Taschengeld. Frank Habbe

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Taschengeld - Frank Habbe

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des quälend guten Zuredens der Betreuer immer wieder erneut versucht.

      Krauser konnte sich noch genau daran erinnern, als er das Glas das erste Mal unfallfrei am ausgestreckten Arm gehalten und sein Mantra aufsagen konnte, bevor ihn ein unkontrollierbares Zittern im Handgelenk zur Aufgabe gezwungen hatte. Das Mantra? Fuck! Streng dich an, du Penner! Der Spruch dauerte gerade mal drei Sekunden - während der Tests stets wie eine Ewigkeit. Aber jetzt? Wieder ein kleiner Schritt.

      Krauser streckte sich, um Kälte und Müdigkeit aus seinem Körper zu vertreiben. Mit dem Handrücken fuhr er über den neben dem Waschbecken angebrachten Heizkörper. Lauwarm. Er regelte die Temperatur hoch und hoffte, noch etwas von der Wärme abzubekommen. Dann nahm er die Zahnbürste und putzte sich die Zähne. Er sah auf die Uhr. Kurz nach sechs. Wie viele Jahre war er um diese Zeit von seinen nächtlichen Einsätzen zurück und auf dem Weg ins Bett statt daraus heraus gewesen? Er zuckte mit den Schultern. Das war vorbei. Nachdem er die Zähne geputzt hatte, zog er sich aus, stieg fröstelnd unter die Dusche und dann: Heißwasser marsch!

      04:09:44

      Angestrengt visierte der Mann über den Lauf der Pistole hinweg die Zielscheibe. Er kniff die Augen zusammen und verharrte einen Moment regungslos. Dann schüttelte er den Kopf und ließ resigniert die Waffe sinken. Er schaute auf sie herab. Wie ein Fremdkörper lastete sie schwer in seiner Hand. Warum bloß lieh er sich immer eine Waffe von Schlosser und nahm nie seine eigene Glock? Er biss sich auf die Lippen und setzte erneut an. Reiß dich zusammen! Keine Dreißig Meter lagen zwischen ihm und dem Bogen Papier. Trotzdem konnte er die darauf gezeichnete Figur samt der sich zum Brustkorb verjüngenden konzentrischen Kreise nur schemenhaft erkennen. Er zielte einfach auf die Mitte. In schneller Folge verschoss er das Magazin, ließ die Pistole wieder sinken. Trotz der Ohropax dröhnte der Lärm der Schüsse in seinen Ohren nach. Der schmale, unverputzt gemauerte Stall hatte mit seiner niedrigen Decke den Schall vervielfacht. Beißender Pulvergeruch stieg dem Mann in die Nase, als er die Ceska sicherte und über den staubigen Boden zur Stirnseite schritt. Dort betrachtete er stirnrunzelnd das Ergebnis seiner Bemühungen. Ein wüstes durcheinander von Einschusslöchern hatte die dünne Pappe perforiert. Immerhin befanden sich ein paar von ihnen innerhalb des gezeichneten Körpers. Der Mann schüttelte betrübt den Kopf. Er brauchte dringend mehr Training.

      Wenn nur die ewige Fahrerei nicht wäre! Warum hatte Schlosser die Anlage nicht in der Nähe Berlins angelegt? Bloß damit ab und an ein paar Polen herumballern konnten, musste er bis fast an die Grenze, um zu dem abgelegenen Gehöft zu gelangen.

      Der Mann riss die Pappe von dem strohgefüllten Sack und griff nach einer weiteren Zielscheiben, um sie an den Stoff zu pinnen. Dabei fuhr sein Blick über ein auf den Mauersteinen verteiltes, wirres Muster dunkel gesprenkelter Punkte. Blut, das nicht abgewaschen worden war. Schlosser hatte ihm erzählt, dass die Polen manchmal Tiere mitbrachten, um mit beweglichen Objekten zu trainieren. Zuerst hatten sie Kaninchen genommen. Die aber hatten bloß zu Tode erschreckt in der Ecke gehockt und ein zu leichtes Ziel abgegeben. Danach waren sie zu Katzen übergegangen. Die rannten wohl, wie gewünscht. Und wenn nicht, bekamen sie eine mit Schrauben gefüllte Dose an den Schwanz gebunden. Die Dinger schepperten bei jeder Bewegung, was den Viechern jedes Mal Beine machte. Die durchlöcherten Kadaver schmissen die Polen danach auf ein hinter dem Hof angrenzendes Feld. Auf den Gedanken, im Stall sauber zu machen, kamen sie nie. Daher der stechende Geruch.

      Der Mann ging zurück und schoss zwei weitere Magazine leer. Viel besser sah das Trefferbild auch danach nicht aus. Ein paar Mal noch übte er mit einem Messer an den Strohpuppen, bevor er sich wieder auf den Rückweg nach Berlin machte.

      Keine zwei Stunden später, er war gerade in seine Wohnung zurückgekehrt und im Begriff, eine Blechpizza in der altersschwachen Mikrowelle aufzuwärmen, klingelte sein Telefon.

      04:08:19

      Ungläubig starrte Malik auf seine ausgestreckt in der Luft neben Ranias Kopf verharrende Hand. Dann sah er auf den sich in ihrem Mundwinkel sammelnden Blutstropfen. Er ließ die Hand sinken, schaute betreten zu Boden. Was war bitte das jetzt gewesen?

      Immerhin hatte Rania, über einen Kopf kleiner als er und von schmaler Statur, seinen plump ausgeführten Schlag frühzeitig erkannt. So hatte sie ihm ansatzweise ausweichen können. Jetzt funkelte sie ihn aus ihren dunklen Augen an. Zuerst las Malik in ihrem Blick noch Überraschung. Als sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr und das Blut bemerkte, folgte ungläubiges Staunen. Ihre eben noch weit geöffneten Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, sie atmete ein paar Mal heftig ein und aus. Dann strich sie sich ihre langen, ebenholzfarbenen Haare aus dem Gesicht und ging mit geballten Fäusten einen Schritt auf Malik zu. Statt ihn jedoch zu schlagen, schürzte sie die Lippen und spuckte ihm eine Mischung aus Speichel und Blut ins Gesicht. Dabei schüttelte sie angewidert den Kopf und griff nach ihrem Handy. Sie starrte Malik hasserfüllt an, während sie mit zitternden Fingern eine Kurzwahlnummer antippte. „Verschwinde lieber!“

      Mit ihrer freien Hand schubste sie ihn Richtung Tür. Malik wollte zu einer Entschuldigung ansetzten, als Rania auf persisch einen ihrer Brüder begrüßte. Jetzt verstand er das Verschwinde lieber, er kannte Ranias Brüder, kannte ihre aufbrausende Art. Sie wohnten nur wenige Straßenzüge entfernt und Malik würde sich beeilen müssen, wenn er ihnen aus dem Weg gehen wollte.

      Mit hängendem Kopf wandte er sich zur Tür. Dabei fiel sein Blick auf die Anrichte und die beiden dort liegenden Geldbündel. Sollte er sie wieder mitnehmen? Vielleicht beruhigte Rania sich ja. Sie, die ansonsten personifizierte Sanftmut, verhielt doch sonst nicht so. Allerdings war ihm auch nie zuvor die Hand ausgerutscht. Mit einem resignierten Kopfschütteln schlich er an ihr vorbei aus der Wohnung. Das Geld ließ er liegen.

      Krachend fiel hinter ihm die Tür ins Schloss. Der Besuch war so was von schiefgelaufen.

      04:08:15

      „Wie siehst du denn aus?“ Entgeistert starrte Andy in Maliks Gesicht, auf dem Ranias Spuckattacke ein Muster dunkelroter Punkte hinterlassen hatte.

      Gedankenverloren wischte sich Malik über die halb getrockneten Spritzer und ging zur Fahrertür, an welche Andy gelehnt stand. „Ich frage mich eher, was du hier machst.“

      „Na, Zuhause warst du nicht. Blieb ja bloß Rania.“ Als Malik an ihm vorbei zur Tür ging, packte Andy ihn energisch an der Schulter. „He, Malik. Warte! Wir müssen zu Schlosser, ihm alles erklären. Wir geben das Geld ab und dann ist gut.“

      Ungerührt zückte Malik den Autoschlüssel und schob Andy beiseite.

      „Bist du verrückt? So kannst du nicht fahren!“

      „Wieso?“ Malik schaute auf die Uhr, dachte an Ranias Brüder. Die Zeit lief.

      „Bei dieser Visage? Da hält uns der erste Bulle an. Außerdem, wo ist überhaupt der Koffer?“ Andy ging wieder einen Schritt in Richtung Autotür.

      Uns? Der Koffer? Unruhig blickte Malik die Straße hinab. Dann zeigte er auf die halbvolle Cola-Flasche auf der Rückbank und zog sein T-Shirt unter der Jacke hervor. „Ich schmier mir das Zeug damit weg. Mach jetzt Platz.“ Damit schob er Andy von der Tür und stieg ein. Er öffnete die Flasche, kippte die klebrige Flüssigkeit über das Shirt und wischte sich mit kreisenden Bewegungen das Gesicht ab.

      Andy stand gestikulierend an der Beifahrertür. „Mach schon auf! Ich komm mit.“ Im Rückspiegel überzeugte Malik sich davon, dass die gröbsten Spuren aus seinem Gesicht verschwunden

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