      Er war dermaßen überrascht, dass er sofort einwilligte. Er legte das Handy auf den Tisch und sagte zu seiner Tochter:

      »Erst schlafen wir, dann besuchen wir Mama!«

      Linda warf sich auf ihn. Er umarmte sie. Das Leben war zurückgekehrt. Er legte das Mädchen auf seine Schultern, stand auf und sagte:

      »Ich bringe dich wieder ins Bett.«

      Das Mädchen sah die geöffnete Balkontür, streckte ihren Kopf nach oben und forderte ihren Vater auf:

      »Ich will auf den Balkon!«

      Bevor der Vater auf den überraschenden Wunsch reagieren konnte, rutschte sie aus seiner Umklammerung und rannte zum Balkon.

      »Pass auf!«

      Er folgte sofort und nahm sie an die Hand.

      »Hochheben!«, bat sie, als sie am Geländer standen.

      »Du kannst hier durch den Spalt gucken«, führte Gert den Kopf des Mädchens an die Öffnung.

      »Hochheben!«

      »Ich habe Angst, Linda. Wenn ich hier stehe, muss ich an euren Sturz denken!«

      »Papa, bitte!«, flehte sie ihren Vater an, der sie hilflos anblickte. In der Dunkelheit sah er ihr Gesicht nur schemenhaft, doch ihr verlangender Blick erstickte jede Gegenwehr.

      Er hob sie hoch. Sie starrte bewegungslos in die Tiefe und sagte nichts. Für Gert war es eine gespenstische Situation, die ihn total verunsicherte. Linda starrte weiterhin, ohne die Richtung zu verändern, nach unten. Gerts Unbehagen steigerte sich. Er fühlte sich zunehmend hilfloser. Seine Tochter schien in eine andere Welt abgetaucht zu sein. Umso überraschter war er, als sie plötzlich den Kopf ruckartig nach hinten drehte.

      »Was ist los, hast du etwas gehört?«

      Er blickte ebenfalls in ihre Richtung.

      Linda

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